Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

er aber im rothen Rößlein den letzten Rausch gekauft hatte und konnt ihn nicht bezahlen, und der Wirth schrieb seinen Namen und seine Schuld, sieben Gulden ein und fünfzig Kreuzer, an die Stubenthür, und als er nach Haus kam, und die Frau erblickte, "nichts als Schimpf und Schande hat man von dir, du Vergeuderin," sagte er zu ihr. "Und nichts als Unehre und Verdruß hat man von dir, du Säufer, du der und jener, du Knicker," sagte sie. Da stieg es schwarz und grimmig in seinem Herzen auf, und die zwey bösen Geister, die in ihm wohnten, nemlich der Zorn und der Rausch, sagten zu ihm: "Wirf die Bestie in die Donau." Das ließ er sich nicht zweymal sagen. "Wart, ich will dir zeigen, du Vergeuderinn, (du Knicker sagte sie ihm drauf) ich will dir schon zeigen, wo du hingehörst, und trug sie in die Donau. Und als sie schon mit dem Mund im Wasser war aber die Ohren waren noch oben, rief der Unmensch noch einmal, du Vergeuderinn. Da hob die Frau noch einmal die Arme aus dem Wasser empor, und drückte den Nagel des rechten Daumes auf den Nagel des linken, wie man zu thun pflegt, wenn man einem gewissen Thierlein den Tod anthut, und das war ihr Letztes. - Dem geneigten Leser, der auf Recht und Gerechtigkeit hält, wird man nicht sagen dürfen, daß der unbarmherzige Mörder auch nimmer lebt, sondern er gieng heim, und henkte sich noch in der nemlichen Nacht an den Pfosten.


Gutes Wort, böse That.

In einem edelmännischen Dorf trifft ein Bauer

er aber im rothen Rößlein den letzten Rausch gekauft hatte und konnt ihn nicht bezahlen, und der Wirth schrieb seinen Namen und seine Schuld, sieben Gulden ein und fünfzig Kreuzer, an die Stubenthür, und als er nach Haus kam, und die Frau erblickte, „nichts als Schimpf und Schande hat man von dir, du Vergeuderin,“ sagte er zu ihr. „Und nichts als Unehre und Verdruß hat man von dir, du Säufer, du der und jener, du Knicker,“ sagte sie. Da stieg es schwarz und grimmig in seinem Herzen auf, und die zwey bösen Geister, die in ihm wohnten, nemlich der Zorn und der Rausch, sagten zu ihm: „Wirf die Bestie in die Donau.“ Das ließ er sich nicht zweymal sagen. „Wart, ich will dir zeigen, du Vergeuderinn, (du Knicker sagte sie ihm drauf) ich will dir schon zeigen, wo du hingehörst, und trug sie in die Donau. Und als sie schon mit dem Mund im Wasser war aber die Ohren waren noch oben, rief der Unmensch noch einmal, du Vergeuderinn. Da hob die Frau noch einmal die Arme aus dem Wasser empor, und drückte den Nagel des rechten Daumes auf den Nagel des linken, wie man zu thun pflegt, wenn man einem gewissen Thierlein den Tod anthut, und das war ihr Letztes. – Dem geneigten Leser, der auf Recht und Gerechtigkeit hält, wird man nicht sagen dürfen, daß der unbarmherzige Mörder auch nimmer lebt, sondern er gieng heim, und henkte sich noch in der nemlichen Nacht an den Pfosten.


Gutes Wort, böse That.

In einem edelmännischen Dorf trifft ein Bauer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0243" n="235"/>
er aber im rothen Rößlein den letzten Rausch gekauft hatte und konnt ihn nicht bezahlen, und der Wirth schrieb seinen Namen und seine Schuld, sieben Gulden ein und fünfzig Kreuzer, an die Stubenthür, und als er nach Haus kam, und die Frau erblickte, &#x201E;nichts als Schimpf und Schande hat man von dir, du Vergeuderin,&#x201C; sagte er zu ihr. &#x201E;Und nichts als Unehre und Verdruß hat man von dir, du Säufer, du der und jener, du Knicker,&#x201C; sagte sie. Da stieg es schwarz und grimmig in seinem Herzen auf, und die zwey bösen Geister, die in ihm wohnten, nemlich der Zorn und der Rausch, sagten zu ihm: &#x201E;Wirf die Bestie in die Donau.&#x201C; Das ließ er sich nicht zweymal sagen. &#x201E;Wart, ich will dir zeigen, du Vergeuderinn, (du Knicker sagte sie ihm drauf) ich will dir schon zeigen, wo du hingehörst, und trug sie in die Donau. Und als sie schon mit dem Mund im Wasser war aber die Ohren waren noch oben, rief der Unmensch noch einmal, du Vergeuderinn. Da hob die Frau noch einmal die Arme aus dem Wasser empor, und drückte den Nagel des rechten Daumes auf den Nagel des linken, wie man zu thun pflegt, wenn man einem gewissen Thierlein den Tod anthut, und das war ihr Letztes. &#x2013; Dem geneigten Leser, der auf Recht und Gerechtigkeit hält, wird man nicht sagen dürfen, daß der unbarmherzige Mörder auch nimmer lebt, sondern er gieng heim, und henkte sich noch in der nemlichen Nacht an den Pfosten.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Gutes Wort, böse That.</head><lb/>
        <p>In einem edelmännischen Dorf trifft ein Bauer
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0243] er aber im rothen Rößlein den letzten Rausch gekauft hatte und konnt ihn nicht bezahlen, und der Wirth schrieb seinen Namen und seine Schuld, sieben Gulden ein und fünfzig Kreuzer, an die Stubenthür, und als er nach Haus kam, und die Frau erblickte, „nichts als Schimpf und Schande hat man von dir, du Vergeuderin,“ sagte er zu ihr. „Und nichts als Unehre und Verdruß hat man von dir, du Säufer, du der und jener, du Knicker,“ sagte sie. Da stieg es schwarz und grimmig in seinem Herzen auf, und die zwey bösen Geister, die in ihm wohnten, nemlich der Zorn und der Rausch, sagten zu ihm: „Wirf die Bestie in die Donau.“ Das ließ er sich nicht zweymal sagen. „Wart, ich will dir zeigen, du Vergeuderinn, (du Knicker sagte sie ihm drauf) ich will dir schon zeigen, wo du hingehörst, und trug sie in die Donau. Und als sie schon mit dem Mund im Wasser war aber die Ohren waren noch oben, rief der Unmensch noch einmal, du Vergeuderinn. Da hob die Frau noch einmal die Arme aus dem Wasser empor, und drückte den Nagel des rechten Daumes auf den Nagel des linken, wie man zu thun pflegt, wenn man einem gewissen Thierlein den Tod anthut, und das war ihr Letztes. – Dem geneigten Leser, der auf Recht und Gerechtigkeit hält, wird man nicht sagen dürfen, daß der unbarmherzige Mörder auch nimmer lebt, sondern er gieng heim, und henkte sich noch in der nemlichen Nacht an den Pfosten. Gutes Wort, böse That. In einem edelmännischen Dorf trifft ein Bauer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/243
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/243>, abgerufen am 22.12.2024.