Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

feste und feierliche Versicherung gehen, und that hierauf folgenden Ausspruch: "Demnach, und wenn der eine von euch 800 Thlr. verloren, der andere aber nur ein Päklein mit 700 Thlr. gefunden hat, so kann auch das Geld des Letztern nicht das nemliche seyn, auf welches der erstere ein Recht hat. Du, ehrlicher Freund nimmst also das Geld, welches du gefunden hast, wieder zurük, und behältst es in guter Verwahrung, bis der kommt, welcher nur 700 Thlr. verloren hat. Und dir da weiß ich keinen Rathh, als du geduldest dich, bis derjenige sich meldet, der deine 800 Thlr. findet." So sprach der Richter, und dabei blieb es.


Der Mensch in Kälte und Hitze.

Der Mensch kann nichts nützlicheres und besseres kennen lernen, als sich selbst und seine Natur; und manchem, der bei uns an einem heisen Sommertage fast verschmachten will, oder im kalten Jenner sich nicht getraut, vom warmen Ofen wegzugehen, wird kaum glauben können, was ich sagen werde, und doch ist es wahr.

Bekanntlich ist die Wärme des Sommers und die Kälte des Winters nicht in allen Gegenden der Erde gleich, auch kommen sie nicht an allen Orten zu gleicher Zeit, und sind nicht von gleicher Dauer. Es giebt Gegenden, wo der Winter den größten Theil des ganzen Jahrs Herr und Meister ist, und entsetzlich streng regiert, wo das Wasser in den Seen 10 Schuh tief gefriert, und die Erde selbst im Sommer nicht ganz, sondern nur einige Schuh tief aufthaut,

feste und feierliche Versicherung gehen, und that hierauf folgenden Ausspruch: „Demnach, und wenn der eine von euch 800 Thlr. verloren, der andere aber nur ein Päklein mit 700 Thlr. gefunden hat, so kann auch das Geld des Letztern nicht das nemliche seyn, auf welches der erstere ein Recht hat. Du, ehrlicher Freund nimmst also das Geld, welches du gefunden hast, wieder zurük, und behältst es in guter Verwahrung, bis der kommt, welcher nur 700 Thlr. verloren hat. Und dir da weiß ich keinen Rathh, als du geduldest dich, bis derjenige sich meldet, der deine 800 Thlr. findet.“ So sprach der Richter, und dabei blieb es.


Der Mensch in Kälte und Hitze.

Der Mensch kann nichts nützlicheres und besseres kennen lernen, als sich selbst und seine Natur; und manchem, der bei uns an einem heisen Sommertage fast verschmachten will, oder im kalten Jenner sich nicht getraut, vom warmen Ofen wegzugehen, wird kaum glauben können, was ich sagen werde, und doch ist es wahr.

Bekanntlich ist die Wärme des Sommers und die Kälte des Winters nicht in allen Gegenden der Erde gleich, auch kommen sie nicht an allen Orten zu gleicher Zeit, und sind nicht von gleicher Dauer. Es giebt Gegenden, wo der Winter den größten Theil des ganzen Jahrs Herr und Meister ist, und entsetzlich streng regiert, wo das Wasser in den Seen 10 Schuh tief gefriert, und die Erde selbst im Sommer nicht ganz, sondern nur einige Schuh tief aufthaut,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0068" n="60"/>
feste und feierliche Versicherung gehen, und that hierauf folgenden Ausspruch: &#x201E;Demnach, und wenn der eine von euch 800 Thlr. verloren, der andere aber nur ein Päklein mit 700 Thlr. gefunden hat, so kann auch das Geld des Letztern nicht das nemliche seyn, auf welches der erstere ein Recht hat. Du, ehrlicher Freund nimmst also das Geld, welches du gefunden hast, wieder zurük, und behältst es in guter Verwahrung, bis der kommt, welcher nur 700 Thlr. verloren hat. Und dir da weiß ich keinen Rathh, als du geduldest dich, bis derjenige sich meldet, der deine 800 Thlr. findet.&#x201C; So sprach der Richter, und dabei blieb es.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Der Mensch in Kälte und Hitze.</head><lb/>
        <p>Der Mensch kann nichts nützlicheres und besseres kennen lernen, als sich selbst und seine Natur; und manchem, der bei uns an einem heisen Sommertage fast verschmachten will, oder im kalten Jenner sich nicht getraut, vom warmen Ofen wegzugehen, wird kaum glauben können, was ich sagen werde, und doch ist es wahr.</p>
        <p>Bekanntlich ist die Wärme des Sommers und die Kälte des Winters nicht in allen Gegenden der Erde gleich, auch kommen sie nicht an allen Orten zu gleicher Zeit, und sind nicht von gleicher Dauer. Es giebt Gegenden, wo der Winter den größten Theil des ganzen Jahrs Herr und Meister ist, und entsetzlich streng regiert, wo das Wasser in den Seen 10 Schuh tief gefriert, und die Erde selbst im Sommer nicht ganz, sondern nur einige Schuh tief aufthaut,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0068] feste und feierliche Versicherung gehen, und that hierauf folgenden Ausspruch: „Demnach, und wenn der eine von euch 800 Thlr. verloren, der andere aber nur ein Päklein mit 700 Thlr. gefunden hat, so kann auch das Geld des Letztern nicht das nemliche seyn, auf welches der erstere ein Recht hat. Du, ehrlicher Freund nimmst also das Geld, welches du gefunden hast, wieder zurük, und behältst es in guter Verwahrung, bis der kommt, welcher nur 700 Thlr. verloren hat. Und dir da weiß ich keinen Rathh, als du geduldest dich, bis derjenige sich meldet, der deine 800 Thlr. findet.“ So sprach der Richter, und dabei blieb es. Der Mensch in Kälte und Hitze. Der Mensch kann nichts nützlicheres und besseres kennen lernen, als sich selbst und seine Natur; und manchem, der bei uns an einem heisen Sommertage fast verschmachten will, oder im kalten Jenner sich nicht getraut, vom warmen Ofen wegzugehen, wird kaum glauben können, was ich sagen werde, und doch ist es wahr. Bekanntlich ist die Wärme des Sommers und die Kälte des Winters nicht in allen Gegenden der Erde gleich, auch kommen sie nicht an allen Orten zu gleicher Zeit, und sind nicht von gleicher Dauer. Es giebt Gegenden, wo der Winter den größten Theil des ganzen Jahrs Herr und Meister ist, und entsetzlich streng regiert, wo das Wasser in den Seen 10 Schuh tief gefriert, und die Erde selbst im Sommer nicht ganz, sondern nur einige Schuh tief aufthaut,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/68
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/68>, abgerufen am 23.11.2024.