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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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Loth. Mein Ehrenwort, Hoffmann! Ich hatte
keine Ahnung davon, daß Du Dich hier befändest.
Hätte ich das gewußt.....
Hoffmann (springt auf, hocherfreut). Schon gut! schon
gut! Wenn die Sachen so liegen....siehst Du, das
freut mich aufrichtig, daß ich mich nicht in Dir getäuscht
habe. Also, Du weißt es nun, und selbstredend erhältst
Du die Kosten der Reise und Alles, was drum und
dran baumelt, von mir vergütet. Ziere Dich nicht! es
ist einfach meine Freundespflicht.... Daran erkenne ich
meinen alten, biederen Loth! Denke mal an: ich hatte
Dich wirklich eine Zeit lang ernstlich im Verdacht....
Aber nun muß ich Dir auch ehrlich sagen, so schlecht,
wie ich mich zuweilen hinstelle, bin ich keineswegs. Ich
habe Dich immer hochgeschätzt: Dich und Dein ehrliches,
consequentes Streben. Ich bin der Letzte, der gewisse --
leider, leider mehr als berechtigte Ansprüche der aus-
gebeuteten, unterdrückten Massen nicht gelten läßt. --
Ja, lächle nur, ich gehe sogar so weit, zu bekennen,
daß es im Reichstag nur eine Partei giebt, die Ideale
hat: und das ist dieselbe, der Du angehörst!..........
Nur -- wie gesagt -- langsam! langsam! -- nichts
überstürzen. Es kommt Alles, kommt Alles, wie es
kommen soll. Nur Geduld! Geduld....!
Loth. Geduld muß man allerdings haben. Des-
halb aber ist man noch nicht berechtigt, die Hände in
den Schooß zu legen.
Hoffmann. Ganz meine Ansicht! -- Ich hab'
Dir überhaupt in Gedanken weit öfter zugestimmt, als
mit Worten. Es ist 'ne Unsitte, ich geb's zu. Ich
hab mir's angewöhnt, im Verkehr mit Leuten, die ich
nicht gern in meine Karten sehen lasse.... Auch in
der Frauenfrage.... Du hast Manches sehr treffend
geäußert. (Er ist inzwischen an's Telephon getreten, weckt und spricht theils
in's Telephon, theils zu Loth.)
Die kleine Schwägerin war übri-
gens ganz Ohr.. (Ins Telephon.) Franz! In zehn Minuten
muß angespannt sein.... (Zu Loth.) Es hat ihr Eindruck
Loth. Mein Ehrenwort, Hoffmann! Ich hatte
keine Ahnung davon, daß Du Dich hier befändeſt.
Hätte ich das gewußt.....
Hoffmann (ſpringt auf, hocherfreut). Schon gut! ſchon
gut! Wenn die Sachen ſo liegen....ſiehſt Du, das
freut mich aufrichtig, daß ich mich nicht in Dir getäuſcht
habe. Alſo, Du weißt es nun, und ſelbſtredend erhältſt
Du die Koſten der Reiſe und Alles, was drum und
dran baumelt, von mir vergütet. Ziere Dich nicht! es
iſt einfach meine Freundespflicht.... Daran erkenne ich
meinen alten, biederen Loth! Denke mal an: ich hatte
Dich wirklich eine Zeit lang ernſtlich im Verdacht....
Aber nun muß ich Dir auch ehrlich ſagen, ſo ſchlecht,
wie ich mich zuweilen hinſtelle, bin ich keineswegs. Ich
habe Dich immer hochgeſchätzt: Dich und Dein ehrliches,
conſequentes Streben. Ich bin der Letzte, der gewiſſe —
leider, leider mehr als berechtigte Anſprüche der aus-
gebeuteten, unterdrückten Maſſen nicht gelten läßt. —
Ja, lächle nur, ich gehe ſogar ſo weit, zu bekennen,
daß es im Reichstag nur eine Partei giebt, die Ideale
hat: und das iſt dieſelbe, der Du angehörſt!..........
Nur — wie geſagt — langſam! langſam! — nichts
überſtürzen. Es kommt Alles, kommt Alles, wie es
kommen ſoll. Nur Geduld! Geduld....!
Loth. Geduld muß man allerdings haben. Des-
halb aber iſt man noch nicht berechtigt, die Hände in
den Schooß zu legen.
Hoffmann. Ganz meine Anſicht! — Ich hab'
Dir überhaupt in Gedanken weit öfter zugeſtimmt, als
mit Worten. Es iſt 'ne Unſitte, ich geb's zu. Ich
hab mir's angewöhnt, im Verkehr mit Leuten, die ich
nicht gern in meine Karten ſehen laſſe.... Auch in
der Frauenfrage.... Du haſt Manches ſehr treffend
geäußert. (Er iſt inzwiſchen an's Telephon getreten, weckt und ſpricht theils
in's Telephon, theils zu Loth.)
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gens ganz Ohr.. (Ins Telephon.) Franz! In zehn Minuten
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[68/0074] Loth. Mein Ehrenwort, Hoffmann! Ich hatte keine Ahnung davon, daß Du Dich hier befändeſt. Hätte ich das gewußt..... Hoffmann (ſpringt auf, hocherfreut). Schon gut! ſchon gut! Wenn die Sachen ſo liegen....ſiehſt Du, das freut mich aufrichtig, daß ich mich nicht in Dir getäuſcht habe. Alſo, Du weißt es nun, und ſelbſtredend erhältſt Du die Koſten der Reiſe und Alles, was drum und dran baumelt, von mir vergütet. Ziere Dich nicht! es iſt einfach meine Freundespflicht.... Daran erkenne ich meinen alten, biederen Loth! Denke mal an: ich hatte Dich wirklich eine Zeit lang ernſtlich im Verdacht.... Aber nun muß ich Dir auch ehrlich ſagen, ſo ſchlecht, wie ich mich zuweilen hinſtelle, bin ich keineswegs. Ich habe Dich immer hochgeſchätzt: Dich und Dein ehrliches, conſequentes Streben. Ich bin der Letzte, der gewiſſe — leider, leider mehr als berechtigte Anſprüche der aus- gebeuteten, unterdrückten Maſſen nicht gelten läßt. — Ja, lächle nur, ich gehe ſogar ſo weit, zu bekennen, daß es im Reichstag nur eine Partei giebt, die Ideale hat: und das iſt dieſelbe, der Du angehörſt!.......... Nur — wie geſagt — langſam! langſam! — nichts überſtürzen. Es kommt Alles, kommt Alles, wie es kommen ſoll. Nur Geduld! Geduld....! Loth. Geduld muß man allerdings haben. Des- halb aber iſt man noch nicht berechtigt, die Hände in den Schooß zu legen. Hoffmann. Ganz meine Anſicht! — Ich hab' Dir überhaupt in Gedanken weit öfter zugeſtimmt, als mit Worten. Es iſt 'ne Unſitte, ich geb's zu. Ich hab mir's angewöhnt, im Verkehr mit Leuten, die ich nicht gern in meine Karten ſehen laſſe.... Auch in der Frauenfrage.... Du haſt Manches ſehr treffend geäußert. (Er iſt inzwiſchen an's Telephon getreten, weckt und ſpricht theils in's Telephon, theils zu Loth.) Die kleine Schwägerin war übri- gens ganz Ohr.. (Ins Telephon.) Franz! In zehn Minuten muß angeſpannt ſein.... (Zu Loth.) Es hat ihr Eindruck

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/74>, abgerufen am 28.11.2024.