3. Schweden, im Besitz der wichtigen Ne- benländer fast rund um die Ostsee, glänzte noch als die erste Macht des Norden. Aber diese Neben- länder, die Veranlassung zu der Theilnahme an den Kriegen des Osten und Westen, waren ein sehr zweifelhaftes Glück; und in dem Innern schien während der Minderjährigkeit Carl'sXI. fast ein Zustand gegründet werden zu sollen, nicht viel besser als in Polen; hätte nicht der König noch zur rech- ten Zeit seine Rechte und seine Einkünfte vindi-1680 cirt. So wurde aber die königliche Macht so gut wie unumschränkt; und die Zeiten sollten kommen, wo Schweden auch dieß zu bedauern hatte.
4. Preußen, jetzt souverainer Staat, blieb doch Nebenland von Brandenburg, weil hier die Residenz blieb. Wie viel möchte anders gewor- den seyn, wäre sie nach Königsberg verlegt? So blieb die Theilnahme an den Staatshändeln des westlichen Europas viel größer, als an denen des nördlichen, außer in so fern sie durch jene herbeyge- führt wurde.
Schon unter Churfürst Friedrich Wilhelm entstand Preußische Selbstständigkeit in der auswärtigen Politik, so weit sie mit den Pflichten des Reichsstandes vereinbarlich war; so wie in dem Innern durch willkührliche Abgaben -- der Folge der Kriege -- die Autocratie gegründet ward. Aber die großen Institute, die den Preußischen Staatscha- rakter bildeten, waren doch erst späteren Ursprungs.
5.
Von 1661 bis 1700.
3. Schweden, im Beſitz der wichtigen Ne- benlaͤnder faſt rund um die Oſtſee, glaͤnzte noch als die erſte Macht des Norden. Aber dieſe Neben- laͤnder, die Veranlaſſung zu der Theilnahme an den Kriegen des Oſten und Weſten, waren ein ſehr zweifelhaftes Gluͤck; und in dem Innern ſchien waͤhrend der Minderjaͤhrigkeit Carl'sXI. faſt ein Zuſtand gegruͤndet werden zu ſollen, nicht viel beſſer als in Polen; haͤtte nicht der Koͤnig noch zur rech- ten Zeit ſeine Rechte und ſeine Einkuͤnfte vindi-1680 cirt. So wurde aber die koͤnigliche Macht ſo gut wie unumſchraͤnkt; und die Zeiten ſollten kommen, wo Schweden auch dieß zu bedauern hatte.
4. Preußen, jetzt ſouverainer Staat, blieb doch Nebenland von Brandenburg, weil hier die Reſidenz blieb. Wie viel moͤchte anders gewor- den ſeyn, waͤre ſie nach Koͤnigsberg verlegt? So blieb die Theilnahme an den Staatshaͤndeln des weſtlichen Europas viel groͤßer, als an denen des noͤrdlichen, außer in ſo fern ſie durch jene herbeyge- fuͤhrt wurde.
Schon unter Churfuͤrſt Friedrich Wilhelm entſtand Preußiſche Selbſtſtaͤndigkeit in der auswaͤrtigen Politik, ſo weit ſie mit den Pflichten des Reichsſtandes vereinbarlich war; ſo wie in dem Innern durch willkuͤhrliche Abgaben — der Folge der Kriege — die Autocratie gegruͤndet ward. Aber die großen Inſtitute, die den Preußiſchen Staatscha- rakter bildeten, waren doch erſt ſpaͤteren Urſprungs.
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Von 1661 bis 1700.
3. Schweden, im Beſitz der wichtigen Ne-
benlaͤnder faſt rund um die Oſtſee, glaͤnzte noch als
die erſte Macht des Norden. Aber dieſe Neben-
laͤnder, die Veranlaſſung zu der Theilnahme an
den Kriegen des Oſten und Weſten, waren ein
ſehr zweifelhaftes Gluͤck; und in dem Innern ſchien
waͤhrend der Minderjaͤhrigkeit Carl's XI. faſt ein
Zuſtand gegruͤndet werden zu ſollen, nicht viel beſſer
als in Polen; haͤtte nicht der Koͤnig noch zur rech-
ten Zeit ſeine Rechte und ſeine Einkuͤnfte vindi-
cirt. So wurde aber die koͤnigliche Macht ſo gut
wie unumſchraͤnkt; und die Zeiten ſollten kommen,
wo Schweden auch dieß zu bedauern hatte.
1680
4. Preußen, jetzt ſouverainer Staat,
blieb doch Nebenland von Brandenburg, weil hier
die Reſidenz blieb. Wie viel moͤchte anders gewor-
den ſeyn, waͤre ſie nach Koͤnigsberg verlegt? So
blieb die Theilnahme an den Staatshaͤndeln des
weſtlichen Europas viel groͤßer, als an denen des
noͤrdlichen, außer in ſo fern ſie durch jene herbeyge-
fuͤhrt wurde.
Schon unter Churfuͤrſt Friedrich Wilhelm entſtand
Preußiſche Selbſtſtaͤndigkeit in der auswaͤrtigen Politik, ſo
weit ſie mit den Pflichten des Reichsſtandes vereinbarlich war;
ſo wie in dem Innern durch willkuͤhrliche Abgaben —
der Folge der Kriege — die Autocratie gegruͤndet ward.
Aber die großen Inſtitute, die den Preußiſchen Staatscha-
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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