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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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denn die Tochter wandelt den rechten Weg, und ist
allen Andern vorauf.
(mit schrecklicher Kälte) Und ich will
das Meinige dazu thun, ich will Dir die Sache leich-
ter machen, als den Uebrigen. In dem Augenblick,
wo ich bemerke, daß man auch auf Dich mit Fingern zeigt,
werd' ich --
(mit einer Bewegung an den Hals) mich ra-
siren, und dann, das schwör' ich Dir zu, rasir'
ich den ganzen Kerl weg, Du kannst sagen, es sei
aus Schreck geschehen, weil auf der Straße ein Pferd
durchging, oder weil die Katze auf dem Boden einen
Stuhl umwarf, oder weil mir eine Maus an den
Beinen hinauflief. Wer mich kennt, wird freilich den
Kopf dazu schütteln, denn ich bin nicht sonderlich
schreckhaft, aber was thut's? Ich kann's in einer
Welt nicht aushalten, wo die Leute mitleidig seyn
müßten, wenn sie nicht vor mir ausspucken sollen.
Klara.
Barmherziger Gott, was soll ich thun!
Meister Anton.
Nichts, Nichts, liebes Kind, ich bin zu hart gegen
Dich, ich fühl's wohl, Nichts, bleib nur, was Du
bist, dann ist's gut! O, ich hab' so groß Unrecht
denn die Tochter wandelt den rechten Weg, und iſt
allen Andern vorauf.
(mit ſchrecklicher Kälte) Und ich will
das Meinige dazu thun, ich will Dir die Sache leich-
ter machen, als den Uebrigen. In dem Augenblick,
wo ich bemerke, daß man auch auf Dich mit Fingern zeigt,
werd’ ich —
(mit einer Bewegung an den Hals) mich ra-
ſiren, und dann, das ſchwör’ ich Dir zu, raſir’
ich den ganzen Kerl weg, Du kannſt ſagen, es ſei
aus Schreck geſchehen, weil auf der Straße ein Pferd
durchging, oder weil die Katze auf dem Boden einen
Stuhl umwarf, oder weil mir eine Maus an den
Beinen hinauflief. Wer mich kennt, wird freilich den
Kopf dazu ſchütteln, denn ich bin nicht ſonderlich
ſchreckhaft, aber was thut’s? Ich kann’s in einer
Welt nicht aushalten, wo die Leute mitleidig ſeyn
müßten, wenn ſie nicht vor mir ausſpucken ſollen.
Klara.
Barmherziger Gott, was ſoll ich thun!
Meiſter Anton.
Nichts, Nichts, liebes Kind, ich bin zu hart gegen
Dich, ich fühl’s wohl, Nichts, bleib nur, was Du
biſt, dann iſt’s gut! O, ich hab’ ſo groß Unrecht
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[63/0131] denn die Tochter wandelt den rechten Weg, und iſt allen Andern vorauf. (mit ſchrecklicher Kälte) Und ich will das Meinige dazu thun, ich will Dir die Sache leich- ter machen, als den Uebrigen. In dem Augenblick, wo ich bemerke, daß man auch auf Dich mit Fingern zeigt, werd’ ich — (mit einer Bewegung an den Hals) mich ra- ſiren, und dann, das ſchwör’ ich Dir zu, raſir’ ich den ganzen Kerl weg, Du kannſt ſagen, es ſei aus Schreck geſchehen, weil auf der Straße ein Pferd durchging, oder weil die Katze auf dem Boden einen Stuhl umwarf, oder weil mir eine Maus an den Beinen hinauflief. Wer mich kennt, wird freilich den Kopf dazu ſchütteln, denn ich bin nicht ſonderlich ſchreckhaft, aber was thut’s? Ich kann’s in einer Welt nicht aushalten, wo die Leute mitleidig ſeyn müßten, wenn ſie nicht vor mir ausſpucken ſollen. Klara. Barmherziger Gott, was ſoll ich thun! Meiſter Anton. Nichts, Nichts, liebes Kind, ich bin zu hart gegen Dich, ich fühl’s wohl, Nichts, bleib nur, was Du biſt, dann iſt’s gut! O, ich hab’ ſo groß Unrecht

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/131>, abgerufen am 25.11.2024.