mit der Welt anzufangen, es ist gleichgültig, ob sie das erste oder das letzte Stadium des Lebens- processes, von dem sie sich ausgeschlossen wähnen muß, wenn sie ohne Darstellung auskommen zu können glaubt, negirt, denn auf die Welt kann sie sich, als auf eine solche Darstellung nicht zurück beziehen, ohne sich zugleich mit auf die Kunst zu beziehen, da die Welt eben erst in der Kunst zur Totalität zusammen geht. Eine schöpferische und ursprüng- liche Philosophie hat dieß auch noch nie gethan, sie hat immer gewußt, daß sie sich eine Probe, die die von ihr nackt reproducirte Idee selbst sich nicht ersparen konnte, nicht unterschlagen darf, und deshalb in der Kunst niemals einen bloßen Stand-, sondern ihren eigenen Ziel- und Gipfelpunkt erblickt; dagegen ist es characteristisch für jede Formale, und aus nahe liegenden Gründen auch für die Jüngerschaft jeder anderen, daß sie selbst da, wo sie lebendige Gestalt geworden ist, oder doch werden sollte, nicht aufhö- ren kann, zu zersetzen, und, gleich einem Menschen, der, um sich zu überzeugen, ob er auch Alles das, was, wie er aus der Anthropologie weiß, zum Menschen gehört, wirklich besitze, sich Kopf- Brust-
mit der Welt anzufangen, es iſt gleichgültig, ob ſie das erſte oder das letzte Stadium des Lebens- proceſſes, von dem ſie ſich ausgeſchloſſen wähnen muß, wenn ſie ohne Darſtellung auskommen zu können glaubt, negirt, denn auf die Welt kann ſie ſich, als auf eine ſolche Darſtellung nicht zurück beziehen, ohne ſich zugleich mit auf die Kunſt zu beziehen, da die Welt eben erſt in der Kunſt zur Totalität zuſammen geht. Eine ſchöpferiſche und urſprüng- liche Philoſophie hat dieß auch noch nie gethan, ſie hat immer gewußt, daß ſie ſich eine Probe, die die von ihr nackt reproducirte Idee ſelbſt ſich nicht erſparen konnte, nicht unterſchlagen darf, und deshalb in der Kunſt niemals einen bloßen Stand-, ſondern ihren eigenen Ziel- und Gipfelpunkt erblickt; dagegen iſt es characteriſtiſch für jede Formale, und aus nahe liegenden Gründen auch für die Jüngerſchaft jeder anderen, daß ſie ſelbſt da, wo ſie lebendige Geſtalt geworden iſt, oder doch werden ſollte, nicht aufhö- ren kann, zu zerſetzen, und, gleich einem Menſchen, der, um ſich zu überzeugen, ob er auch Alles das, was, wie er aus der Anthropologie weiß, zum Menſchen gehört, wirklich beſitze, ſich Kopf- Bruſt-
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[XXXI/0051]
mit der Welt anzufangen, es iſt gleichgültig, ob
ſie das erſte oder das letzte Stadium des Lebens-
proceſſes, von dem ſie ſich ausgeſchloſſen wähnen
muß, wenn ſie ohne Darſtellung auskommen zu
können glaubt, negirt, denn auf die Welt kann ſie ſich,
als auf eine ſolche Darſtellung nicht zurück beziehen,
ohne ſich zugleich mit auf die Kunſt zu beziehen,
da die Welt eben erſt in der Kunſt zur Totalität
zuſammen geht. Eine ſchöpferiſche und urſprüng-
liche Philoſophie hat dieß auch noch nie gethan, ſie
hat immer gewußt, daß ſie ſich eine Probe, die die
von ihr nackt reproducirte Idee ſelbſt ſich nicht erſparen
konnte, nicht unterſchlagen darf, und deshalb in der
Kunſt niemals einen bloßen Stand-, ſondern ihren
eigenen Ziel- und Gipfelpunkt erblickt; dagegen iſt
es characteriſtiſch für jede Formale, und aus nahe
liegenden Gründen auch für die Jüngerſchaft jeder
anderen, daß ſie ſelbſt da, wo ſie lebendige Geſtalt
geworden iſt, oder doch werden ſollte, nicht aufhö-
ren kann, zu zerſetzen, und, gleich einem Menſchen,
der, um ſich zu überzeugen, ob er auch Alles das,
was, wie er aus der Anthropologie weiß, zum
Menſchen gehört, wirklich beſitze, ſich Kopf- Bruſt-
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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XXXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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