Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.Geiz und Verschwendung. Der Geizige rafft Geld und Gut zwecklos zusammen; der Verschwender bringt es zwecklos durch. Der Geizige hat keinen, der Verschwender hat einen unnützen Genuß von dem Seinigen. Der Geizige kann auf die goldene Mittelstrasse zurückkehren, so bald er will; dem Verschwender wird es immer schwerer, je weiter er sich davon entfernt. Der Geizige kann, aber er will es selten; der Verschwender möchte oft, aber er kann nicht mehr. Der eine macht sich Feinde; der andere erwirbt Freunde, die schlimmer sind als ein Feind. Jenen peinigt der Wunsch, immer weiter zu kommen; diesen die Reue, daß er schon so weit gekommen ist. Geiz ist die Wurzel alles Uebels; Verschwendung ist ein Baum voll bitterer Früchte. Den Geizigen verzehrt die Sorge; den Verschwender die Ausschweifung. Jenen lohnt am Ende die Furcht; diesen der Kummer. Nicht selten wird der jugendliche Verschwender noch ein geiziger Greis. Sehr oft kommt das Vermögen geiziger Sammler an verschwenderische und im eigentlichen Sinne, lachende Erben. Kindesdank und Undank. Man findet gar oft, wenn man ein wenig aufmerksam ist, daß Menschen im Alter von ihren Kindern wieder ebenso behandelt werden, wie sie Geiz und Verschwendung. Der Geizige rafft Geld und Gut zwecklos zusammen; der Verschwender bringt es zwecklos durch. Der Geizige hat keinen, der Verschwender hat einen unnützen Genuß von dem Seinigen. Der Geizige kann auf die goldene Mittelstrasse zurückkehren, so bald er will; dem Verschwender wird es immer schwerer, je weiter er sich davon entfernt. Der Geizige kann, aber er will es selten; der Verschwender möchte oft, aber er kann nicht mehr. Der eine macht sich Feinde; der andere erwirbt Freunde, die schlimmer sind als ein Feind. Jenen peinigt der Wunsch, immer weiter zu kommen; diesen die Reue, daß er schon so weit gekommen ist. Geiz ist die Wurzel alles Uebels; Verschwendung ist ein Baum voll bitterer Früchte. Den Geizigen verzehrt die Sorge; den Verschwender die Ausschweifung. Jenen lohnt am Ende die Furcht; diesen der Kummer. Nicht selten wird der jugendliche Verschwender noch ein geiziger Greis. Sehr oft kommt das Vermögen geiziger Sammler an verschwenderische und im eigentlichen Sinne, lachende Erben. Kindesdank und Undank. Man findet gar oft, wenn man ein wenig aufmerksam ist, daß Menschen im Alter von ihren Kindern wieder ebenso behandelt werden, wie sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0045" n="37"/> </p> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="1"> <head>Geiz und Verschwendung.</head><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Geizige</hi> rafft Geld und Gut zwecklos zusammen; der <hi rendition="#g">Verschwender</hi> bringt es zwecklos durch.</p> <p>Der Geizige hat keinen, der Verschwender hat einen unnützen Genuß von dem Seinigen.</p> <p>Der Geizige kann auf die goldene Mittelstrasse zurückkehren, so bald er will; dem Verschwender wird es immer schwerer, je weiter er sich davon entfernt.</p> <p>Der Geizige kann, aber er will es selten; der Verschwender möchte oft, aber er kann nicht mehr.</p> <p>Der eine macht sich Feinde; der andere erwirbt Freunde, die schlimmer sind als ein Feind.</p> <p>Jenen peinigt der Wunsch, immer weiter zu kommen; diesen die Reue, daß er schon so weit gekommen ist.</p> <p>Geiz ist die Wurzel alles Uebels; Verschwendung ist ein Baum voll bitterer Früchte.</p> <p>Den Geizigen verzehrt die Sorge; den Verschwender die Ausschweifung. Jenen lohnt am Ende die Furcht; diesen der Kummer.</p> <p>Nicht selten wird der jugendliche Verschwender noch ein geiziger Greis.</p> <p>Sehr oft kommt das Vermögen geiziger Sammler an verschwenderische und im eigentlichen Sinne, lachende Erben.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="1"> <head>Kindesdank und Undank.</head><lb/> <p>Man findet gar oft, wenn man ein wenig aufmerksam ist, daß Menschen im Alter von ihren Kindern wieder ebenso behandelt werden, wie sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0045]
Geiz und Verschwendung.
Der Geizige rafft Geld und Gut zwecklos zusammen; der Verschwender bringt es zwecklos durch.
Der Geizige hat keinen, der Verschwender hat einen unnützen Genuß von dem Seinigen.
Der Geizige kann auf die goldene Mittelstrasse zurückkehren, so bald er will; dem Verschwender wird es immer schwerer, je weiter er sich davon entfernt.
Der Geizige kann, aber er will es selten; der Verschwender möchte oft, aber er kann nicht mehr.
Der eine macht sich Feinde; der andere erwirbt Freunde, die schlimmer sind als ein Feind.
Jenen peinigt der Wunsch, immer weiter zu kommen; diesen die Reue, daß er schon so weit gekommen ist.
Geiz ist die Wurzel alles Uebels; Verschwendung ist ein Baum voll bitterer Früchte.
Den Geizigen verzehrt die Sorge; den Verschwender die Ausschweifung. Jenen lohnt am Ende die Furcht; diesen der Kummer.
Nicht selten wird der jugendliche Verschwender noch ein geiziger Greis.
Sehr oft kommt das Vermögen geiziger Sammler an verschwenderische und im eigentlichen Sinne, lachende Erben.
Kindesdank und Undank.
Man findet gar oft, wenn man ein wenig aufmerksam ist, daß Menschen im Alter von ihren Kindern wieder ebenso behandelt werden, wie sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-12-03T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-12-03T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |