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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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als er es zu spielen versuchte. Lieben Leute, wenn
Einer die Feuerglocke zieht, so brechen wir alle aus
dem Concert auf und eilen auf den Markt, um zu
erfahren, wo es brennt, aber der Mann muß sich
darum nicht einbilden, er habe über Mozart und
Beethoven triumphirt. Auch daraus, daß die Epi-
gramme, die Ihr bekannten Personen mit Kreide
auf den Rücken schreibt, schneller verstanden werden
und rascher in Umlauf kommen, als Juvenalsche
Satyren, müßt Ihr nicht schließen, daß Ihr den
Juvenal übertroffen habt; sie sind dafür auch ver-
gessen, sobald die Personen den Rücken wenden oder
auch nur den Rock wechseln, während Juvenal hier
nicht angeführt werden könnte, wenn er nicht noch
nach Jahrtausenden gelesen würde. Als Goethe der
schönsten Lieder-Poesie, die uns nach der seinigen
geschenkt worden ist, der Uhlandschen, in einer übel-
launigen Minute vorwarf, es werde daraus nichts
"Menschen-Geschick Aufregendes und Bezwingen-
des" hervorgehen, so hatte er freilich Recht, denn
Lilien-Duft ist kein Schießpulver, und auch der
Erl-König und der Fischer, obgleich sie Millionen
Trommelschläger-Stückchen aufwiegen, würden im

b*

als er es zu ſpielen verſuchte. Lieben Leute, wenn
Einer die Feuerglocke zieht, ſo brechen wir alle aus
dem Concert auf und eilen auf den Markt, um zu
erfahren, wo es brennt, aber der Mann muß ſich
darum nicht einbilden, er habe über Mozart und
Beethoven triumphirt. Auch daraus, daß die Epi-
gramme, die Ihr bekannten Perſonen mit Kreide
auf den Rücken ſchreibt, ſchneller verſtanden werden
und raſcher in Umlauf kommen, als Juvenalſche
Satyren, müßt Ihr nicht ſchließen, daß Ihr den
Juvenal übertroffen habt; ſie ſind dafür auch ver-
geſſen, ſobald die Perſonen den Rücken wenden oder
auch nur den Rock wechſeln, während Juvenal hier
nicht angeführt werden könnte, wenn er nicht noch
nach Jahrtauſenden geleſen würde. Als Goethe der
ſchönſten Lieder-Poeſie, die uns nach der ſeinigen
geſchenkt worden iſt, der Uhlandſchen, in einer übel-
launigen Minute vorwarf, es werde daraus nichts
„Menſchen-Geſchick Aufregendes und Bezwingen-
des“ hervorgehen, ſo hatte er freilich Recht, denn
Lilien-Duft iſt kein Schießpulver, und auch der
Erl-König und der Fiſcher, obgleich ſie Millionen
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[XIX/0039] als er es zu ſpielen verſuchte. Lieben Leute, wenn Einer die Feuerglocke zieht, ſo brechen wir alle aus dem Concert auf und eilen auf den Markt, um zu erfahren, wo es brennt, aber der Mann muß ſich darum nicht einbilden, er habe über Mozart und Beethoven triumphirt. Auch daraus, daß die Epi- gramme, die Ihr bekannten Perſonen mit Kreide auf den Rücken ſchreibt, ſchneller verſtanden werden und raſcher in Umlauf kommen, als Juvenalſche Satyren, müßt Ihr nicht ſchließen, daß Ihr den Juvenal übertroffen habt; ſie ſind dafür auch ver- geſſen, ſobald die Perſonen den Rücken wenden oder auch nur den Rock wechſeln, während Juvenal hier nicht angeführt werden könnte, wenn er nicht noch nach Jahrtauſenden geleſen würde. Als Goethe der ſchönſten Lieder-Poeſie, die uns nach der ſeinigen geſchenkt worden iſt, der Uhlandſchen, in einer übel- launigen Minute vorwarf, es werde daraus nichts „Menſchen-Geſchick Aufregendes und Bezwingen- des“ hervorgehen, ſo hatte er freilich Recht, denn Lilien-Duft iſt kein Schießpulver, und auch der Erl-König und der Fiſcher, obgleich ſie Millionen Trommelſchläger-Stückchen aufwiegen, würden im b*

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/39>, abgerufen am 27.11.2024.