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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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Polizeiverwalter (wechselt die Farbe, will aufbrausen
kämpft den Zorn nieder).
Das übrige wird sich finden. --
Wie Du heißt frage ich Dich? --
(Als keine Antwort erfolgt,
rasend.)
Kerl sprich, oder ich lasse Dir fünfundzwanzig
überreißen.
Jäger (mit vollkommener Heiterkeit und ohne auch nur durch ein
Wimperzucken auf die wüthende Einrede zu reagiren, über die Köpfe des An-
wesenden hinweg zu einem hübschen Dienstmädchen, welches, im Begriff den
Kaffee zu serviren, durch den unerwarteten Anblick betroffen, mit offenem Munde
stehen geblieben ist.)
Nu sag m'r ock, Plättbrettl-Emilie,
bist Du jetzt bei der Gesellschaft. Na da sieh ock, das
de hier nausfindst. Hie kann amal dr Wind gehn,
und der bläst alles weg iber Nacht.
(Das Mädchen starrt Jäger
an, wird, als sie begreift, daß die Rede ihr gilt, roth vor Scham, schlägt sich
die Hände vor die Augen und läuft hinaus, das Geschirr zurücklassend, wie es
gerade steht und liegt. Wiederum entsteht eine Bewegung unter den Anwesenden.)
Polizeiverwalter (nahezu fassungslos zu Dreißiger). So
alt, wie ich bin ... eine solche unerhörte Frechheit ist
mir doch ...
Jäger (spuckt aus).
Dreißiger. Kerl, Du bist in keinem Viehstall,
verstanden?!
Polizeiverwalter. Nun bin ich am Ende mit
meiner Geduld. Zum letzten Mal: wie heißt Du?
Kittelhaus, (der während der letzten Scene hinter der ein wenig
geöffneten Salonthür hervorgeblickt und gehorcht hat, kommt nun, durch die
Geschehnisse hingerissen, um, bebend vor Erregung, zu interveniren).
Er heißt
Jäger, Herr Verwalter. Moritz ... nicht? ... Moritz
Jäger.
(Zu Jäger.) Nu sag blos, Jäger, -- kennst Du
mich nich mehr?
Jäger (ernst). Sie sein Paster Kittelhaus.
Kittelhaus. Ja, Dein Seelsorger, Jäger!
Derselbe, der Dich als kleines Wickelkind in die
Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen hat. Der-
selbe, aus dessen Händen Du zum ersten Mal den
Leib des Herrn empfangen hast. Erinnerst Du Dich
noch? Da hab ich mich nun gemüht und gemüht
Polizeiverwalter (wechſelt die Farbe, will aufbrauſen
kämpft den Zorn nieder).
Das übrige wird ſich finden. —
Wie Du heißt frage ich Dich? —
(Als keine Antwort erfolgt,
raſend.)
Kerl ſprich, oder ich laſſe Dir fünfundzwanzig
überreißen.
Jäger (mit vollkommener Heiterkeit und ohne auch nur durch ein
Wimperzucken auf die wüthende Einrede zu reagiren, über die Köpfe des An-
weſenden hinweg zu einem hübſchen Dienſtmädchen, welches, im Begriff den
Kaffee zu ſerviren, durch den unerwarteten Anblick betroffen, mit offenem Munde
ſtehen geblieben iſt.)
Nu ſag m’r ock, Plättbrettl-Emilie,
biſt Du jetzt bei der Geſellſchaft. Na da ſieh ock, das
de hier nausfindſt. Hie kann amal dr Wind gehn,
und der bläſt alles weg iber Nacht.
(Das Mädchen ſtarrt Jäger
an, wird, als ſie begreift, daß die Rede ihr gilt, roth vor Scham, ſchlägt ſich
die Hände vor die Augen und läuft hinaus, das Geſchirr zurücklaſſend, wie es
gerade ſteht und liegt. Wiederum entſteht eine Bewegung unter den Anweſenden.)
Polizeiverwalter (nahezu faſſungslos zu Dreißiger). So
alt, wie ich bin … eine ſolche unerhörte Frechheit iſt
mir doch …
Jäger (ſpuckt aus).
Dreißiger. Kerl, Du biſt in keinem Viehſtall,
verſtanden?!
Polizeiverwalter. Nun bin ich am Ende mit
meiner Geduld. Zum letzten Mal: wie heißt Du?
Kittelhaus, (der während der letzten Scene hinter der ein wenig
geöffneten Salonthür hervorgeblickt und gehorcht hat, kommt nun, durch die
Geſchehniſſe hingeriſſen, um, bebend vor Erregung, zu interveniren).
Er heißt
Jäger, Herr Verwalter. Moritz … nicht? … Moritz
Jäger.
(Zu Jäger.) Nu ſag blos, Jäger, — kennſt Du
mich nich mehr?
Jäger (ernſt). Sie ſein Paſter Kittelhaus.
Kittelhaus. Ja, Dein Seelſorger, Jäger!
Derſelbe, der Dich als kleines Wickelkind in die
Gemeinſchaft der Heiligen aufgenommen hat. Der-
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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/93>, abgerufen am 22.11.2024.