Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892. Hornig. Kommst Du o noch amal aus Den'n verräucherten Geniste gekrochen? Ansorge, (unbeholfen und sichtlich verlegen). Jch hab m'r wieder amal ne Werfte geholt. Baumert. A will fer zehn Behmen arbeiten. Ansorge. Jch hätt's ni gemacht, aber mit der Korbflechterei hat's auch a Ende genommen. Wiegand. 's is immer besser wie nischt. A tut's ja ock, daß d'r ne Beschäftigung habt. Jch bin sehr gut bekannt mit Dreißigern. Vor acht Tagen nahm ich 'n de Doppelfenster raus. Da redten m'r driiber. A tut's bloß aus Barmherzigkeet. Ansorge. Nu ja, ja -- nu nee, nee. Welzel (den Webern je einen Schnaps vorsetzend). Hie wird sein. Nu sag amal, Ansorge. Wie lange hast Du Dich ni mehr rasirn lossen? -- Der Herr mechts gerne wissen. Der Reisende (ruft herüber). Ach, Herr Wirt, das hab' ich doch nich gesagt. Der Herr Webermeister ist mir nur aufgefallen durch sein ehrwürdiges Aus- sehen. Solche Hühnengestalten bekommt man nicht oft zu sehn. Ansorge (kraut sich verlegen den Kopf). Nu ja, ja -- nu nee, nee. Der Reisende. Solche urkräftige Naturmenschen sind heutzutage sehr selten. Wir sind von der Kultur so beleckt . . . . aber ich hab' noch Freude an der Urwüchsigkeit. Buschige Augenbrauen! So'n wilder Bart. . . . Hornig. Nu sehn's ock, werter Herr, ich wer ihn amal was sagn: bei da Leuten da langt's halt ni uf a Balbier, und a Rasiermesser kenn se sich schonn lange ni derschwingen. Was wächst, wächst. Uf a äußern Menschen kenn die nischt nich verwenden. Der Reisende. Aber ich bitte Sie, lieber Mann, wo wer' ich denn. . . . (Leise zum Wirt.) Darf man dem Haarmenschen 'n Glas Bier anbieten? Hornig. Kommſt Du o noch amal aus Den’n verräucherten Geniſte gekrochen? Anſorge, (unbeholfen und ſichtlich verlegen). Jch hab m’r wieder amal ne Werfte geholt. Baumert. A will fer zehn Behmen arbeiten. Anſorge. Jch hätt’s ni gemacht, aber mit der Korbflechterei hat’s auch a Ende genommen. Wiegand. ’s is immer beſſer wie niſcht. A tut’s ja ock, daß d’r ne Beſchäftigung habt. Jch bin ſehr gut bekannt mit Dreißigern. Vor acht Tagen nahm ich ’n de Doppelfenſter raus. Da redten m’r driiber. A tut’s bloß aus Barmherzigkeet. Anſorge. Nu ja, ja — nu nee, nee. Welzel (den Webern je einen Schnaps vorſetzend). Hie wird ſein. Nu ſag amal, Anſorge. Wie lange haſt Du Dich ni mehr raſirn loſſen? — Der Herr mechts gerne wiſſen. Der Reiſende (ruft herüber). Ach, Herr Wirt, das hab’ ich doch nich geſagt. Der Herr Webermeiſter iſt mir nur aufgefallen durch ſein ehrwürdiges Aus- ſehen. Solche Hühnengeſtalten bekommt man nicht oft zu ſehn. Anſorge (kraut ſich verlegen den Kopf). Nu ja, ja — nu nee, nee. Der Reiſende. Solche urkräftige Naturmenſchen ſind heutzutage ſehr ſelten. Wir ſind von der Kultur ſo beleckt . . . . aber ich hab’ noch Freude an der Urwüchſigkeit. Buſchige Augenbrauen! So’n wilder Bart. . . . Hornig. Nu ſehn’s ock, werter Herr, ich wer ihn amal was ſagn: bei da Leuten da langt’s halt ni uf a Balbier, und a Raſiermeſſer kenn ſe ſich ſchonn lange ni derſchwingen. Was wächſt, wächſt. Uf a äußern Menſchen kenn die niſcht nich verwenden. Der Reiſende. Aber ich bitte Sie, lieber Mann, wo wer’ ich denn. . . . (Leiſe zum Wirt.) 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Baumert. A will fer zehn Behmen arbeiten.
Anſorge. Jch hätt’s ni gemacht, aber mit der
Korbflechterei hat’s auch a Ende genommen.
Wiegand. ’s is immer beſſer wie niſcht. A
tut’s ja ock, daß d’r ne Beſchäftigung habt. Jch bin
ſehr gut bekannt mit Dreißigern. Vor acht Tagen
nahm ich ’n de Doppelfenſter raus. Da redten m’r
driiber. A tut’s bloß aus Barmherzigkeet.
Anſorge. Nu ja, ja — nu nee, nee.
Welzel (den Webern je einen Schnaps vorſetzend). Hie wird
ſein. Nu ſag amal, Anſorge. Wie lange haſt Du Dich
ni mehr raſirn loſſen? — Der Herr mechts gerne wiſſen.
Der Reiſende (ruft herüber). Ach, Herr Wirt, das
hab’ ich doch nich geſagt. Der Herr Webermeiſter
iſt mir nur aufgefallen durch ſein ehrwürdiges Aus-
ſehen. Solche Hühnengeſtalten bekommt man nicht
oft zu ſehn.
Anſorge (kraut ſich verlegen den Kopf). Nu ja, ja —
nu nee, nee.
Der Reiſende. Solche urkräftige Naturmenſchen
ſind heutzutage ſehr ſelten. Wir ſind von der Kultur
ſo beleckt . . . . aber ich hab’ noch Freude an der
Urwüchſigkeit. Buſchige Augenbrauen! So’n wilder
Bart. . . .
Hornig. Nu ſehn’s ock, werter Herr, ich wer
ihn amal was ſagn: bei da Leuten da langt’s halt ni
uf a Balbier, und a Raſiermeſſer kenn ſe ſich ſchonn
lange ni derſchwingen. Was wächſt, wächſt. Uf a
äußern Menſchen kenn die niſcht nich verwenden.
Der Reiſende. Aber ich bitte Sie, lieber
Mann, wo wer’ ich denn. . . . (Leiſe zum Wirt.) Darf
man dem Haarmenſchen ’n Glas Bier anbieten?
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Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/65>, abgerufen am 16.02.2025. |