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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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dem Birnbaum in meinem Garten, fand ich sie wie-
der. Er wundert sich? Sieh Er, ich ging betrübt
und niedergeschlagen zu Hause, wie Einer, dem die
Ernte verhagelt ist, denn Kinder sind wie Aecker, man
sä't sein gutes Korn hinein, und dann geht Unkraut
auf. Unter dem Birnbaum, den die Raupen abge-
fressen haben, stand ich still. "Ja -- dacht' ich --
der Junge ist, wie dieser da, leer und kahl!" Da
kam es mir auf einmal vor, als ob ich sehr durstig
wäre, und durchaus in's Wirthshaus müßte. Ich
betrog mich selbst, mir war nicht um ein Glas Bier
zu thun, nur darum, den Burschen aufzusuchen und
auszuschmählen, im Wirthshaus, das wußte ich, hätte
ich ihn ganz gewiß gefunden. Eben wollt' ich gehen,
da ließ der alte, vernünftige Baum eine saftige Birne
zu meinen Füßen niederfallen, als wollt' er sagen:
die ist für den Durst, und weil du mich durch den
Vergleich mit deinem Schlingel verschimpfirt hast! Ich
besann mich, biß hinein und ging in's Haus.
Leonhard.
Weiß Er, daß der Apotheker nah am Concurs ist?
Hebbel's Maria Magdalene. 3
dem Birnbaum in meinem Garten, fand ich ſie wie-
der. Er wundert ſich? Sieh Er, ich ging betrübt
und niedergeſchlagen zu Hauſe, wie Einer, dem die
Ernte verhagelt iſt, denn Kinder ſind wie Aecker, man
ſä’t ſein gutes Korn hinein, und dann geht Unkraut
auf. Unter dem Birnbaum, den die Raupen abge-
freſſen haben, ſtand ich ſtill. „Ja — dacht’ ich —
der Junge iſt, wie dieſer da, leer und kahl!“ Da
kam es mir auf einmal vor, als ob ich ſehr durſtig
wäre, und durchaus in’s Wirthshaus müßte. Ich
betrog mich ſelbſt, mir war nicht um ein Glas Bier
zu thun, nur darum, den Burſchen aufzuſuchen und
auszuſchmählen, im Wirthshaus, das wußte ich, hätte
ich ihn ganz gewiß gefunden. Eben wollt’ ich gehen,
da ließ der alte, vernünftige Baum eine ſaftige Birne
zu meinen Füßen niederfallen, als wollt’ er ſagen:
die iſt für den Durſt, und weil du mich durch den
Vergleich mit deinem Schlingel verſchimpfirt haſt! Ich
beſann mich, biß hinein und ging in’s Haus.
Leonhard.
Weiß Er, daß der Apotheker nah am Concurs iſt?
Hebbel’s Maria Magdalene. 3
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[33/0101] dem Birnbaum in meinem Garten, fand ich ſie wie- der. Er wundert ſich? Sieh Er, ich ging betrübt und niedergeſchlagen zu Hauſe, wie Einer, dem die Ernte verhagelt iſt, denn Kinder ſind wie Aecker, man ſä’t ſein gutes Korn hinein, und dann geht Unkraut auf. Unter dem Birnbaum, den die Raupen abge- freſſen haben, ſtand ich ſtill. „Ja — dacht’ ich — der Junge iſt, wie dieſer da, leer und kahl!“ Da kam es mir auf einmal vor, als ob ich ſehr durſtig wäre, und durchaus in’s Wirthshaus müßte. Ich betrog mich ſelbſt, mir war nicht um ein Glas Bier zu thun, nur darum, den Burſchen aufzuſuchen und auszuſchmählen, im Wirthshaus, das wußte ich, hätte ich ihn ganz gewiß gefunden. Eben wollt’ ich gehen, da ließ der alte, vernünftige Baum eine ſaftige Birne zu meinen Füßen niederfallen, als wollt’ er ſagen: die iſt für den Durſt, und weil du mich durch den Vergleich mit deinem Schlingel verſchimpfirt haſt! Ich beſann mich, biß hinein und ging in’s Haus. Leonhard. Weiß Er, daß der Apotheker nah am Concurs iſt? Hebbel’s Maria Magdalene. 3

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/101>, abgerufen am 24.11.2024.