seiner Darstellung machte und dieß Verhältniß be- handelte und benutzte, als ob es ein ganz ent- gegengesetztes, ein vollkommen berechtigtes wäre, wüßte ich mir nicht zu erklären; daß er aber auf die Hauptfrage des Romans nicht tiefer einging, und daß er ebenso im Faust, als er zwischen einer ungeheuren Perspective und einem mit Katechismus- Figuren bemalten Bretter-Verschlag wählen sollte, den Bretter-Verschlag vorzog und die Geburts- wehen der um eine neue Form ringenden Mensch- heit, die wir mit Recht im ersten Theil erblickten, im zweiten zu bloßen Krankheits-Momenten eines später durch einen willkürlichen, nur nothdürf- tig-psychologisch vermittelten Act curirten Indivi- duums herabsetzte, das ging aus seiner ganz eigen complicirten Individualität hervor, die ich hier nicht zu analysiren brauche, da ich nur anzudeuten habe, wie weit er gekommen ist. Es bedarf hof- fentlich nicht der Bemerkung, daß die vorstehenden, sehr motivirten Einwendungen gegen den Faust und die Wahlverwandtschaften diesen beiden welthistori- schen Productionen durchaus Nichts von ihrem uner- meßlichen Werth abdingen, sondern nur das Verhält-
ſeiner Darſtellung machte und dieß Verhältniß be- handelte und benutzte, als ob es ein ganz ent- gegengeſetztes, ein vollkommen berechtigtes wäre, wüßte ich mir nicht zu erklären; daß er aber auf die Hauptfrage des Romans nicht tiefer einging, und daß er ebenſo im Fauſt, als er zwiſchen einer ungeheuren Perſpective und einem mit Katechismus- Figuren bemalten Bretter-Verſchlag wählen ſollte, den Bretter-Verſchlag vorzog und die Geburts- wehen der um eine neue Form ringenden Menſch- heit, die wir mit Recht im erſten Theil erblickten, im zweiten zu bloßen Krankheits-Momenten eines ſpäter durch einen willkürlichen, nur nothdürf- tig-pſychologiſch vermittelten Act curirten Indivi- duums herabſetzte, das ging aus ſeiner ganz eigen complicirten Individualität hervor, die ich hier nicht zu analyſiren brauche, da ich nur anzudeuten habe, wie weit er gekommen iſt. Es bedarf hof- fentlich nicht der Bemerkung, daß die vorſtehenden, ſehr motivirten Einwendungen gegen den Fauſt und die Wahlverwandtſchaften dieſen beiden welthiſtori- ſchen Productionen durchaus Nichts von ihrem uner- meßlichen Werth abdingen, ſondern nur das Verhält-
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbn="VI"facs="#f0026"/>ſeiner <choice><sic>Darſtellnng</sic><corr>Darſtellung</corr></choice> machte und dieß Verhältniß be-<lb/>
handelte und benutzte, als ob es ein ganz ent-<lb/>
gegengeſetztes, ein vollkommen berechtigtes wäre,<lb/>
wüßte ich mir nicht zu erklären; daß er aber auf<lb/>
die Hauptfrage des Romans nicht tiefer einging,<lb/>
und daß er ebenſo im Fauſt, als er zwiſchen einer<lb/>
ungeheuren Perſpective und einem mit Katechismus-<lb/>
Figuren bemalten Bretter-Verſchlag wählen ſollte,<lb/>
den Bretter-Verſchlag vorzog und die <hirendition="#g">Geburts-<lb/>
wehen</hi> der um eine neue Form ringenden Menſch-<lb/>
heit, die wir mit Recht im erſten Theil erblickten,<lb/>
im zweiten zu bloßen <hirendition="#g">Krankheits-Momenten</hi><lb/>
eines ſpäter durch einen willkürlichen, nur nothdürf-<lb/>
tig-pſychologiſch vermittelten Act curirten Indivi-<lb/>
duums herabſetzte, das ging aus ſeiner ganz eigen<lb/>
complicirten Individualität hervor, die ich hier<lb/>
nicht zu analyſiren brauche, da ich nur anzudeuten<lb/>
habe, wie weit er gekommen iſt. Es bedarf hof-<lb/>
fentlich nicht der Bemerkung, daß die vorſtehenden,<lb/>ſehr motivirten Einwendungen gegen den Fauſt und<lb/>
die Wahlverwandtſchaften dieſen beiden welthiſtori-<lb/>ſchen Productionen durchaus Nichts von ihrem uner-<lb/>
meßlichen Werth abdingen, ſondern nur das Verhält-<lb/></p></div></front></text></TEI>
[VI/0026]
ſeiner Darſtellung machte und dieß Verhältniß be-
handelte und benutzte, als ob es ein ganz ent-
gegengeſetztes, ein vollkommen berechtigtes wäre,
wüßte ich mir nicht zu erklären; daß er aber auf
die Hauptfrage des Romans nicht tiefer einging,
und daß er ebenſo im Fauſt, als er zwiſchen einer
ungeheuren Perſpective und einem mit Katechismus-
Figuren bemalten Bretter-Verſchlag wählen ſollte,
den Bretter-Verſchlag vorzog und die Geburts-
wehen der um eine neue Form ringenden Menſch-
heit, die wir mit Recht im erſten Theil erblickten,
im zweiten zu bloßen Krankheits-Momenten
eines ſpäter durch einen willkürlichen, nur nothdürf-
tig-pſychologiſch vermittelten Act curirten Indivi-
duums herabſetzte, das ging aus ſeiner ganz eigen
complicirten Individualität hervor, die ich hier
nicht zu analyſiren brauche, da ich nur anzudeuten
habe, wie weit er gekommen iſt. Es bedarf hof-
fentlich nicht der Bemerkung, daß die vorſtehenden,
ſehr motivirten Einwendungen gegen den Fauſt und
die Wahlverwandtſchaften dieſen beiden welthiſtori-
ſchen Productionen durchaus Nichts von ihrem uner-
meßlichen Werth abdingen, ſondern nur das Verhält-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/26>, abgerufen am 02.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.