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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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dient; ich hab och de Leute immer gutt behandelt.
Mehr Lohn, wie festgesetzt war, konnt' ich'n doch nich
geben. Verlassen Se mich nich, se machen mich kalt.
Wenn se mich finden, schlagen se mich todt. Ach
Gott im Himmel, ach Gott im Himmel! Meine
Frau, meine Kinder ...
Dreißiger (indem er abgeht, vergeblich bemüht, sich von Pfeifer
loszumachen).
Lassen Sie mich doch wenigstens los,
Mensch! Das wird sich ja finden; das wird sich ja
alles finden.
(Ab mit Pfeifer.)
(Einige Secunden bleibt der Raum leer. Jm Salon zerklirren Fenster. Ein
starker Krach durchschallt das Haus: hierauf brausendes Hurrah! danach Stille.
Einige Secunden vergehen, dannn hört man leises und vorsichtiges Trappen die
Stufen zum ersten Stock empor, dazu nüchterne und schüchterne Ausrufe:
"links!" "oben nuff!" "pscht!" "langsam! langsam!"
"schipp ock nich!" "hilf schirjen!" "praatz, hab ich
a Ding!" "macht fort ihr Würgebänder!" "mir gehn
zur Hochzeit!" "geh Du nei!" "o geh Du!"
Es erscheinen nun junge Weber und Webermädchen in der Flurthür, die nicht
wagen einzutreten, und eines das andere hereinzustoßen suchen. Nach einigen
Secunden ist die Schüchternheit überwunden, und die ärmlichen, mageren, theils
kränklichen, zerlumpten oder geflickten Gestalten vertheilen sich in Dreißigers
Zimmer und im Salon, alles zunächst neugierig und scheu betrachtend, dann
betastend. Mädchen versuchen die Sofas, es bilden sich Gruppen, die ihr Bild
im Spiegel bewundern. Es steigen einzelne auf Stühle, um die Bilder zu be-
trachten und herabzunehmen, und inzwischen strömen immer neue Jammergestalten
vom Flur herein.)
Erster alter Weber (kommt). Nee, nee, da laßt
mich aber doch zufriede! Unten da fangen se
gar schonn an und richten an Sache zugrunde. Nu
die Tollheet! Da is doch kee Sinn und kee Verstand
o nich drinne. Ums Ende wird das noch gar sehr a beese
Ding. Wer hie an hellen Kopp behält, der macht
ni mit. Jch wer mich in Obacht nehmen und wer
mich an solchen Unthaten betheiligen.

(Jäger, Bäcker, Wittig mit einem hölzernen Eimer, Baumert und eine
Anzahl junger und alter Weber kommen, wie auf der Jagd nach etwas herein-
gestürmt, mit heiseren Stimmen durcheinander rufend.)
Jäger. Wo is a hin?
Bäcker. Wo is der Menschenschinder?
Baumert. Könn' mir Gras fressen, friß du
Sägespäne.
dient; ich hab och de Leute immer gutt behandelt.
Mehr Lohn, wie feſtgeſetzt war, konnt’ ich’n doch nich
geben. Verlaſſen Se mich nich, ſe machen mich kalt.
Wenn ſe mich finden, ſchlagen ſe mich todt. Ach
Gott im Himmel, ach Gott im Himmel! Meine
Frau, meine Kinder …
Dreißiger (indem er abgeht, vergeblich bemüht, ſich von Pfeifer
loszumachen).
Laſſen Sie mich doch wenigſtens los,
Menſch! Das wird ſich ja finden; das wird ſich ja
alles finden.
(Ab mit Pfeifer.)
(Einige Secunden bleibt der Raum leer. Jm Salon zerklirren Fenſter. Ein
ſtarker Krach durchſchallt das Haus: hierauf brauſendes Hurrah! danach Stille.
Einige Secunden vergehen, dannn hört man leiſes und vorſichtiges Trappen die
Stufen zum erſten Stock empor, dazu nüchterne und ſchüchterne Ausrufe:
„links!“ „oben nuff!“ „pſcht!“ „langſam! langſam!“
„ſchipp ock nich!„ „hilf ſchirjen!“ „praatz, hab ich
a Ding!“ „macht fort ihr Würgebänder!“ „mir gehn
zur Hochzeit!“ „geh Du nei!“ „o geh Du!“
Es erſcheinen nun junge Weber und Webermädchen in der Flurthür, die nicht
wagen einzutreten, und eines das andere hereinzuſtoßen ſuchen. Nach einigen
Secunden iſt die Schüchternheit überwunden, und die ärmlichen, mageren, theils
kränklichen, zerlumpten oder geflickten Geſtalten vertheilen ſich in Dreißigers
Zimmer und im Salon, alles zunächſt neugierig und ſcheu betrachtend, dann
betaſtend. Mädchen verſuchen die Sofas, es bilden ſich Gruppen, die ihr Bild
im Spiegel bewundern. Es ſteigen einzelne auf Stühle, um die Bilder zu be-
trachten und herabzunehmen, und inzwiſchen ſtrömen immer neue Jammergeſtalten
vom Flur herein.)
Erſter alter Weber (kommt). Nee, nee, da laßt
mich aber doch zufriede! Unten da fangen ſe
gar ſchonn an und richten an Sache zugrunde. Nu
die Tollheet! Da is doch kee Sinn und kee Verſtand
o nich drinne. Ums Ende wird das noch gar ſehr a beeſe
Ding. Wer hie an hellen Kopp behält, der macht
ni mit. Jch wer mich in Obacht nehmen und wer
mich an ſolchen Unthaten betheiligen.

(Jäger, Bäcker, Wittig mit einem hölzernen Eimer, Baumert und eine
Anzahl junger und alter Weber kommen, wie auf der Jagd nach etwas herein-
geſtürmt, mit heiſeren Stimmen durcheinander rufend.)
Jäger. Wo is a hin?
Bäcker. Wo is der Menſchenſchinder?
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[89/0102] dient; ich hab och de Leute immer gutt behandelt. Mehr Lohn, wie feſtgeſetzt war, konnt’ ich’n doch nich geben. Verlaſſen Se mich nich, ſe machen mich kalt. Wenn ſe mich finden, ſchlagen ſe mich todt. Ach Gott im Himmel, ach Gott im Himmel! Meine Frau, meine Kinder … Dreißiger (indem er abgeht, vergeblich bemüht, ſich von Pfeifer loszumachen). Laſſen Sie mich doch wenigſtens los, Menſch! Das wird ſich ja finden; das wird ſich ja alles finden. (Ab mit Pfeifer.) (Einige Secunden bleibt der Raum leer. Jm Salon zerklirren Fenſter. Ein ſtarker Krach durchſchallt das Haus: hierauf brauſendes Hurrah! danach Stille. Einige Secunden vergehen, dannn hört man leiſes und vorſichtiges Trappen die Stufen zum erſten Stock empor, dazu nüchterne und ſchüchterne Ausrufe: „links!“ „oben nuff!“ „pſcht!“ „langſam! langſam!“ „ſchipp ock nich!„ „hilf ſchirjen!“ „praatz, hab ich a Ding!“ „macht fort ihr Würgebänder!“ „mir gehn zur Hochzeit!“ „geh Du nei!“ „o geh Du!“ Es erſcheinen nun junge Weber und Webermädchen in der Flurthür, die nicht wagen einzutreten, und eines das andere hereinzuſtoßen ſuchen. Nach einigen Secunden iſt die Schüchternheit überwunden, und die ärmlichen, mageren, theils kränklichen, zerlumpten oder geflickten Geſtalten vertheilen ſich in Dreißigers Zimmer und im Salon, alles zunächſt neugierig und ſcheu betrachtend, dann betaſtend. Mädchen verſuchen die Sofas, es bilden ſich Gruppen, die ihr Bild im Spiegel bewundern. Es ſteigen einzelne auf Stühle, um die Bilder zu be- trachten und herabzunehmen, und inzwiſchen ſtrömen immer neue Jammergeſtalten vom Flur herein.) Erſter alter Weber (kommt). Nee, nee, da laßt mich aber doch zufriede! Unten da fangen ſe gar ſchonn an und richten an Sache zugrunde. Nu die Tollheet! Da is doch kee Sinn und kee Verſtand o nich drinne. Ums Ende wird das noch gar ſehr a beeſe Ding. Wer hie an hellen Kopp behält, der macht ni mit. Jch wer mich in Obacht nehmen und wer mich an ſolchen Unthaten betheiligen. (Jäger, Bäcker, Wittig mit einem hölzernen Eimer, Baumert und eine Anzahl junger und alter Weber kommen, wie auf der Jagd nach etwas herein- geſtürmt, mit heiſeren Stimmen durcheinander rufend.) Jäger. Wo is a hin? Bäcker. Wo is der Menſchenſchinder? Baumert. Könn’ mir Gras freſſen, friß du Sägeſpäne.

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/102>, abgerufen am 25.11.2024.