Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.Unmündigen und Säuglinge hast du dir dein Vor einer Frau, die Orangen feilbot, blieb Er war beruhigt und zufrieden, sobald er Unmündigen und Säuglinge haſt du dir dein Vor einer Frau, die Orangen feilbot, blieb Er war beruhigt und zufrieden, ſobald er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0099" n="85"/> Unmündigen und Säuglinge haſt du dir dein<lb/> Lob zugerichtet.</p><lb/> <p>Vor einer Frau, die Orangen feilbot, blieb<lb/> er ſtehen. Sogleich hielten auch die Kleinen<lb/> im Laufen inne und ein Haufe Neugieriger<lb/> ſtaute ſich auf dem Bürgerſteig. Er hätte ſeine<lb/> Früchte gern ohne alles Reden gekauft. Mit<lb/> einer Spannung warteten die Leute auf ſein<lb/> erſtes Wort, die ihn befangen und ſcheu machte.<lb/> Ein ſicheres Gefühl ſagte ihm, daß er eine<lb/> Illuſion zu ſchonen hatte, daß es von der Art,<lb/> wir er ſprach, abhing, ob ſeine Hörer ihm weiter<lb/> folgten oder enttäuſcht davon ſchlichen. Aber<lb/> es war nicht zu vermeiden, die Hökerfrau fragte<lb/> und ſchwatzte zu viel, und ſo mußte er endlich<lb/> reden.</p><lb/> <p>Er war beruhigt und zufrieden, ſobald er<lb/> ſeine eigene Stimme vernahm; etwas Singendes<lb/> und Getragenes lag darin, eine feierliche und<lb/> gleichſam melancholiſche Würde, die, wie er<lb/> überzeugt war, Eindruck machen mußte. Er<lb/> hatte ſich kaum je ſo reden hören, und indem<lb/> er ſprach, wurde ihm das Reden ſelbſt zum<lb/> Genuß, wie dem Sänger der Geſang. Auf der<lb/> Brücke, unter die hinein der blau-grüne See<lb/> ſeine Wellen ſchlug, hielt er abermals an. Ueber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0099]
Unmündigen und Säuglinge haſt du dir dein
Lob zugerichtet.
Vor einer Frau, die Orangen feilbot, blieb
er ſtehen. Sogleich hielten auch die Kleinen
im Laufen inne und ein Haufe Neugieriger
ſtaute ſich auf dem Bürgerſteig. Er hätte ſeine
Früchte gern ohne alles Reden gekauft. Mit
einer Spannung warteten die Leute auf ſein
erſtes Wort, die ihn befangen und ſcheu machte.
Ein ſicheres Gefühl ſagte ihm, daß er eine
Illuſion zu ſchonen hatte, daß es von der Art,
wir er ſprach, abhing, ob ſeine Hörer ihm weiter
folgten oder enttäuſcht davon ſchlichen. Aber
es war nicht zu vermeiden, die Hökerfrau fragte
und ſchwatzte zu viel, und ſo mußte er endlich
reden.
Er war beruhigt und zufrieden, ſobald er
ſeine eigene Stimme vernahm; etwas Singendes
und Getragenes lag darin, eine feierliche und
gleichſam melancholiſche Würde, die, wie er
überzeugt war, Eindruck machen mußte. Er
hatte ſich kaum je ſo reden hören, und indem
er ſprach, wurde ihm das Reden ſelbſt zum
Genuß, wie dem Sänger der Geſang. Auf der
Brücke, unter die hinein der blau-grüne See
ſeine Wellen ſchlug, hielt er abermals an. Ueber
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