und Bauchhöhle öffnen wollte, die Spitze aller Er- scheinung, in der Geist und Natur sich umarmen, durch einen zugleich barbarischen und selbstmörderi- schen Act zerstört. Eine solche Philosophie erkennt sich selbst in der höheren Chiffre der Kunst nicht wieder, es kommt ihr schon verdächtig vor, daß sie dieselbe aus der von ihr mit so viel Mühe und Anstrengung zerrissenen Chiffre der Natur zusam- mengesetzt findet, und sie weiß nicht, woran sie sich halten soll; da stößt sie aber zu ihrem Glück im Kunstwerk auf einzelne Parthieen, die (sollten's unter einem Gemälde auch nur die Unterschriften des Re- gistrators seyn!) in der ihr allein geläufigen Aus- drucksweise des Gedankens und der Reflexion ab- gefaßt sind, weil entweder der Geist des Ganzen dort wirklich nicht zur Form durchdrang, oder weil nur eine, der Form nicht bedürftige, Copula hinzu- stellen war; die hält sie nun für die Hauptsache, für das Resultat der Darstellung, um das sich das übrige Schnörkelwesen von Figuren und Gestalten ungefähr so herum schlinge, wie auf einem kauf- männischen Wechsel die Arabesken, Merkur und seine Sippschaft, um die reelle Zahl, mit Eifer und
und Bauchhöhle öffnen wollte, die Spitze aller Er- ſcheinung, in der Geiſt und Natur ſich umarmen, durch einen zugleich barbariſchen und ſelbſtmörderi- ſchen Act zerſtört. Eine ſolche Philoſophie erkennt ſich ſelbſt in der höheren Chiffre der Kunſt nicht wieder, es kommt ihr ſchon verdächtig vor, daß ſie dieſelbe aus der von ihr mit ſo viel Mühe und Anſtrengung zerriſſenen Chiffre der Natur zuſam- mengeſetzt findet, und ſie weiß nicht, woran ſie ſich halten ſoll; da ſtößt ſie aber zu ihrem Glück im Kunſtwerk auf einzelne Parthieen, die (ſollten’s unter einem Gemälde auch nur die Unterſchriften des Re- giſtrators ſeyn!) in der ihr allein geläufigen Aus- drucksweiſe des Gedankens und der Reflexion ab- gefaßt ſind, weil entweder der Geiſt des Ganzen dort wirklich nicht zur Form durchdrang, oder weil nur eine, der Form nicht bedürftige, Copula hinzu- ſtellen war; die hält ſie nun für die Hauptſache, für das Reſultat der Darſtellung, um das ſich das übrige Schnörkelweſen von Figuren und Geſtalten ungefähr ſo herum ſchlinge, wie auf einem kauf- männiſchen Wechſel die Arabesken, Merkur und ſeine Sippſchaft, um die reelle Zahl, mit Eifer und
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[XXXII/0052]
und Bauchhöhle öffnen wollte, die Spitze aller Er-
ſcheinung, in der Geiſt und Natur ſich umarmen,
durch einen zugleich barbariſchen und ſelbſtmörderi-
ſchen Act zerſtört. Eine ſolche Philoſophie erkennt
ſich ſelbſt in der höheren Chiffre der Kunſt nicht
wieder, es kommt ihr ſchon verdächtig vor, daß ſie
dieſelbe aus der von ihr mit ſo viel Mühe und
Anſtrengung zerriſſenen Chiffre der Natur zuſam-
mengeſetzt findet, und ſie weiß nicht, woran ſie ſich
halten ſoll; da ſtößt ſie aber zu ihrem Glück im
Kunſtwerk auf einzelne Parthieen, die (ſollten’s unter
einem Gemälde auch nur die Unterſchriften des Re-
giſtrators ſeyn!) in der ihr allein geläufigen Aus-
drucksweiſe des Gedankens und der Reflexion ab-
gefaßt ſind, weil entweder der Geiſt des Ganzen
dort wirklich nicht zur Form durchdrang, oder weil
nur eine, der Form nicht bedürftige, Copula hinzu-
ſtellen war; die hält ſie nun für die Hauptſache,
für das Reſultat der Darſtellung, um das ſich das
übrige Schnörkelweſen von Figuren und Geſtalten
ungefähr ſo herum ſchlinge, wie auf einem kauf-
männiſchen Wechſel die Arabesken, Merkur und
ſeine Sippſchaft, um die reelle Zahl, mit Eifer und
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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XXXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/52>, abgerufen am 28.07.2024.
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