Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.könnten die Herren Advokaten doch auch ein wenig spatziren gehen und frische Luft schöpfen. Zwey Erzählungen. Wie leicht sich manche Menschen oft über unbedeutende Kleinigkeiten ärgern und erzürnen, und wie leicht die nemlichen oft durch einen unerwarteten spaßhaften Einfall wieder zur Besinnung können gebracht werden, das haben wir an dem Herrn gesehen, der die Suppenschüssel aus dem Fenster warf, und an seinem witzigen Bedienten. Das nemliche lehren folgende zwey Beyspiele. Ein Gassenjunge sprach einen gut und vornehm gekleideten Mann, der an ihm vorbeygieng, um einen Kreutzer an, und als dieser seiner Bitte kein Gehör gehen wollte, versprach er ihm, um einen Kreutzer zu zeigen, wie man zu Zorn und Schimpf und Händeln kommen könne. Mancher der dieß liest, wird denken, das zu lernen sey keinen Heller noch weniger einen Kreutzer werth, weil Schimpf und Händel etwas Schlimmes und nichts Gutes sind. Aber es ist mehr werth, als man meynt. Denn wenn man weiß, wie man zu dem Schlimmen kommen kann, so weiß man auch, vor was man sich zu hüten hat, wenn man davor bewahrt bleiben will. So mag dieser Mann auch gedacht haben, denn er gab dem Knaben den Kreutzer. Allein dieser forderte jezt den zweyten, und als er den auch erlangt hatte, den dritten und vierten, und endlich den sechsten. Als er aber noch immer mit dem Kunststück nicht herausrücken wollte, gieng doch die Geduld des Mannes aus. Er nannte den könnten die Herren Advokaten doch auch ein wenig spatziren gehen und frische Luft schöpfen. Zwey Erzählungen. Wie leicht sich manche Menschen oft über unbedeutende Kleinigkeiten ärgern und erzürnen, und wie leicht die nemlichen oft durch einen unerwarteten spaßhaften Einfall wieder zur Besinnung können gebracht werden, das haben wir an dem Herrn gesehen, der die Suppenschüssel aus dem Fenster warf, und an seinem witzigen Bedienten. Das nemliche lehren folgende zwey Beyspiele. Ein Gassenjunge sprach einen gut und vornehm gekleideten Mann, der an ihm vorbeygieng, um einen Kreutzer an, und als dieser seiner Bitte kein Gehör gehen wollte, versprach er ihm, um einen Kreutzer zu zeigen, wie man zu Zorn und Schimpf und Händeln kommen könne. Mancher der dieß liest, wird denken, das zu lernen sey keinen Heller noch weniger einen Kreutzer werth, weil Schimpf und Händel etwas Schlimmes und nichts Gutes sind. Aber es ist mehr werth, als man meynt. Denn wenn man weiß, wie man zu dem Schlimmen kommen kann, so weiß man auch, vor was man sich zu hüten hat, wenn man davor bewahrt bleiben will. So mag dieser Mann auch gedacht haben, denn er gab dem Knaben den Kreutzer. Allein dieser forderte jezt den zweyten, und als er den auch erlangt hatte, den dritten und vierten, und endlich den sechsten. Als er aber noch immer mit dem Kunststück nicht herausrücken wollte, gieng doch die Geduld des Mannes aus. Er nannte den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="84"/> könnten die Herren Advokaten doch auch ein wenig spatziren gehen und frische Luft schöpfen.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="1"> <head>Zwey Erzählungen.</head><lb/> <p>Wie leicht sich manche Menschen oft über unbedeutende Kleinigkeiten ärgern und erzürnen, und wie leicht die nemlichen oft durch einen unerwarteten spaßhaften Einfall wieder zur Besinnung können gebracht werden, das haben wir an dem Herrn gesehen, der die Suppenschüssel aus dem Fenster warf, und an seinem witzigen Bedienten. Das nemliche lehren folgende zwey Beyspiele.</p> <p>Ein Gassenjunge sprach einen gut und vornehm gekleideten Mann, der an ihm vorbeygieng, um einen Kreutzer an, und als dieser seiner Bitte kein Gehör gehen wollte, versprach er ihm, um einen Kreutzer zu zeigen, wie man zu Zorn und Schimpf und Händeln kommen könne. Mancher der dieß liest, wird denken, das zu lernen sey keinen Heller noch weniger einen Kreutzer werth, weil Schimpf und Händel etwas Schlimmes und nichts Gutes sind. Aber es ist mehr werth, als man meynt. Denn wenn man weiß, wie man zu dem Schlimmen kommen kann, so weiß man auch, vor was man sich zu hüten hat, wenn man davor bewahrt bleiben will. So mag dieser Mann auch gedacht haben, denn er gab dem Knaben den Kreutzer. Allein dieser forderte jezt den zweyten, und als er den auch erlangt hatte, den dritten und vierten, und endlich den sechsten. Als er aber noch immer mit dem Kunststück nicht herausrücken wollte, gieng doch die Geduld des Mannes aus. Er nannte den </p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0092]
könnten die Herren Advokaten doch auch ein wenig spatziren gehen und frische Luft schöpfen.
Zwey Erzählungen.
Wie leicht sich manche Menschen oft über unbedeutende Kleinigkeiten ärgern und erzürnen, und wie leicht die nemlichen oft durch einen unerwarteten spaßhaften Einfall wieder zur Besinnung können gebracht werden, das haben wir an dem Herrn gesehen, der die Suppenschüssel aus dem Fenster warf, und an seinem witzigen Bedienten. Das nemliche lehren folgende zwey Beyspiele.
Ein Gassenjunge sprach einen gut und vornehm gekleideten Mann, der an ihm vorbeygieng, um einen Kreutzer an, und als dieser seiner Bitte kein Gehör gehen wollte, versprach er ihm, um einen Kreutzer zu zeigen, wie man zu Zorn und Schimpf und Händeln kommen könne. Mancher der dieß liest, wird denken, das zu lernen sey keinen Heller noch weniger einen Kreutzer werth, weil Schimpf und Händel etwas Schlimmes und nichts Gutes sind. Aber es ist mehr werth, als man meynt. Denn wenn man weiß, wie man zu dem Schlimmen kommen kann, so weiß man auch, vor was man sich zu hüten hat, wenn man davor bewahrt bleiben will. So mag dieser Mann auch gedacht haben, denn er gab dem Knaben den Kreutzer. Allein dieser forderte jezt den zweyten, und als er den auch erlangt hatte, den dritten und vierten, und endlich den sechsten. Als er aber noch immer mit dem Kunststück nicht herausrücken wollte, gieng doch die Geduld des Mannes aus. Er nannte den
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Zitationshilfe: | Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/92>, abgerufen am 16.02.2025. |