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Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 66, Hamburg, 24. April 1790.

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[Spaltenumbruch] bischofs mit kraftvollen Ausdrücken, und die fernere
Berathschlagung ward für den folgenden Tag aus-
gesetzt.

An eben diesem Abend versammelte sich eine große
Anzahl der Glieder der Geistlichkeit und des Adels,
300 an der Zahl, bey den Capuzinern in der Straße
St. Honore. Die Versammlung blieb bis des Mor-
gens um 2 Uhr zusammen. Man beschloß in selbiger,
daß, wenn in der Nationalversammlung der Schluß,
die Geistlichkeit ihrer Güter zu berauben, durchgehen
sollte, alle diese Glieder dagegen protestiren, die Ver-
sammlung verlassen, und sogleich zum Könige gehen
wollten, um ihn um seine Unterstützung zu bitten.
Der Maire Bailly, welcher von dieser Versammlung
Nachricht erhielt, ließ selbige genau bewachen. Den
Morgen darauf ward die Versammlung für unerlaubt
erklärt, in welcher Dinge beschlossen worden, welche
das Volk aufbringen, und die Nationalversammlung
über den Haufen werfen könnten. Man fieng wieder
an von Complotten zu reden, von Entschlüssen, den
König zu entführen, etc. Schon versammelte sich eine
Menge Volks bey den Thuilleries und beym Palais
Royal, und die ganze Nationalgarde mußte die Waffen
ergreifen. Der Versammlungssaal der Nationalver-
sammlung ward mit Truppen besetzt. Als der König
hievon Nachricht erhielt, ward ein außerordentliches
Conseil gehalten, worauf alle Garden des Palais Ordre
bekamen, keine Deputation der Nationalversammlung
einzulassen, wenn sie nicht den Präsidenten an ihrer
Spitze hätte. Hiedurch ward also die vorgehabte Depu-
tation der obengedachten Glieder der Geistlichkeit und
des Adels vereitelt, und der Monarch gab dadurch
abermals einen Beweis seiner Liebe zum Frieden.

Jn der Sitzung vom 13ten ward der Tags vorher
von Dom Gerles geschehene Vortrag, die Römisch-
katholisch apostolische Religion, als die beständige Re-
ligion, und ihren Gottesdienst als den allein öffentlich
geltenden zu erklären, in Untersuchung genommen.
Herr Baron von Menou schlug vor, die Nationalver-
sammlung möchte anstatt dessen erklären, daß sie aus
Ehrerbietung für den Allerhöchsten, und für die Römisch-
katholisch-apostolische Religion, welche allein auf Kosten
des Staats unterhalten werden solle, über die obige
Frage nicht entscheiden zu können glaubte, und also
davon schlechterdings abbreche. Herr de la Rochefou-
cault that eine dritte Motion, die dann nach 4stündi-
gem Debattiren mit einer sehr großen Stimmenmehr-
heit in folgenden Ausdrücken durchgieng: "Da die
Nationalversammlung in Betracht genommen, daß sie
über die Gewissen und gottesdienstlichen Meynungen
keine Gewalt auszuüben habe, noch ausüben könne;
daß die Majestät der Religion, und die ihr schuldige
tiefe Ehrfurcht nicht zugeben könne, daß solche der
Gegenstand einer Berathschlagung werde; da sie ferner
in Erwägung genommen, daß die Anhänglichkeit der
Nationalversammlung an der Römisch-katholisch-apo-
stolischen Gottesverehrung in dem Zeitpunkt, wo der
Unterhalt dieses Gottesdienstes in die Reihe der öffent-
lichen Staatsausgaben, etc. gesetzt werden soll, nicht
könne in Zweifel gezogen werden, so decretirt selbige,
daß sie über die vorgetragene Motion weder berath-
schlagen könne, noch müsse, und sie in dessen Gefolg
[Spaltenumbruch] der Ordnung nach über die geistlichen Güter die Dis-
cußion fortsetzen wolle." Es geschahen neue Prote-
stationen, und man beschwerte sich besonders über die
Truppen, die den Versammlungssaal besetzt hatten.
Der Marquis de la Fayette sagte, es sey aus der besten
Absicht geschehen. Der Abt Maury wollte noch über
das Decret reden, aber nach einigem Wortstreit ward
die Verhandlung dieses Puncts für die folgende Sitzung
verschoben. Als die Glieder nach Hause giengen, ward
die democratische Parthey sehr applaudirt, besonders
der Graf Mirabeau, den man gleichsam in Triumph
nach Hause brachte. Die aristokratische Parthey ward
ausgezischt, und die Nationalgarde mußte das Volk
entfernen, um sie vor Gewaltthätigkeiten zu bewahren.
Nicht weit vom Versammlungssaal wurden Herr Ca-
zales und der Vicomte von Mirabeau vom Volk ange-
fallen, so wie auch der Abt Maury von einer andern
Seite. Alle 3 würden ein Opfer der Wuth des Volks
geworden seyn, wenn sie die Nationalgarde nicht in
Schutz genommen hätte. Der Vicomte von Mirabeau
zog seinen Degen, als das Volk ihn beym Kragen seines
Rocks ergriff. Zwey Cavalleristen retteten ihn. Der
eine legte den Säbel an die Kehle desjenigen, der den
Vicomte hielt, und befreyete ihn auf diese Art. Der
Vicomte und Herr von Cazales flüchteten hierauf nach
dem Kloster der Jacobiner, von da sie über die Mauer
kletterten, um sich zu retten. Der Abt Maury ward
von mehr als 2000 Menschen verfolgt. Er rettete sich
in das Haus eines Apothekers. Es waren über 600
Mann von der Nationalgarde zu Pferde und zu Fuß,
die aber das Volk nicht abhalten konnten, das sich mit
jedem Augenblick vermehrte. Endlich nach 2 Stunden
konnte man es dahin bringen, daß der Abt verkleidet
aus dem Hause des Apothekers entwischte. Man sagt
zwar, der Abt habe dem Volk 2 Pistolen gezeigt, und
es dadurch so sehr gegen sich aufgebracht, aber es ist
nicht wahr. Diese 3 Deputirte hatten dennoch den
Muth, den andern Tag wieder in der Nationalver-
sammlung zu erscheinen. Man hatte indessen die Vor-
sicht gebraucht, die Thür des Gartens der Thuilleries
zu verschließen, damit Niemand durchkommen konnte,
auch waren allenthalben die Wachen verdoppelt. Als
der Abt Maury in den Saal trat, sagte Jemand zu
ihm: "Heute ist alles ruhig," dieses muß auch seyn,
versetzte der Abt, denn das Volk verzehrt heute das
Geld, was es gestern erhalten hat, um mich anzugrei-
fen. Der Vicomte von Mirabeau, welcher aus allem
Spaß macht, hat eine Schrift herausgegeben, worinn
er seine gestrige Avantüre erzählt.

Jn der Sitzung vom 14ten waren die Debatten über
die geistlichen Güter ebenfalls sehr lebhaft und tumul-
tuarisch. Endlich ward folgendes decretirt: 1) Die
Administration der geistlichen Güter, welche durch das
Decret vom 2ten November 1789 der Disposition der
Nation überlassen worden sind, soll, von dem gegen-
wärtigen Jahre an, den Departements- und Dis[t]ricts-
versammlungen oder ihren Directorien, nach den zu
machenden Regeln, Ausnahmen und Modificationen
anverteaut bleiben. 2) Künftig (vom 1sten Januar an)
soll das Gehalt aller Geistlichen in Geld, unter den
bald vestzusetzenden Terminen, ausbezahlt werden.
3) Die durch den 5ten Artikel des Decrets vom 4ten

[Spaltenumbruch] biſchofs mit kraftvollen Ausdruͤcken, und die fernere
Berathſchlagung ward fuͤr den folgenden Tag aus-
geſetzt.

An eben dieſem Abend verſammelte ſich eine große
Anzahl der Glieder der Geiſtlichkeit und des Adels,
300 an der Zahl, bey den Capuzinern in der Straße
St. Honoré. Die Verſammlung blieb bis des Mor-
gens um 2 Uhr zuſammen. Man beſchloß in ſelbiger,
daß, wenn in der Nationalverſammlung der Schluß,
die Geiſtlichkeit ihrer Guͤter zu berauben, durchgehen
ſollte, alle dieſe Glieder dagegen proteſtiren, die Ver-
ſammlung verlaſſen, und ſogleich zum Koͤnige gehen
wollten, um ihn um ſeine Unterſtuͤtzung zu bitten.
Der Maire Bailly, welcher von dieſer Verſammlung
Nachricht erhielt, ließ ſelbige genau bewachen. Den
Morgen darauf ward die Verſammlung fuͤr unerlaubt
erklaͤrt, in welcher Dinge beſchloſſen worden, welche
das Volk aufbringen, und die Nationalverſammlung
uͤber den Haufen werfen koͤnnten. Man fieng wieder
an von Complotten zu reden, von Entſchluͤſſen, den
Koͤnig zu entfuͤhren, ꝛc. Schon verſammelte ſich eine
Menge Volks bey den Thuilleries und beym Palais
Royal, und die ganze Nationalgarde mußte die Waffen
ergreifen. Der Verſammlungsſaal der Nationalver-
ſammlung ward mit Truppen beſetzt. Als der Koͤnig
hievon Nachricht erhielt, ward ein außerordentliches
Conſeil gehalten, worauf alle Garden des Palais Ordre
bekamen, keine Deputation der Nationalverſammlung
einzulaſſen, wenn ſie nicht den Praͤſidenten an ihrer
Spitze haͤtte. Hiedurch ward alſo die vorgehabte Depu-
tation der obengedachten Glieder der Geiſtlichkeit und
des Adels vereitelt, und der Monarch gab dadurch
abermals einen Beweis ſeiner Liebe zum Frieden.

Jn der Sitzung vom 13ten ward der Tags vorher
von Dom Gerles geſchehene Vortrag, die Roͤmiſch-
katholiſch apoſtoliſche Religion, als die beſtaͤndige Re-
ligion, und ihren Gottesdienſt als den allein oͤffentlich
geltenden zu erklaͤren, in Unterſuchung genommen.
Herr Baron von Menou ſchlug vor, die Nationalver-
ſammlung moͤchte anſtatt deſſen erklaͤren, daß ſie aus
Ehrerbietung fuͤr den Allerhoͤchſten, und fuͤr die Roͤmiſch-
katholiſch-apoſtoliſche Religion, welche allein auf Koſten
des Staats unterhalten werden ſolle, uͤber die obige
Frage nicht entſcheiden zu koͤnnen glaubte, und alſo
davon ſchlechterdings abbreche. Herr de la Rochefou-
cault that eine dritte Motion, die dann nach 4ſtuͤndi-
gem Debattiren mit einer ſehr großen Stimmenmehr-
heit in folgenden Ausdruͤcken durchgieng: “Da die
Nationalverſammlung in Betracht genommen, daß ſie
uͤber die Gewiſſen und gottesdienſtlichen Meynungen
keine Gewalt auszuuͤben habe, noch ausuͤben koͤnne;
daß die Majeſtaͤt der Religion, und die ihr ſchuldige
tiefe Ehrfurcht nicht zugeben koͤnne, daß ſolche der
Gegenſtand einer Berathſchlagung werde; da ſie ferner
in Erwaͤgung genommen, daß die Anhaͤnglichkeit der
Nationalverſammlung an der Roͤmiſch-katholiſch-apo-
ſtoliſchen Gottesverehrung in dem Zeitpunkt, wo der
Unterhalt dieſes Gottesdienſtes in die Reihe der oͤffent-
lichen Staatsausgaben, ꝛc. geſetzt werden ſoll, nicht
koͤnne in Zweifel gezogen werden, ſo decretirt ſelbige,
daß ſie uͤber die vorgetragene Motion weder berath-
ſchlagen koͤnne, noch muͤſſe, und ſie in deſſen Gefolg
[Spaltenumbruch] der Ordnung nach uͤber die geiſtlichen Guͤter die Diſ-
cußion fortſetzen wolle.” Es geſchahen neue Prote-
ſtationen, und man beſchwerte ſich beſonders uͤber die
Truppen, die den Verſammlungsſaal beſetzt hatten.
Der Marquis de la Fayette ſagte, es ſey aus der beſten
Abſicht geſchehen. Der Abt Maury wollte noch uͤber
das Decret reden, aber nach einigem Wortſtreit ward
die Verhandlung dieſes Puncts fuͤr die folgende Sitzung
verſchoben. Als die Glieder nach Hauſe giengen, ward
die democratiſche Parthey ſehr applaudirt, beſonders
der Graf Mirabeau, den man gleichſam in Triumph
nach Hauſe brachte. Die ariſtokratiſche Parthey ward
ausgeziſcht, und die Nationalgarde mußte das Volk
entfernen, um ſie vor Gewaltthaͤtigkeiten zu bewahren.
Nicht weit vom Verſammlungsſaal wurden Herr Ca-
zales und der Vicomte von Mirabeau vom Volk ange-
fallen, ſo wie auch der Abt Maury von einer andern
Seite. Alle 3 wuͤrden ein Opfer der Wuth des Volks
geworden ſeyn, wenn ſie die Nationalgarde nicht in
Schutz genommen haͤtte. Der Vicomte von Mirabeau
zog ſeinen Degen, als das Volk ihn beym Kragen ſeines
Rocks ergriff. Zwey Cavalleriſten retteten ihn. Der
eine legte den Saͤbel an die Kehle desjenigen, der den
Vicomte hielt, und befreyete ihn auf dieſe Art. Der
Vicomte und Herr von Cazales fluͤchteten hierauf nach
dem Kloſter der Jacobiner, von da ſie uͤber die Mauer
kletterten, um ſich zu retten. Der Abt Maury ward
von mehr als 2000 Menſchen verfolgt. Er rettete ſich
in das Haus eines Apothekers. Es waren uͤber 600
Mann von der Nationalgarde zu Pferde und zu Fuß,
die aber das Volk nicht abhalten konnten, das ſich mit
jedem Augenblick vermehrte. Endlich nach 2 Stunden
konnte man es dahin bringen, daß der Abt verkleidet
aus dem Hauſe des Apothekers entwiſchte. Man ſagt
zwar, der Abt habe dem Volk 2 Piſtolen gezeigt, und
es dadurch ſo ſehr gegen ſich aufgebracht, aber es iſt
nicht wahr. Dieſe 3 Deputirte hatten dennoch den
Muth, den andern Tag wieder in der Nationalver-
ſammlung zu erſcheinen. Man hatte indeſſen die Vor-
ſicht gebraucht, die Thuͤr des Gartens der Thuilleries
zu verſchließen, damit Niemand durchkommen konnte,
auch waren allenthalben die Wachen verdoppelt. Als
der Abt Maury in den Saal trat, ſagte Jemand zu
ihm: “Heute iſt alles ruhig,” dieſes muß auch ſeyn,
verſetzte der Abt, denn das Volk verzehrt heute das
Geld, was es geſtern erhalten hat, um mich anzugrei-
fen. Der Vicomte von Mirabeau, welcher aus allem
Spaß macht, hat eine Schrift herausgegeben, worinn
er ſeine geſtrige Avantuͤre erzaͤhlt.

Jn der Sitzung vom 14ten waren die Debatten uͤber
die geiſtlichen Guͤter ebenfalls ſehr lebhaft und tumul-
tuariſch. Endlich ward folgendes decretirt: 1) Die
Adminiſtration der geiſtlichen Guͤter, welche durch das
Decret vom 2ten November 1789 der Diſpoſition der
Nation uͤberlaſſen worden ſind, ſoll, von dem gegen-
waͤrtigen Jahre an, den Departements- und Diſ[t]ricts-
verſammlungen oder ihren Directorien, nach den zu
machenden Regeln, Ausnahmen und Modificationen
anverteaut bleiben. 2) Kuͤnftig (vom 1ſten Januar an)
ſoll das Gehalt aller Geiſtlichen in Geld, unter den
bald veſtzuſetzenden Terminen, ausbezahlt werden.
3) Die durch den 5ten Artikel des Decrets vom 4ten

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[[2]/0002] biſchofs mit kraftvollen Ausdruͤcken, und die fernere Berathſchlagung ward fuͤr den folgenden Tag aus- geſetzt. An eben dieſem Abend verſammelte ſich eine große Anzahl der Glieder der Geiſtlichkeit und des Adels, 300 an der Zahl, bey den Capuzinern in der Straße St. Honoré. Die Verſammlung blieb bis des Mor- gens um 2 Uhr zuſammen. Man beſchloß in ſelbiger, daß, wenn in der Nationalverſammlung der Schluß, die Geiſtlichkeit ihrer Guͤter zu berauben, durchgehen ſollte, alle dieſe Glieder dagegen proteſtiren, die Ver- ſammlung verlaſſen, und ſogleich zum Koͤnige gehen wollten, um ihn um ſeine Unterſtuͤtzung zu bitten. Der Maire Bailly, welcher von dieſer Verſammlung Nachricht erhielt, ließ ſelbige genau bewachen. Den Morgen darauf ward die Verſammlung fuͤr unerlaubt erklaͤrt, in welcher Dinge beſchloſſen worden, welche das Volk aufbringen, und die Nationalverſammlung uͤber den Haufen werfen koͤnnten. Man fieng wieder an von Complotten zu reden, von Entſchluͤſſen, den Koͤnig zu entfuͤhren, ꝛc. Schon verſammelte ſich eine Menge Volks bey den Thuilleries und beym Palais Royal, und die ganze Nationalgarde mußte die Waffen ergreifen. Der Verſammlungsſaal der Nationalver- ſammlung ward mit Truppen beſetzt. Als der Koͤnig hievon Nachricht erhielt, ward ein außerordentliches Conſeil gehalten, worauf alle Garden des Palais Ordre bekamen, keine Deputation der Nationalverſammlung einzulaſſen, wenn ſie nicht den Praͤſidenten an ihrer Spitze haͤtte. Hiedurch ward alſo die vorgehabte Depu- tation der obengedachten Glieder der Geiſtlichkeit und des Adels vereitelt, und der Monarch gab dadurch abermals einen Beweis ſeiner Liebe zum Frieden. Jn der Sitzung vom 13ten ward der Tags vorher von Dom Gerles geſchehene Vortrag, die Roͤmiſch- katholiſch apoſtoliſche Religion, als die beſtaͤndige Re- ligion, und ihren Gottesdienſt als den allein oͤffentlich geltenden zu erklaͤren, in Unterſuchung genommen. Herr Baron von Menou ſchlug vor, die Nationalver- ſammlung moͤchte anſtatt deſſen erklaͤren, daß ſie aus Ehrerbietung fuͤr den Allerhoͤchſten, und fuͤr die Roͤmiſch- katholiſch-apoſtoliſche Religion, welche allein auf Koſten des Staats unterhalten werden ſolle, uͤber die obige Frage nicht entſcheiden zu koͤnnen glaubte, und alſo davon ſchlechterdings abbreche. Herr de la Rochefou- cault that eine dritte Motion, die dann nach 4ſtuͤndi- gem Debattiren mit einer ſehr großen Stimmenmehr- heit in folgenden Ausdruͤcken durchgieng: “Da die Nationalverſammlung in Betracht genommen, daß ſie uͤber die Gewiſſen und gottesdienſtlichen Meynungen keine Gewalt auszuuͤben habe, noch ausuͤben koͤnne; daß die Majeſtaͤt der Religion, und die ihr ſchuldige tiefe Ehrfurcht nicht zugeben koͤnne, daß ſolche der Gegenſtand einer Berathſchlagung werde; da ſie ferner in Erwaͤgung genommen, daß die Anhaͤnglichkeit der Nationalverſammlung an der Roͤmiſch-katholiſch-apo- ſtoliſchen Gottesverehrung in dem Zeitpunkt, wo der Unterhalt dieſes Gottesdienſtes in die Reihe der oͤffent- lichen Staatsausgaben, ꝛc. geſetzt werden ſoll, nicht koͤnne in Zweifel gezogen werden, ſo decretirt ſelbige, daß ſie uͤber die vorgetragene Motion weder berath- ſchlagen koͤnne, noch muͤſſe, und ſie in deſſen Gefolg der Ordnung nach uͤber die geiſtlichen Guͤter die Diſ- cußion fortſetzen wolle.” Es geſchahen neue Prote- ſtationen, und man beſchwerte ſich beſonders uͤber die Truppen, die den Verſammlungsſaal beſetzt hatten. Der Marquis de la Fayette ſagte, es ſey aus der beſten Abſicht geſchehen. Der Abt Maury wollte noch uͤber das Decret reden, aber nach einigem Wortſtreit ward die Verhandlung dieſes Puncts fuͤr die folgende Sitzung verſchoben. Als die Glieder nach Hauſe giengen, ward die democratiſche Parthey ſehr applaudirt, beſonders der Graf Mirabeau, den man gleichſam in Triumph nach Hauſe brachte. Die ariſtokratiſche Parthey ward ausgeziſcht, und die Nationalgarde mußte das Volk entfernen, um ſie vor Gewaltthaͤtigkeiten zu bewahren. Nicht weit vom Verſammlungsſaal wurden Herr Ca- zales und der Vicomte von Mirabeau vom Volk ange- fallen, ſo wie auch der Abt Maury von einer andern Seite. Alle 3 wuͤrden ein Opfer der Wuth des Volks geworden ſeyn, wenn ſie die Nationalgarde nicht in Schutz genommen haͤtte. Der Vicomte von Mirabeau zog ſeinen Degen, als das Volk ihn beym Kragen ſeines Rocks ergriff. Zwey Cavalleriſten retteten ihn. Der eine legte den Saͤbel an die Kehle desjenigen, der den Vicomte hielt, und befreyete ihn auf dieſe Art. Der Vicomte und Herr von Cazales fluͤchteten hierauf nach dem Kloſter der Jacobiner, von da ſie uͤber die Mauer kletterten, um ſich zu retten. Der Abt Maury ward von mehr als 2000 Menſchen verfolgt. Er rettete ſich in das Haus eines Apothekers. Es waren uͤber 600 Mann von der Nationalgarde zu Pferde und zu Fuß, die aber das Volk nicht abhalten konnten, das ſich mit jedem Augenblick vermehrte. Endlich nach 2 Stunden konnte man es dahin bringen, daß der Abt verkleidet aus dem Hauſe des Apothekers entwiſchte. Man ſagt zwar, der Abt habe dem Volk 2 Piſtolen gezeigt, und es dadurch ſo ſehr gegen ſich aufgebracht, aber es iſt nicht wahr. Dieſe 3 Deputirte hatten dennoch den Muth, den andern Tag wieder in der Nationalver- ſammlung zu erſcheinen. Man hatte indeſſen die Vor- ſicht gebraucht, die Thuͤr des Gartens der Thuilleries zu verſchließen, damit Niemand durchkommen konnte, auch waren allenthalben die Wachen verdoppelt. Als der Abt Maury in den Saal trat, ſagte Jemand zu ihm: “Heute iſt alles ruhig,” dieſes muß auch ſeyn, verſetzte der Abt, denn das Volk verzehrt heute das Geld, was es geſtern erhalten hat, um mich anzugrei- fen. Der Vicomte von Mirabeau, welcher aus allem Spaß macht, hat eine Schrift herausgegeben, worinn er ſeine geſtrige Avantuͤre erzaͤhlt. Jn der Sitzung vom 14ten waren die Debatten uͤber die geiſtlichen Guͤter ebenfalls ſehr lebhaft und tumul- tuariſch. Endlich ward folgendes decretirt: 1) Die Adminiſtration der geiſtlichen Guͤter, welche durch das Decret vom 2ten November 1789 der Diſpoſition der Nation uͤberlaſſen worden ſind, ſoll, von dem gegen- waͤrtigen Jahre an, den Departements- und Diſtricts- verſammlungen oder ihren Directorien, nach den zu machenden Regeln, Ausnahmen und Modificationen anverteaut bleiben. 2) Kuͤnftig (vom 1ſten Januar an) ſoll das Gehalt aller Geiſtlichen in Geld, unter den bald veſtzuſetzenden Terminen, ausbezahlt werden. 3) Die durch den 5ten Artikel des Decrets vom 4ten

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Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 66, Hamburg, 24. April 1790, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_662404_1790/2>, abgerufen am 23.11.2024.