§. 3. Gehören zu einer Pfarrei Schwester- oder Tochter-Kirchen, so hat der Superintendent die Visitation auch bei diesen vorzunehmen, und sich zu ihnen hinzubegeben. Geschieht die Visitation an einem Werkeltage, so ist es hinreichend, wenn nur in einer der zur Parochie gehörigen Kirchen gepredigt wird. Findet sie aber an einem Sonn- oder Festtage Statt, so muß der Prediger, so viel es die Zeit erlaubt, an allen den Orten predigen, an welchen er, der Regel nach, sonst hätte predigen müssen, wenn die Visitation nicht angesetzt worden wäre. Ueberhaupt muß bei den gewöhnlichen Visitationen der Gottes- dienst auch in der gewohnten Weise gehalten werden.
§. 4. Es bleibt dem Superintendenten unbenommen, wenn Nachrichten, die über das Verhalten eines Predigers oder Schullehrers bei ihm eingegangen sind, oder sonst eingetretene Umstände im Kirchen- und Schulwesen es nöthig machen sollten, auch zu jeder Zeit in seinem Sprengel eine außerordentliche Visitation vorzunehmen, ohne sie vorher bekannt zu machen.
§. 5. Die bei einer gewöhnlichen Kirchen- und Schulvisitation vorzunehmenden Gegenstände sind folgende:
a) Es wird nach der Bestimmung des §. 3. Gottesdienst gehalten, bei welchem der Superintendent nach der Predigt den Ortspfarrer über ein ihm aufgegebenes Stück aus dem Catechismus eine catechetische Unterredung mit der Schuljugend anstellen läßt, sodann die in den letzten drei Jahren Confirmirten selbst prüft, und endlich von dem Altare herab eine kurze Anrede an die Gemeine hält, in welcher er die ihm nöthig scheinenden Ermah- nungen giebt, worauf er die Versammlung mit dem Segen ent- läßt. Der Visitator hat hinsichtlich des öffentlichen Gottesdienstes darauf zu sehen, ob derselbe den allgemeinen Grundsätzen der evan- gelischen Kirche und den deshalb besonders ertheilten Bestimmungen gemäß gehalten und mit Theilnahme aufgenommen werde. Er muß bei der Predigt ihren Gehalt, ihre Erbaulichkeit und den äußerlichen Vortrag des Geistlichen zu einem Gegenstande seiner Aufmerksamkeit machen, und bei dem liturgischen Theile des Gottesdienstes auf die Ordnungsmäßigkeit, auf die würdevolle und eindringliche Behandlung desselben, auch auf den Kirchen- gesang, so wie das Orgelspiel, achten.
b) Der Superintendent untersucht, ob bei sämmtlichen sowohl
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§. 3. Gehören zu einer Pfarrei Schweſter- oder Tochter-Kirchen, ſo hat der Superintendent die Viſitation auch bei dieſen vorzunehmen, und ſich zu ihnen hinzubegeben. Geſchieht die Viſitation an einem Werkeltage, ſo iſt es hinreichend, wenn nur in einer der zur Parochie gehörigen Kirchen gepredigt wird. Findet ſie aber an einem Sonn- oder Feſttage Statt, ſo muß der Prediger, ſo viel es die Zeit erlaubt, an allen den Orten predigen, an welchen er, der Regel nach, ſonſt hätte predigen müſſen, wenn die Viſitation nicht angeſetzt worden wäre. Ueberhaupt muß bei den gewöhnlichen Viſitationen der Gottes- dienſt auch in der gewohnten Weiſe gehalten werden.
§. 4. Es bleibt dem Superintendenten unbenommen, wenn Nachrichten, die über das Verhalten eines Predigers oder Schullehrers bei ihm eingegangen ſind, oder ſonſt eingetretene Umſtände im Kirchen- und Schulweſen es nöthig machen ſollten, auch zu jeder Zeit in ſeinem Sprengel eine außerordentliche Viſitation vorzunehmen, ohne ſie vorher bekannt zu machen.
§. 5. Die bei einer gewöhnlichen Kirchen- und Schulviſitation vorzunehmenden Gegenſtände ſind folgende:
a) Es wird nach der Beſtimmung des §. 3. Gottesdienſt gehalten, bei welchem der Superintendent nach der Predigt den Ortspfarrer über ein ihm aufgegebenes Stück aus dem Catechismus eine catechetiſche Unterredung mit der Schuljugend anſtellen läßt, ſodann die in den letzten drei Jahren Confirmirten ſelbſt prüft, und endlich von dem Altare herab eine kurze Anrede an die Gemeine hält, in welcher er die ihm nöthig ſcheinenden Ermah- nungen giebt, worauf er die Verſammlung mit dem Segen ent- läßt. Der Viſitator hat hinſichtlich des öffentlichen Gottesdienſtes darauf zu ſehen, ob derſelbe den allgemeinen Grundſätzen der evan- geliſchen Kirche und den deshalb beſonders ertheilten Beſtimmungen gemäß gehalten und mit Theilnahme aufgenommen werde. Er muß bei der Predigt ihren Gehalt, ihre Erbaulichkeit und den äußerlichen Vortrag des Geiſtlichen zu einem Gegenſtande ſeiner Aufmerkſamkeit machen, und bei dem liturgiſchen Theile des Gottesdienſtes auf die Ordnungsmäßigkeit, auf die würdevolle und eindringliche Behandlung deſſelben, auch auf den Kirchen- geſang, ſo wie das Orgelſpiel, achten.
b) Der Superintendent unterſucht, ob bei ſämmtlichen ſowohl
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§. 3. Gehören zu einer Pfarrei Schweſter- oder Tochter-Kirchen,
ſo hat der Superintendent die Viſitation auch bei dieſen vorzunehmen,
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Werkeltage, ſo iſt es hinreichend, wenn nur in einer der zur Parochie
gehörigen Kirchen gepredigt wird. Findet ſie aber an einem Sonn-
oder Feſttage Statt, ſo muß der Prediger, ſo viel es die Zeit erlaubt,
an allen den Orten predigen, an welchen er, der Regel nach, ſonſt
hätte predigen müſſen, wenn die Viſitation nicht angeſetzt worden
wäre. Ueberhaupt muß bei den gewöhnlichen Viſitationen der Gottes-
dienſt auch in der gewohnten Weiſe gehalten werden.
§. 4. Es bleibt dem Superintendenten unbenommen, wenn
Nachrichten, die über das Verhalten eines Predigers oder Schullehrers
bei ihm eingegangen ſind, oder ſonſt eingetretene Umſtände im Kirchen-
und Schulweſen es nöthig machen ſollten, auch zu jeder Zeit in
ſeinem Sprengel eine außerordentliche Viſitation vorzunehmen, ohne
ſie vorher bekannt zu machen.
§. 5. Die bei einer gewöhnlichen Kirchen- und Schulviſitation
vorzunehmenden Gegenſtände ſind folgende:
a) Es wird nach der Beſtimmung des §. 3. Gottesdienſt gehalten,
bei welchem der Superintendent nach der Predigt den Ortspfarrer
über ein ihm aufgegebenes Stück aus dem Catechismus eine
catechetiſche Unterredung mit der Schuljugend anſtellen läßt,
ſodann die in den letzten drei Jahren Confirmirten ſelbſt prüft,
und endlich von dem Altare herab eine kurze Anrede an die
Gemeine hält, in welcher er die ihm nöthig ſcheinenden Ermah-
nungen giebt, worauf er die Verſammlung mit dem Segen ent-
läßt. Der Viſitator hat hinſichtlich des öffentlichen Gottesdienſtes
darauf zu ſehen, ob derſelbe den allgemeinen Grundſätzen der evan-
geliſchen Kirche und den deshalb beſonders ertheilten Beſtimmungen
gemäß gehalten und mit Theilnahme aufgenommen werde. Er
muß bei der Predigt ihren Gehalt, ihre Erbaulichkeit und den
äußerlichen Vortrag des Geiſtlichen zu einem Gegenſtande ſeiner
Aufmerkſamkeit machen, und bei dem liturgiſchen Theile des
Gottesdienſtes auf die Ordnungsmäßigkeit, auf die würdevolle
und eindringliche Behandlung deſſelben, auch auf den Kirchen-
geſang, ſo wie das Orgelſpiel, achten.
b) Der Superintendent unterſucht, ob bei ſämmtlichen ſowohl
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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/255>, abgerufen am 16.02.2025.
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