Nach der bisherigen Erfahrung ist die eine Probelection, welcher sich die gelehrten Schulamts-Candidaten in Folge der Bestimmungen in §§. 3. und 8. des Allerhöchsten Edicts vom 12. Juli 1810. bei ihrer Prüfung pro facultate docendi unterziehen müssen, nicht aus- reichend, um die practische Brauchbarkeit der Candidaten und ihre Lehrer-Geschicklichkeit so genau kennen zu lernen, als es für die be- treffenden Behörden zur richtigen Würdigung derer, die sich zu einer Anstellung im gelehrten Schulfache melden oder vorgeschlagen werden, wünschenswerth und nothwendig ist. Das Ministerium sieht sich daher veranlaßt, Folgendes anzuordnen:
1) Sämmtliche pro facultate docendi geprüfte und mit einem desfallsigen Zeugnisse einer Königl. wissenschaftlichen Prüfungs-Com- mission versehene Schulamts-Candidaten sollen von jetzt an wenigstens Ein Jahr lang bei einem Gymnasio oder einer höheren Bürgerschule sich im Unterrichten practisch üben, und hierin ihre Befähigung aus- weisen, bevor sie sich zu irgend einer Anstellung im gelehrten Schul- fache melden dürfen.
2) Die Wahl der gelehrten oder höheren Bürgerschule, in welcher die gelehrten Schulamts-Candidaten ihre practische Befähigung im Unterrichten nachweisen wollen, soll ihnen zwar frei stehen, doch dürfen an keinem Gymnasio und an keiner höheren Bürgerschule zu gleicher Zeit mehr als zwei gelehrte Schulamts-Candidaten angenommen, auch keinem mehr als acht wöchentliche Lehrstunden übertragen werden. Nur in dem Falle, daß Krankheit eines Lehrers der Anstalt, welcher die gelehrten Schulamts-Candidaten sich zugesellt haben, oder eine andere gültige Ursache ihn hinderte, seine Lehrstunden abzuwarten, sollen die obengedachten Candidaten verpflichtet sein, die betreffende Anstalt durch Uebernahme mehrerer Vicariats-Stunden, deren Zahl sich aber nicht über sechs erstrecken darf, zu unterstützen.
3) Der Beurtheilung der Directoren oder Rectoren der Gymnasien und höheren Bürgerschulen bleibt die Bestimmung der Classen über- lassen, in welchen sie den gelehrten Schulamtscandidaten die von den- selben zu übernehmenden Lehrstunden anzuweisen für zweckdienlich erachten; die Uebertragung dieser Lehrstunden kann auf ein halbes oder ein ganzes Jahr geschehen, je nachdem der Cursus in der betreffenden gelehrten oder höheren Bürgerschule halbjährlich oder jährlich ist.
4) Nicht nur die Directoren oder Rectoren der Gymnasien und
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Nach der bisherigen Erfahrung iſt die eine Probelection, welcher ſich die gelehrten Schulamts-Candidaten in Folge der Beſtimmungen in §§. 3. und 8. des Allerhöchſten Edicts vom 12. Juli 1810. bei ihrer Prüfung pro facultate docendi unterziehen müſſen, nicht aus- reichend, um die practiſche Brauchbarkeit der Candidaten und ihre Lehrer-Geſchicklichkeit ſo genau kennen zu lernen, als es für die be- treffenden Behörden zur richtigen Würdigung derer, die ſich zu einer Anſtellung im gelehrten Schulfache melden oder vorgeſchlagen werden, wünſchenswerth und nothwendig iſt. Das Miniſterium ſieht ſich daher veranlaßt, Folgendes anzuordnen:
1) Sämmtliche pro facultate docendi geprüfte und mit einem desfallſigen Zeugniſſe einer Königl. wiſſenſchaftlichen Prüfungs-Com- miſſion verſehene Schulamts-Candidaten ſollen von jetzt an wenigſtens Ein Jahr lang bei einem Gymnaſio oder einer höheren Bürgerſchule ſich im Unterrichten practiſch üben, und hierin ihre Befähigung aus- weiſen, bevor ſie ſich zu irgend einer Anſtellung im gelehrten Schul- fache melden dürfen.
2) Die Wahl der gelehrten oder höheren Bürgerſchule, in welcher die gelehrten Schulamts-Candidaten ihre practiſche Befähigung im Unterrichten nachweiſen wollen, ſoll ihnen zwar frei ſtehen, doch dürfen an keinem Gymnaſio und an keiner höheren Bürgerſchule zu gleicher Zeit mehr als zwei gelehrte Schulamts-Candidaten angenommen, auch keinem mehr als acht wöchentliche Lehrſtunden übertragen werden. Nur in dem Falle, daß Krankheit eines Lehrers der Anſtalt, welcher die gelehrten Schulamts-Candidaten ſich zugeſellt haben, oder eine andere gültige Urſache ihn hinderte, ſeine Lehrſtunden abzuwarten, ſollen die obengedachten Candidaten verpflichtet ſein, die betreffende Anſtalt durch Uebernahme mehrerer Vicariats-Stunden, deren Zahl ſich aber nicht über ſechs erſtrecken darf, zu unterſtützen.
3) Der Beurtheilung der Directoren oder Rectoren der Gymnaſien und höheren Bürgerſchulen bleibt die Beſtimmung der Claſſen über- laſſen, in welchen ſie den gelehrten Schulamtscandidaten die von den- ſelben zu übernehmenden Lehrſtunden anzuweiſen für zweckdienlich erachten; die Uebertragung dieſer Lehrſtunden kann auf ein halbes oder ein ganzes Jahr geſchehen, je nachdem der Curſus in der betreffenden gelehrten oder höheren Bürgerſchule halbjährlich oder jährlich iſt.
4) Nicht nur die Directoren oder Rectoren der Gymnaſien und
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Nach der bisherigen Erfahrung iſt die eine Probelection, welcher
ſich die gelehrten Schulamts-Candidaten in Folge der Beſtimmungen
in §§. 3. und 8. des Allerhöchſten Edicts vom 12. Juli 1810. bei
ihrer Prüfung pro facultate docendi unterziehen müſſen, nicht aus-
reichend, um die practiſche Brauchbarkeit der Candidaten und ihre
Lehrer-Geſchicklichkeit ſo genau kennen zu lernen, als es für die be-
treffenden Behörden zur richtigen Würdigung derer, die ſich zu einer
Anſtellung im gelehrten Schulfache melden oder vorgeſchlagen werden,
wünſchenswerth und nothwendig iſt. Das Miniſterium ſieht ſich daher
veranlaßt, Folgendes anzuordnen:
1) Sämmtliche pro facultate docendi geprüfte und mit einem
desfallſigen Zeugniſſe einer Königl. wiſſenſchaftlichen Prüfungs-Com-
miſſion verſehene Schulamts-Candidaten ſollen von jetzt an wenigſtens
Ein Jahr lang bei einem Gymnaſio oder einer höheren Bürgerſchule
ſich im Unterrichten practiſch üben, und hierin ihre Befähigung aus-
weiſen, bevor ſie ſich zu irgend einer Anſtellung im gelehrten Schul-
fache melden dürfen.
2) Die Wahl der gelehrten oder höheren Bürgerſchule, in welcher
die gelehrten Schulamts-Candidaten ihre practiſche Befähigung im
Unterrichten nachweiſen wollen, ſoll ihnen zwar frei ſtehen, doch dürfen
an keinem Gymnaſio und an keiner höheren Bürgerſchule zu gleicher
Zeit mehr als zwei gelehrte Schulamts-Candidaten angenommen, auch
keinem mehr als acht wöchentliche Lehrſtunden übertragen werden. Nur
in dem Falle, daß Krankheit eines Lehrers der Anſtalt, welcher die
gelehrten Schulamts-Candidaten ſich zugeſellt haben, oder eine andere
gültige Urſache ihn hinderte, ſeine Lehrſtunden abzuwarten, ſollen die
obengedachten Candidaten verpflichtet ſein, die betreffende Anſtalt durch
Uebernahme mehrerer Vicariats-Stunden, deren Zahl ſich aber nicht
über ſechs erſtrecken darf, zu unterſtützen.
3) Der Beurtheilung der Directoren oder Rectoren der Gymnaſien
und höheren Bürgerſchulen bleibt die Beſtimmung der Claſſen über-
laſſen, in welchen ſie den gelehrten Schulamtscandidaten die von den-
ſelben zu übernehmenden Lehrſtunden anzuweiſen für zweckdienlich
erachten; die Uebertragung dieſer Lehrſtunden kann auf ein halbes oder
ein ganzes Jahr geſchehen, je nachdem der Curſus in der betreffenden
gelehrten oder höheren Bürgerſchule halbjährlich oder jährlich iſt.
4) Nicht nur die Directoren oder Rectoren der Gymnaſien und
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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/527>, abgerufen am 22.11.2024.
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