in ihr erblicken, ein träumerisches, hin und wieder durch einen sogenannten ironischen Einfall über sich selbst unterbrochenes Fortspinnen der Erschei- nungswelt, eine gleichsam von dem äußeren Thea- ter auf's innere versetzte Gestalten-Komödie, worin die verhüllte Idee nach, wie vor, mit sich selbst Versteckens spielt, so müßte man darauf unbedingt mit Ja antworten, und ihr auflegen, die vier- tausendjährige Sünde einer angemaßten Existenz mit einem freiwilligen Tode zu büßen, ja selbst die ewige Ruhe nicht als einen, durch ihre erst jetzt überflüssig gewordene Thätigkeit verdienten Lohn, sondern nur als ein ihr aus Rücksicht auf den von ihr der Menschheit in ihren Kinderjahren durch ihre nicht ganz sinnlosen Bilder und Hieroglyphen ver- schafften nützlichen Zeitvertreib bewilligtes Gnaden- geschenk hinzunehmen. Aber die Kunst ist nicht bloß unendlich viel mehr, sie ist etwas ganz Anderes, sie ist die realisirte Philosophie, wie die Welt die realisirte Idee, und eine Philosophie, die nicht mit ihr schließen, die nicht selbst in ihr zur Erscheinung werden, und dadurch den höchsten Be- weis ihrer Realität geben will, braucht auch nicht
in ihr erblicken, ein träumeriſches, hin und wieder durch einen ſogenannten ironiſchen Einfall über ſich ſelbſt unterbrochenes Fortſpinnen der Erſchei- nungswelt, eine gleichſam von dem äußeren Thea- ter auf’s innere verſetzte Geſtalten-Komödie, worin die verhüllte Idee nach, wie vor, mit ſich ſelbſt Verſteckens ſpielt, ſo müßte man darauf unbedingt mit Ja antworten, und ihr auflegen, die vier- tauſendjährige Sünde einer angemaßten Exiſtenz mit einem freiwilligen Tode zu büßen, ja ſelbſt die ewige Ruhe nicht als einen, durch ihre erſt jetzt überflüſſig gewordene Thätigkeit verdienten Lohn, ſondern nur als ein ihr aus Rückſicht auf den von ihr der Menſchheit in ihren Kinderjahren durch ihre nicht ganz ſinnloſen Bilder und Hieroglyphen ver- ſchafften nützlichen Zeitvertreib bewilligtes Gnaden- geſchenk hinzunehmen. Aber die Kunſt iſt nicht bloß unendlich viel mehr, ſie iſt etwas ganz Anderes, ſie iſt die realiſirte Philoſophie, wie die Welt die realiſirte Idee, und eine Philoſophie, die nicht mit ihr ſchließen, die nicht ſelbſt in ihr zur Erſcheinung werden, und dadurch den höchſten Be- weis ihrer Realität geben will, braucht auch nicht
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[XXX/0050]
in ihr erblicken, ein träumeriſches, hin und wieder
durch einen ſogenannten ironiſchen Einfall über ſich
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nungswelt, eine gleichſam von dem äußeren Thea-
ter auf’s innere verſetzte Geſtalten-Komödie, worin
die verhüllte Idee nach, wie vor, mit ſich ſelbſt
Verſteckens ſpielt, ſo müßte man darauf unbedingt
mit Ja antworten, und ihr auflegen, die vier-
tauſendjährige Sünde einer angemaßten Exiſtenz mit
einem freiwilligen Tode zu büßen, ja ſelbſt die
ewige Ruhe nicht als einen, durch ihre erſt jetzt
überflüſſig gewordene Thätigkeit verdienten Lohn,
ſondern nur als ein ihr aus Rückſicht auf den von
ihr der Menſchheit in ihren Kinderjahren durch ihre
nicht ganz ſinnloſen Bilder und Hieroglyphen ver-
ſchafften nützlichen Zeitvertreib bewilligtes Gnaden-
geſchenk hinzunehmen. Aber die Kunſt iſt nicht bloß
unendlich viel mehr, ſie iſt etwas ganz Anderes,
ſie iſt die realiſirte Philoſophie, wie die
Welt die realiſirte Idee, und eine Philoſophie,
die nicht mit ihr ſchließen, die nicht ſelbſt in ihr zur
Erſcheinung werden, und dadurch den höchſten Be-
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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XXX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/50>, abgerufen am 16.02.2025.
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