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Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 117, Hamburg, 23. Julii 1771.

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Tugend und in dem öffentlichen Wohl, welches daraus
entstehen wird, ihre eigene Privat-Glückseligkeit finden
werden, auf die Ausübung tugendhafter Handlungen
wird zu richten wissen.

Ob aber bey den Griechen solche muthige Tugenden
gänzlich verloschen, oder vielmehr nur im Herzen unter-
drückt sind, und unter diesen besonders diese Art von
Edelmuth, durch welche die Menschen, mit Nachsetzung
alles eigenen Privat-Vortheils, ihr Haab und Gut,
ihre Verwandten, ihre lieben Kinder, ja selbst das Leben,
der Aufrechthaltung der Religion, und dem Wohl des
Vaterlandes aufopfern; dies kann man aus unsern Hand-
lungen, bey einer jeden Unternehmung, welche christliche
Fürsten wider das Ottomannische Reich vorgenommen
haben, deutlich genug sehen. Die Venetianer lassen
uns für die Versprützung so vielen Blutes bey der Er-
oberung von Morea Gerechtigkeit wiederfahren. Die
Beständigkeit, welche wir in der langen und beschwer-
lichen Belagerung von Candia bewiesen, ist bekannt ge-
nug. Vorzüglich aber wird uns das Durchlauchtigste
Haus Oesterreich ein ewiges Zeugnis unsers Eifers und
unsers Vertrauens auf dessen hohen Schutz geben, wenn
es an den Untergang der Einwohner von Coron, die sich
aus Liebe zu Carl dem Fünften, und für die Unterneh-
mung von Doria aufopferten, und besonders an die
traurige Scene von Nissa denken wird, wobey zuletzt
im Jahre 1737 die Rascianischen Griechen nicht sowol
ihrem eigenen, als vielmehr dem gemeinschaftlichen Ver-
langen, die Fahne Christi von neuem in diesen Gebieten
durch dieses Durchlauchtigste Haus aufgestellet zu sehen,
mit ihrem völligen Untergang ein Genüge thaten. Allein,
der Belgradische Friede machte alle unsere schönen Hoff-
nungen mit einmal verschwinden.

Nicht aus Prahlsucht erinnern wir, was wir gewesen,
was wir sind, und was wir werden können; nur des-
wegen thun wir es, damit uns die Christen, unsere Brü-
der, nicht dem unglücklichen Schicksale, welches uns be-
vorstehet, ohne Mitleiden überlassen. Kann zu diesem
Endzweck die Betrachtung, daß bey uns nun schon seit
300 Jahren die Macht der heiligen christlichen Religion
mehr als der Schmerz einer abscheulichen Sclaverey
vermocht hat, und noch immer vermag, uns dienlich
seyn; so wollen wir auch diese Betrachtung nicht vorbey
lassen. Wir wissen, daß die Ausübung der eigenen Pflicht,
und besonders einer so heiligen Pflicht für den Menschen
ein gerechter Bewegungsgrund zum Troste, nicht aber
zur Prahlerey sey. Wenn aber die Ausübung einer
Pflicht bey dem, der sie erfüllet, einen überaus großen
Zwang, die stärksten Leidenschaften, welche uns die
menschliche Natur einflößet, zu überwinden, voraussetzet;
so verdienet sie doch von andern einigermaßen in Be-
trachtung gezogen zu werden. Man denke, daß so viele
Millionen Griechen, welche seit 300 Jahren im Elende
und in Fesseln leben, durch ihr bloßes Wollen, Mitge-
sellschafter ihrer Tyrannen werden, und an der herr-
schaftlichen Führung der Waffen, so wie an allen Vor-
theilen der Regierung Antheil haben können. Die Be-
dingung erfüllt einen Christen mit Entsetzen. Man muß
der Religion entsagen, und sich zu Muhameds Gesetz
bekennen. Gott aber unterstütze aufs künftige unserer
aller menschliche Schwachheit, wie er in den abgewi-
chenen Jahrhunderten die mehresten regieret hat.

Es wird nicht lange mehr dauern, so werden wir
nicht mehr zwischen Abfall von der Religion und Scla-
verey, sondern zwischen Abfall und gänzliche Vertilgung
wählen können. Diese Vertilgung wird gewiß mit
[Spaltenumbruch] aller schrecklichen Begleitung von Martern verbunden
seyn, so wie diese Barbaren auf ihren Gerichtsplätzen
sie auszuüben pflegen.    (Die Fortsetzung folgt.)


Neulich wurde hier eine Frau aus San Germano
ins Gefängniß gebracht, weil sie auf Anreizen ihres
zweeten Mannes, mit dem sie verschiedene Kinder ge-
habt, ihren Sohn aus der ersten Ehe, der viel Geld von
seinem verstorbenen Vater geerbet, in seinem zwölften
Jahre hatte castriren lassen.


Vor einigen Tagen kamen 2 Rußische Fregatten aus
Paros hier an, davon die eine nach Mahon abgegangen.
Seit der Zeit hat sich das Gerücht ausgebreitet, daß
das ganze Tunesische Geschwader, welches den Türken
zu Hülfe geschickt worden, von den Russen aufgefangen
sey.

Der hiesige Arzt, Herr Campani, macht sich fertig, nach
Jaros abzugehen. Er ist von dem Grafen von Orlow
zum Director des dortigen Hospitals ernannt worden.


Zu Ende des vergangenen Monats segelte ein großes
Kauffahrdenschiff, geführt vom Capitain Nordio, mit
einer Ladung Korn, Reiß, Zwieback etc. auch einer an-
sehnlichen Summe Geldes aus unserm Haven, nach der
Insel Corfu. Auf diesem Fahrzeuge befanden sich 100
Personen, die zum Dienste auf den öffentlichen in der
Levante befindlichen Galeeren verdammt waren, und
zwar unter der Wache einiger Soldaten und ihrer Auf-
seher. Als das Schiff an die Küsten von Istrien gekom-
men war, fanden 30 dieser Ruderknechte Mittel, sich
durch Feilen und anderes Geräthschaft von ihren Ketten
los zu machen. Sie sprangen hierauf unterm Verdeck,
wo sie mit den andern geschlossen gewesen waren, hervor,
bemächtigten sich einiger Beile und anderer Waffen,
und fielen über die kleine Equipage des Schiffes und die
wenigen Soldaten, die zu ihrer Wache bestimmt waren her.
Vier Soldaten und ein Aufseher hatten indessen beym
Anfang des Angriffs Zeit, das Schiffsboot zu gewinnen,
und kamen damit in unserm Haven an, mit der Nach-
richt, daß dieses Gesindel die ganze Equipage des Schif-
fes ermordet, und sich desselben bemächtiget hätte.
Es wären, bey der Abfahrt des Bootes, von ihnen
verschiedene Flintenschüsse und nachher ein Kanonen-
schuß gehöret worden.Von den übrigen Umständen
könnten sie keine eigentliche Nachricht geben. Der
Vorfall aber ist eigentlich so beschaffen gewesen. Die-
jenigen wenigen Soldaten, welche sich noch vertheidigen
konnten, gaben bey diesem unerwarteten Angriff Feuer
auf die Aufrührer, und tödteten 4 davon; die Ruder-
knechte hingegen, welche sich einiger Flinten, die aber
abgeschossen waren, bemächtiget hatten, giengen voller
Verzweifelung nach dem Zimmer des Capitains und
der Pulverkammer, um Waffen und Pulver zu haben.
Hier hatte sich der Capitain mit einer brennenden Lunte
in der Hand eingeschlossen. Er rief ihnen laut zu, er
wolle ihrem Verlangen ein Genüge leisten. Würden sie
aber fortfahren, Gewalt zu gebrauchen, so würde er
Feuer in die Pulverkammer werfen, und sie alle mit dem
Schiffe in die Luft sprengen. Der Entschluß des Capi-
tains, seine wiederholte Versicherung, es zu diesem äus-
sersten kommen zu lassen, die Bitten des frommen Schiffs-
Capellans, der kniend, mit einem Crucifix in der Hand,
und thränenden Augen, die Aufrührer bat, sich zu be-
ruhigen, brachte sie dahin, daß sie capitulirten. Sie
sagten, daß sie nichts als ihre Freyheit, Mundprovision,
[Spaltenumbruch]

Tugend und in dem oͤffentlichen Wohl, welches daraus
entſtehen wird, ihre eigene Privat-Gluͤckſeligkeit finden
werden, auf die Ausuͤbung tugendhafter Handlungen
wird zu richten wiſſen.

Ob aber bey den Griechen ſolche muthige Tugenden
gaͤnzlich verloſchen, oder vielmehr nur im Herzen unter-
druͤckt ſind, und unter dieſen beſonders dieſe Art von
Edelmuth, durch welche die Menſchen, mit Nachſetzung
alles eigenen Privat-Vortheils, ihr Haab und Gut,
ihre Verwandten, ihre lieben Kinder, ja ſelbſt das Leben,
der Aufrechthaltung der Religion, und dem Wohl des
Vaterlandes aufopfern; dies kann man aus unſern Hand-
lungen, bey einer jeden Unternehmung, welche chriſtliche
Fuͤrſten wider das Ottomanniſche Reich vorgenommen
haben, deutlich genug ſehen. Die Venetianer laſſen
uns fuͤr die Verſpruͤtzung ſo vielen Blutes bey der Er-
oberung von Morea Gerechtigkeit wiederfahren. Die
Beſtaͤndigkeit, welche wir in der langen und beſchwer-
lichen Belagerung von Candia bewieſen, iſt bekannt ge-
nug. Vorzuͤglich aber wird uns das Durchlauchtigſte
Haus Oeſterreich ein ewiges Zeugnis unſers Eifers und
unſers Vertrauens auf deſſen hohen Schutz geben, wenn
es an den Untergang der Einwohner von Coron, die ſich
aus Liebe zu Carl dem Fuͤnften, und fuͤr die Unterneh-
mung von Doria aufopferten, und beſonders an die
traurige Scene von Niſſa denken wird, wobey zuletzt
im Jahre 1737 die Raſcianiſchen Griechen nicht ſowol
ihrem eigenen, als vielmehr dem gemeinſchaftlichen Ver-
langen, die Fahne Chriſti von neuem in dieſen Gebieten
durch dieſes Durchlauchtigſte Haus aufgeſtellet zu ſehen,
mit ihrem voͤlligen Untergang ein Genuͤge thaten. Allein,
der Belgradiſche Friede machte alle unſere ſchoͤnen Hoff-
nungen mit einmal verſchwinden.

Nicht aus Prahlſucht erinnern wir, was wir geweſen,
was wir ſind, und was wir werden koͤnnen; nur des-
wegen thun wir es, damit uns die Chriſten, unſere Bruͤ-
der, nicht dem ungluͤcklichen Schickſale, welches uns be-
vorſtehet, ohne Mitleiden uͤberlaſſen. Kann zu dieſem
Endzweck die Betrachtung, daß bey uns nun ſchon ſeit
300 Jahren die Macht der heiligen chriſtlichen Religion
mehr als der Schmerz einer abſcheulichen Sclaverey
vermocht hat, und noch immer vermag, uns dienlich
ſeyn; ſo wollen wir auch dieſe Betrachtung nicht vorbey
laſſen. Wir wiſſen, daß die Ausuͤbung der eigenen Pflicht,
und beſonders einer ſo heiligen Pflicht fuͤr den Menſchen
ein gerechter Bewegungsgrund zum Troſte, nicht aber
zur Prahlerey ſey. Wenn aber die Ausuͤbung einer
Pflicht bey dem, der ſie erfuͤllet, einen uͤberaus großen
Zwang, die ſtaͤrkſten Leidenſchaften, welche uns die
menſchliche Natur einfloͤßet, zu uͤberwinden, vorausſetzet;
ſo verdienet ſie doch von andern einigermaßen in Be-
trachtung gezogen zu werden. Man denke, daß ſo viele
Millionen Griechen, welche ſeit 300 Jahren im Elende
und in Feſſeln leben, durch ihr bloßes Wollen, Mitge-
ſellſchafter ihrer Tyrannen werden, und an der herr-
ſchaftlichen Fuͤhrung der Waffen, ſo wie an allen Vor-
theilen der Regierung Antheil haben koͤnnen. Die Be-
dingung erfuͤllt einen Chriſten mit Entſetzen. Man muß
der Religion entſagen, und ſich zu Muhameds Geſetz
bekennen. Gott aber unterſtuͤtze aufs kuͤnftige unſerer
aller menſchliche Schwachheit, wie er in den abgewi-
chenen Jahrhunderten die mehreſten regieret hat.

Es wird nicht lange mehr dauern, ſo werden wir
nicht mehr zwiſchen Abfall von der Religion und Scla-
verey, ſondern zwiſchen Abfall und gaͤnzliche Vertilgung
waͤhlen koͤnnen. Dieſe Vertilgung wird gewiß mit
[Spaltenumbruch] aller ſchrecklichen Begleitung von Martern verbunden
ſeyn, ſo wie dieſe Barbaren auf ihren Gerichtsplaͤtzen
ſie auszuuͤben pflegen.    (Die Fortſetzung folgt.)


Neulich wurde hier eine Frau aus San Germano
ins Gefaͤngniß gebracht, weil ſie auf Anreizen ihres
zweeten Mannes, mit dem ſie verſchiedene Kinder ge-
habt, ihren Sohn aus der erſten Ehe, der viel Geld von
ſeinem verſtorbenen Vater geerbet, in ſeinem zwoͤlften
Jahre hatte caſtriren laſſen.


Vor einigen Tagen kamen 2 Rußiſche Fregatten aus
Paros hier an, davon die eine nach Mahon abgegangen.
Seit der Zeit hat ſich das Geruͤcht ausgebreitet, daß
das ganze Tuneſiſche Geſchwader, welches den Tuͤrken
zu Huͤlfe geſchickt worden, von den Ruſſen aufgefangen
ſey.

Der hieſige Arzt, Herr Campani, macht ſich fertig, nach
Jaros abzugehen. Er iſt von dem Grafen von Orlow
zum Director des dortigen Hoſpitals ernannt worden.


Zu Ende des vergangenen Monats ſegelte ein großes
Kauffahrdenſchiff, gefuͤhrt vom Capitain Nordio, mit
einer Ladung Korn, Reiß, Zwieback ꝛc. auch einer an-
ſehnlichen Summe Geldes aus unſerm Haven, nach der
Inſel Corfu. Auf dieſem Fahrzeuge befanden ſich 100
Perſonen, die zum Dienſte auf den oͤffentlichen in der
Levante befindlichen Galeeren verdammt waren, und
zwar unter der Wache einiger Soldaten und ihrer Auf-
ſeher. Als das Schiff an die Kuͤſten von Iſtrien gekom-
men war, fanden 30 dieſer Ruderknechte Mittel, ſich
durch Feilen und anderes Geraͤthſchaft von ihren Ketten
los zu machen. Sie ſprangen hierauf unterm Verdeck,
wo ſie mit den andern geſchloſſen geweſen waren, hervor,
bemaͤchtigten ſich einiger Beile und anderer Waffen,
und fielen uͤber die kleine Equipage des Schiffes und die
wenigen Soldaten, die zu ihrer Wache beſtim̃t waren her.
Vier Soldaten und ein Aufſeher hatten indeſſen beym
Anfang des Angriffs Zeit, das Schiffsboot zu gewinnen,
und kamen damit in unſerm Haven an, mit der Nach-
richt, daß dieſes Geſindel die ganze Equipage des Schif-
fes ermordet, und ſich deſſelben bemaͤchtiget haͤtte.
Es waͤren, bey der Abfahrt des Bootes, von ihnen
verſchiedene Flintenſchuͤſſe und nachher ein Kanonen-
ſchuß gehoͤret worden.Von den uͤbrigen Umſtaͤnden
koͤnnten ſie keine eigentliche Nachricht geben. Der
Vorfall aber iſt eigentlich ſo beſchaffen geweſen. Die-
jenigen wenigen Soldaten, welche ſich noch vertheidigen
konnten, gaben bey dieſem unerwarteten Angriff Feuer
auf die Aufruͤhrer, und toͤdteten 4 davon; die Ruder-
knechte hingegen, welche ſich einiger Flinten, die aber
abgeſchoſſen waren, bemaͤchtiget hatten, giengen voller
Verzweifelung nach dem Zimmer des Capitains und
der Pulverkammer, um Waffen und Pulver zu haben.
Hier hatte ſich der Capitain mit einer brennenden Lunte
in der Hand eingeſchloſſen. Er rief ihnen laut zu, er
wolle ihrem Verlangen ein Genuͤge leiſten. Wuͤrden ſie
aber fortfahren, Gewalt zu gebrauchen, ſo wuͤrde er
Feuer in die Pulverkammer werfen, und ſie alle mit dem
Schiffe in die Luft ſprengen. Der Entſchluß des Capi-
tains, ſeine wiederholte Verſicherung, es zu dieſem aͤuſ-
ſerſten kommen zu laſſen, die Bitten des frommen Schiffs-
Capellans, der kniend, mit einem Crucifix in der Hand,
und thraͤnenden Augen, die Aufruͤhrer bat, ſich zu be-
ruhigen, brachte ſie dahin, daß ſie capitulirten. Sie
ſagten, daß ſie nichts als ihre Freyheit, Mundproviſion,
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[[2]/0002] Tugend und in dem oͤffentlichen Wohl, welches daraus entſtehen wird, ihre eigene Privat-Gluͤckſeligkeit finden werden, auf die Ausuͤbung tugendhafter Handlungen wird zu richten wiſſen. Ob aber bey den Griechen ſolche muthige Tugenden gaͤnzlich verloſchen, oder vielmehr nur im Herzen unter- druͤckt ſind, und unter dieſen beſonders dieſe Art von Edelmuth, durch welche die Menſchen, mit Nachſetzung alles eigenen Privat-Vortheils, ihr Haab und Gut, ihre Verwandten, ihre lieben Kinder, ja ſelbſt das Leben, der Aufrechthaltung der Religion, und dem Wohl des Vaterlandes aufopfern; dies kann man aus unſern Hand- lungen, bey einer jeden Unternehmung, welche chriſtliche Fuͤrſten wider das Ottomanniſche Reich vorgenommen haben, deutlich genug ſehen. Die Venetianer laſſen uns fuͤr die Verſpruͤtzung ſo vielen Blutes bey der Er- oberung von Morea Gerechtigkeit wiederfahren. Die Beſtaͤndigkeit, welche wir in der langen und beſchwer- lichen Belagerung von Candia bewieſen, iſt bekannt ge- nug. Vorzuͤglich aber wird uns das Durchlauchtigſte Haus Oeſterreich ein ewiges Zeugnis unſers Eifers und unſers Vertrauens auf deſſen hohen Schutz geben, wenn es an den Untergang der Einwohner von Coron, die ſich aus Liebe zu Carl dem Fuͤnften, und fuͤr die Unterneh- mung von Doria aufopferten, und beſonders an die traurige Scene von Niſſa denken wird, wobey zuletzt im Jahre 1737 die Raſcianiſchen Griechen nicht ſowol ihrem eigenen, als vielmehr dem gemeinſchaftlichen Ver- langen, die Fahne Chriſti von neuem in dieſen Gebieten durch dieſes Durchlauchtigſte Haus aufgeſtellet zu ſehen, mit ihrem voͤlligen Untergang ein Genuͤge thaten. Allein, der Belgradiſche Friede machte alle unſere ſchoͤnen Hoff- nungen mit einmal verſchwinden. Nicht aus Prahlſucht erinnern wir, was wir geweſen, was wir ſind, und was wir werden koͤnnen; nur des- wegen thun wir es, damit uns die Chriſten, unſere Bruͤ- der, nicht dem ungluͤcklichen Schickſale, welches uns be- vorſtehet, ohne Mitleiden uͤberlaſſen. Kann zu dieſem Endzweck die Betrachtung, daß bey uns nun ſchon ſeit 300 Jahren die Macht der heiligen chriſtlichen Religion mehr als der Schmerz einer abſcheulichen Sclaverey vermocht hat, und noch immer vermag, uns dienlich ſeyn; ſo wollen wir auch dieſe Betrachtung nicht vorbey laſſen. Wir wiſſen, daß die Ausuͤbung der eigenen Pflicht, und beſonders einer ſo heiligen Pflicht fuͤr den Menſchen ein gerechter Bewegungsgrund zum Troſte, nicht aber zur Prahlerey ſey. Wenn aber die Ausuͤbung einer Pflicht bey dem, der ſie erfuͤllet, einen uͤberaus großen Zwang, die ſtaͤrkſten Leidenſchaften, welche uns die menſchliche Natur einfloͤßet, zu uͤberwinden, vorausſetzet; ſo verdienet ſie doch von andern einigermaßen in Be- trachtung gezogen zu werden. Man denke, daß ſo viele Millionen Griechen, welche ſeit 300 Jahren im Elende und in Feſſeln leben, durch ihr bloßes Wollen, Mitge- ſellſchafter ihrer Tyrannen werden, und an der herr- ſchaftlichen Fuͤhrung der Waffen, ſo wie an allen Vor- theilen der Regierung Antheil haben koͤnnen. Die Be- dingung erfuͤllt einen Chriſten mit Entſetzen. Man muß der Religion entſagen, und ſich zu Muhameds Geſetz bekennen. Gott aber unterſtuͤtze aufs kuͤnftige unſerer aller menſchliche Schwachheit, wie er in den abgewi- chenen Jahrhunderten die mehreſten regieret hat. Es wird nicht lange mehr dauern, ſo werden wir nicht mehr zwiſchen Abfall von der Religion und Scla- verey, ſondern zwiſchen Abfall und gaͤnzliche Vertilgung waͤhlen koͤnnen. Dieſe Vertilgung wird gewiß mit aller ſchrecklichen Begleitung von Martern verbunden ſeyn, ſo wie dieſe Barbaren auf ihren Gerichtsplaͤtzen ſie auszuuͤben pflegen. (Die Fortſetzung folgt.) Neapolis, den 29 Junii. Neulich wurde hier eine Frau aus San Germano ins Gefaͤngniß gebracht, weil ſie auf Anreizen ihres zweeten Mannes, mit dem ſie verſchiedene Kinder ge- habt, ihren Sohn aus der erſten Ehe, der viel Geld von ſeinem verſtorbenen Vater geerbet, in ſeinem zwoͤlften Jahre hatte caſtriren laſſen. Livorno, den 4 Julii. Vor einigen Tagen kamen 2 Rußiſche Fregatten aus Paros hier an, davon die eine nach Mahon abgegangen. Seit der Zeit hat ſich das Geruͤcht ausgebreitet, daß das ganze Tuneſiſche Geſchwader, welches den Tuͤrken zu Huͤlfe geſchickt worden, von den Ruſſen aufgefangen ſey. Der hieſige Arzt, Herr Campani, macht ſich fertig, nach Jaros abzugehen. Er iſt von dem Grafen von Orlow zum Director des dortigen Hoſpitals ernannt worden. Venedig, den 5 Julii. Zu Ende des vergangenen Monats ſegelte ein großes Kauffahrdenſchiff, gefuͤhrt vom Capitain Nordio, mit einer Ladung Korn, Reiß, Zwieback ꝛc. auch einer an- ſehnlichen Summe Geldes aus unſerm Haven, nach der Inſel Corfu. Auf dieſem Fahrzeuge befanden ſich 100 Perſonen, die zum Dienſte auf den oͤffentlichen in der Levante befindlichen Galeeren verdammt waren, und zwar unter der Wache einiger Soldaten und ihrer Auf- ſeher. Als das Schiff an die Kuͤſten von Iſtrien gekom- men war, fanden 30 dieſer Ruderknechte Mittel, ſich durch Feilen und anderes Geraͤthſchaft von ihren Ketten los zu machen. Sie ſprangen hierauf unterm Verdeck, wo ſie mit den andern geſchloſſen geweſen waren, hervor, bemaͤchtigten ſich einiger Beile und anderer Waffen, und fielen uͤber die kleine Equipage des Schiffes und die wenigen Soldaten, die zu ihrer Wache beſtim̃t waren her. Vier Soldaten und ein Aufſeher hatten indeſſen beym Anfang des Angriffs Zeit, das Schiffsboot zu gewinnen, und kamen damit in unſerm Haven an, mit der Nach- richt, daß dieſes Geſindel die ganze Equipage des Schif- fes ermordet, und ſich deſſelben bemaͤchtiget haͤtte. Es waͤren, bey der Abfahrt des Bootes, von ihnen verſchiedene Flintenſchuͤſſe und nachher ein Kanonen- ſchuß gehoͤret worden.Von den uͤbrigen Umſtaͤnden koͤnnten ſie keine eigentliche Nachricht geben. Der Vorfall aber iſt eigentlich ſo beſchaffen geweſen. Die- jenigen wenigen Soldaten, welche ſich noch vertheidigen konnten, gaben bey dieſem unerwarteten Angriff Feuer auf die Aufruͤhrer, und toͤdteten 4 davon; die Ruder- knechte hingegen, welche ſich einiger Flinten, die aber abgeſchoſſen waren, bemaͤchtiget hatten, giengen voller Verzweifelung nach dem Zimmer des Capitains und der Pulverkammer, um Waffen und Pulver zu haben. Hier hatte ſich der Capitain mit einer brennenden Lunte in der Hand eingeſchloſſen. Er rief ihnen laut zu, er wolle ihrem Verlangen ein Genuͤge leiſten. Wuͤrden ſie aber fortfahren, Gewalt zu gebrauchen, ſo wuͤrde er Feuer in die Pulverkammer werfen, und ſie alle mit dem Schiffe in die Luft ſprengen. Der Entſchluß des Capi- tains, ſeine wiederholte Verſicherung, es zu dieſem aͤuſ- ſerſten kommen zu laſſen, die Bitten des frommen Schiffs- Capellans, der kniend, mit einem Crucifix in der Hand, und thraͤnenden Augen, die Aufruͤhrer bat, ſich zu be- ruhigen, brachte ſie dahin, daß ſie capitulirten. Sie ſagten, daß ſie nichts als ihre Freyheit, Mundproviſion,

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Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 117, Hamburg, 23. Julii 1771, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1172307_1771/2>, abgerufen am 24.11.2024.