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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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Atemzüge des Kranken, welche ihr mit jeder
Minute regelmäßiger zu werden schienen.

Die Aufregungen des Tages hatten sie doch
stark mitgenommen und sie beschloß, ein wenig
zu schlafen, fand jedoch keine Ruhe. Gleichviel
ob sie die Augen öffnete oder schloß, unauf¬
hörlich zogen die Ereignisse der Vergangenheit
daran vorüber. Das Kleine schlief, sie hatte
sich entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit wenig
darum bekümmert. Sie war überhaupt eine
andre geworden. Nirgend eine Spur des früheren
Trotzes. Ja, dieser kranke Mann mit dem farb¬
losen, schweißglänzenden Gesicht regierte sie im
Schlaf.

Eine Wolke verdeckte die Mondkugel, es
wurde finster im Zimmer, und Lene hörte nur
noch das schwere aber gleichmäßige Atemholen
ihres Mannes. Sie überlegte, ob sie Licht
machen sollte. Es wurde ihr unheimlich im
Dunkeln; als sie aufstehen wollte, lag es ihr
bleiern in allen Gliedern, die Lider fielen ihr
zu, sie entschlief.

Nach Verlauf von einigen Stunden, als die
Männer mit der Kindesleiche zurückkehrten,
fanden Sie die Hausthüre weit offen. Ver¬
wundert über diesen Umstand stiegen sie die

Atemzüge des Kranken, welche ihr mit jeder
Minute regelmäßiger zu werden ſchienen.

Die Aufregungen des Tages hatten ſie doch
ſtark mitgenommen und ſie beſchloß, ein wenig
zu ſchlafen, fand jedoch keine Ruhe. Gleichviel
ob ſie die Augen öffnete oder ſchloß, unauf¬
hörlich zogen die Ereigniſſe der Vergangenheit
daran vorüber. Das Kleine ſchlief, ſie hatte
ſich entgegen ihrer ſonſtigen Gewohnheit wenig
darum bekümmert. Sie war überhaupt eine
andre geworden. Nirgend eine Spur des früheren
Trotzes. Ja, dieſer kranke Mann mit dem farb¬
loſen, ſchweißglänzenden Geſicht regierte ſie im
Schlaf.

Eine Wolke verdeckte die Mondkugel, es
wurde finſter im Zimmer, und Lene hörte nur
noch das ſchwere aber gleichmäßige Atemholen
ihres Mannes. Sie überlegte, ob ſie Licht
machen ſollte. Es wurde ihr unheimlich im
Dunkeln; als ſie aufſtehen wollte, lag es ihr
bleiern in allen Gliedern, die Lider fielen ihr
zu, ſie entſchlief.

Nach Verlauf von einigen Stunden, als die
Männer mit der Kindesleiche zurückkehrten,
fanden Sie die Hausthüre weit offen. Ver¬
wundert über dieſen Umſtand ſtiegen ſie die

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[61/0073] Atemzüge des Kranken, welche ihr mit jeder Minute regelmäßiger zu werden ſchienen. Die Aufregungen des Tages hatten ſie doch ſtark mitgenommen und ſie beſchloß, ein wenig zu ſchlafen, fand jedoch keine Ruhe. Gleichviel ob ſie die Augen öffnete oder ſchloß, unauf¬ hörlich zogen die Ereigniſſe der Vergangenheit daran vorüber. Das Kleine ſchlief, ſie hatte ſich entgegen ihrer ſonſtigen Gewohnheit wenig darum bekümmert. Sie war überhaupt eine andre geworden. Nirgend eine Spur des früheren Trotzes. Ja, dieſer kranke Mann mit dem farb¬ loſen, ſchweißglänzenden Geſicht regierte ſie im Schlaf. Eine Wolke verdeckte die Mondkugel, es wurde finſter im Zimmer, und Lene hörte nur noch das ſchwere aber gleichmäßige Atemholen ihres Mannes. Sie überlegte, ob ſie Licht machen ſollte. Es wurde ihr unheimlich im Dunkeln; als ſie aufſtehen wollte, lag es ihr bleiern in allen Gliedern, die Lider fielen ihr zu, ſie entſchlief. Nach Verlauf von einigen Stunden, als die Männer mit der Kindesleiche zurückkehrten, fanden Sie die Hausthüre weit offen. Ver¬ wundert über dieſen Umſtand ſtiegen ſie die

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/73>, abgerufen am 04.12.2024.