Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844. Meister Anton. Thut's Dir leid, daß Du mit 20 Jahren besser vergoldet warst, als mit 50? Mutter. Gewiß nicht! Wär's anders, so müßt' ich mich ja für Dich und mich schämen! Meister Anton. So giebst Du mir einen Kuß! Ich bin rasirt, und besser, wie gewöhnlich! Mutter. Ich sage Ja, bloß um zu prüfen, ob Du Dich noch auf die Kunst verstehst. Das fiel Dir lange nicht mehr ein! Meister Anton. Gute Hausmutter! Ich will nicht verlangen, daß Du mir die Augen zudrücken sollst, es ist ein schweres Stück, ich will's für Dich übernehmen, ich will Dir den letzten Liebesdienst erweisen, aber Zeit mußt Du mir lassen, hörst Du, daß ich mich stähle und vorbe- reite, und nicht als Stümper bestehe. Noch war's viel zu früh! Meiſter Anton. Thut’s Dir leid, daß Du mit 20 Jahren beſſer vergoldet warſt, als mit 50? Mutter. Gewiß nicht! Wär’s anders, ſo müßt’ ich mich ja für Dich und mich ſchämen! Meiſter Anton. So giebſt Du mir einen Kuß! Ich bin raſirt, und beſſer, wie gewöhnlich! Mutter. Ich ſage Ja, bloß um zu prüfen, ob Du Dich noch auf die Kunſt verſtehſt. Das fiel Dir lange nicht mehr ein! Meiſter Anton. Gute Hausmutter! Ich will nicht verlangen, daß Du mir die Augen zudrücken ſollſt, es iſt ein ſchweres Stück, ich will’s für Dich übernehmen, ich will Dir den letzten Liebesdienſt erweiſen, aber Zeit mußt Du mir laſſen, hörſt Du, daß ich mich ſtähle und vorbe- reite, und nicht als Stümper beſtehe. Noch war’s viel zu früh! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0112" n="44"/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Thut’s Dir leid, daß Du mit 20 Jahren beſſer<lb/> vergoldet warſt, als mit 50?</p> </sp><lb/> <sp who="#MUTTER"> <speaker><hi rendition="#g">Mutter</hi>.</speaker><lb/> <p>Gewiß nicht! Wär’s anders, ſo müßt’ ich mich<lb/> ja für Dich und mich ſchämen!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>So giebſt Du mir einen Kuß! Ich bin raſirt,<lb/> und beſſer, wie gewöhnlich!</p> </sp><lb/> <sp who="#MUTTER"> <speaker><hi rendition="#g">Mutter</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich ſage Ja, bloß um zu prüfen, ob Du Dich<lb/> noch auf die Kunſt verſtehſt. Das fiel Dir lange<lb/> nicht mehr ein!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Gute Hausmutter! Ich will nicht verlangen, daß<lb/> Du mir die Augen zudrücken ſollſt, es iſt ein ſchweres<lb/> Stück, ich will’s für Dich übernehmen, ich will Dir<lb/> den letzten Liebesdienſt erweiſen, aber Zeit mußt Du<lb/> mir laſſen, hörſt Du, daß ich mich ſtähle und vorbe-<lb/> reite, und nicht als Stümper beſtehe. Noch war’s<lb/> viel zu früh!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0112]
Meiſter Anton.
Thut’s Dir leid, daß Du mit 20 Jahren beſſer
vergoldet warſt, als mit 50?
Mutter.
Gewiß nicht! Wär’s anders, ſo müßt’ ich mich
ja für Dich und mich ſchämen!
Meiſter Anton.
So giebſt Du mir einen Kuß! Ich bin raſirt,
und beſſer, wie gewöhnlich!
Mutter.
Ich ſage Ja, bloß um zu prüfen, ob Du Dich
noch auf die Kunſt verſtehſt. Das fiel Dir lange
nicht mehr ein!
Meiſter Anton.
Gute Hausmutter! Ich will nicht verlangen, daß
Du mir die Augen zudrücken ſollſt, es iſt ein ſchweres
Stück, ich will’s für Dich übernehmen, ich will Dir
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Zitationshilfe: | Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/112>, abgerufen am 27.07.2024. |