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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

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1. Staatshändel in Europa a. 1740--1756.

Erster Freundschafts- und Vertheidigungs-Bund zwi-
schen Frankreich und Oestreich 1. May 1756, durch Ber-
nis
abgeschlossen, eingeleitet durch einen gleichzeitigen
Neutralitätsvertrag von Seiten der Kayserin in dem
eben ausbrechenden Kriege zwischen England und Frankreich,
wodurch Oestreich also seiner Verbindung mit England ent-
sagte. Darauf während des 7jährigen Kriegs in einem im
May 1757 unterzeichneten, wenn gleich nicht ratificirten,
Vertrage, die Bestimmungen über die Theilung der Preu-
ßischen Monarchie; Schlesien an Oestreich, Pommern an
Schweden, Magdeburg etc. an Sachsen, die Niederlande
gegen Parma und Piacenza an D. Philipp etc. -- Endlich
erneuertes und erweitertes Bündniß 30. Dec.
1758 durch Choiseul. Wechselseitiger Beystand mit allen
Kräften; und nur gemeinschaftlicher Friede.

41. So war es Oestreich, welches in dieser
beyspiellosen Verbindung alle Vortheile für sich sti-
pulirte; ohne Frankreich einen einzigen zu sichern.
Denn was konnte ihm für den Ruhm werden, den
Feind Oestreichs stürzen zu helfen, als -- die Ehre
der künftigen Mitherrschaft in Europa, so weit Oest-
reich sie ihm lassen wollte. Aber nicht in dieser
Uebervortheilung findet eine aufgeklärte Politik den
Haupt-Fehler Frankreichs; sie findet ihn darin,
daß diese Verbindung zugleich eine Verleugnung
seines politischen Charakters war;
und
keine Macht verleugnet diesen ungestraft. Als Geg-
ner Oestreichs hatte es seit zwey Jahrhunderten sei-
nen hohen Rang unter den Continental-Mächten be-
hauptet: was blieb ihm, als es Oestreichs Waf-
fenträger wurde?

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1. Staatshaͤndel in Europa a. 1740--1756.

Erſter Freundſchafts- und Vertheidigungs-Bund zwi-
ſchen Frankreich und Oeſtreich 1. May 1756, durch Ber-
nis
abgeſchloſſen, eingeleitet durch einen gleichzeitigen
Neutralitaͤtsvertrag von Seiten der Kayſerin in dem
eben ausbrechenden Kriege zwiſchen England und Frankreich,
wodurch Oeſtreich alſo ſeiner Verbindung mit England ent-
ſagte. Darauf waͤhrend des 7jaͤhrigen Kriegs in einem im
May 1757 unterzeichneten, wenn gleich nicht ratificirten,
Vertrage, die Beſtimmungen uͤber die Theilung der Preu-
ßiſchen Monarchie; Schleſien an Oeſtreich, Pommern an
Schweden, Magdeburg ꝛc. an Sachſen, die Niederlande
gegen Parma und Piacenza an D. Philipp ꝛc. — Endlich
erneuertes und erweitertes Buͤndniß 30. Dec.
1758 durch Choiſeul. Wechſelſeitiger Beyſtand mit allen
Kraͤften; und nur gemeinſchaftlicher Friede.

41. So war es Oeſtreich, welches in dieſer
beyſpielloſen Verbindung alle Vortheile fuͤr ſich ſti-
pulirte; ohne Frankreich einen einzigen zu ſichern.
Denn was konnte ihm fuͤr den Ruhm werden, den
Feind Oeſtreichs ſtuͤrzen zu helfen, als — die Ehre
der kuͤnftigen Mitherrſchaft in Europa, ſo weit Oeſt-
reich ſie ihm laſſen wollte. Aber nicht in dieſer
Uebervortheilung findet eine aufgeklaͤrte Politik den
Haupt-Fehler Frankreichs; ſie findet ihn darin,
daß dieſe Verbindung zugleich eine Verleugnung
ſeines politiſchen Charakters war;
und
keine Macht verleugnet dieſen ungeſtraft. Als Geg-
ner Oeſtreichs hatte es ſeit zwey Jahrhunderten ſei-
nen hohen Rang unter den Continental-Maͤchten be-
hauptet: was blieb ihm, als es Oeſtreichs Waf-
fentraͤger wurde?

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[393/0431] 1. Staatshaͤndel in Europa a. 1740--1756. Erſter Freundſchafts- und Vertheidigungs-Bund zwi- ſchen Frankreich und Oeſtreich 1. May 1756, durch Ber- nis abgeſchloſſen, eingeleitet durch einen gleichzeitigen Neutralitaͤtsvertrag von Seiten der Kayſerin in dem eben ausbrechenden Kriege zwiſchen England und Frankreich, wodurch Oeſtreich alſo ſeiner Verbindung mit England ent- ſagte. Darauf waͤhrend des 7jaͤhrigen Kriegs in einem im May 1757 unterzeichneten, wenn gleich nicht ratificirten, Vertrage, die Beſtimmungen uͤber die Theilung der Preu- ßiſchen Monarchie; Schleſien an Oeſtreich, Pommern an Schweden, Magdeburg ꝛc. an Sachſen, die Niederlande gegen Parma und Piacenza an D. Philipp ꝛc. — Endlich erneuertes und erweitertes Buͤndniß 30. Dec. 1758 durch Choiſeul. Wechſelſeitiger Beyſtand mit allen Kraͤften; und nur gemeinſchaftlicher Friede. 41. So war es Oeſtreich, welches in dieſer beyſpielloſen Verbindung alle Vortheile fuͤr ſich ſti- pulirte; ohne Frankreich einen einzigen zu ſichern. Denn was konnte ihm fuͤr den Ruhm werden, den Feind Oeſtreichs ſtuͤrzen zu helfen, als — die Ehre der kuͤnftigen Mitherrſchaft in Europa, ſo weit Oeſt- reich ſie ihm laſſen wollte. Aber nicht in dieſer Uebervortheilung findet eine aufgeklaͤrte Politik den Haupt-Fehler Frankreichs; ſie findet ihn darin, daß dieſe Verbindung zugleich eine Verleugnung ſeines politiſchen Charakters war; und keine Macht verleugnet dieſen ungeſtraft. Als Geg- ner Oeſtreichs hatte es ſeit zwey Jahrhunderten ſei- nen hohen Rang unter den Continental-Maͤchten be- hauptet: was blieb ihm, als es Oeſtreichs Waf- fentraͤger wurde? b. B b 5

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Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/431>, abgerufen am 25.11.2024.