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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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mühsam durch den tiefen Sand und hatte aller¬
hand Blumen darauf liegen, die Tobias ge¬
sammelt hatte.

Der Junge war ausnehmend lustig, er hüpfte
in seinem braunen Plüschmützchen zwischen den
Farrenkräutern umher und suchte auf eine frei¬
lich etwas unbeholfene Art die glasflügligen
Libellen zu fangen, die darüber hingaukelten.
Sobald man angelangt war, nahm Lene den
Acker in Augenschein. Sie warf das Säckchen
mit Kartoffelstücken, welches sie zur Saat mit¬
gebracht hatte, auf den Grasrand eines kleinen
Birkengehölzes, kniete nieder und ließ den etwas
dunkel gefärbten Sand durch ihre harten Finger
laufen.

Thiel beobachtete sie gespannt: "Nun, wie
ist er?"

"Reichlich so gut wie die Spreeecke!" Dem
Wärter fiel eine Last von der Seele. Er hatte
gefürchtet, sie würde unzufrieden sein, und kratzte
beruhigt seine Bartstoppeln.

Nachdem die Frau hastig eine dicke Brot¬
kante verzehrt hatte, warf sie Tuch und Jacke
fort und begann zu graben, mit der Geschwin¬
digkeit und Ausdauer einer Maschine. In be¬
stimmten Zwischenräumen richtete sie sich auf

mühſam durch den tiefen Sand und hatte aller¬
hand Blumen darauf liegen, die Tobias ge¬
ſammelt hatte.

Der Junge war ausnehmend luſtig, er hüpfte
in ſeinem braunen Plüſchmützchen zwiſchen den
Farrenkräutern umher und ſuchte auf eine frei¬
lich etwas unbeholfene Art die glasflügligen
Libellen zu fangen, die darüber hingaukelten.
Sobald man angelangt war, nahm Lene den
Acker in Augenſchein. Sie warf das Säckchen
mit Kartoffelſtücken, welches ſie zur Saat mit¬
gebracht hatte, auf den Grasrand eines kleinen
Birkengehölzes, kniete nieder und ließ den etwas
dunkel gefärbten Sand durch ihre harten Finger
laufen.

Thiel beobachtete ſie geſpannt: „Nun, wie
iſt er?“

„Reichlich ſo gut wie die Spreeecke!“ Dem
Wärter fiel eine Laſt von der Seele. Er hatte
gefürchtet, ſie würde unzufrieden ſein, und kratzte
beruhigt ſeine Bartſtoppeln.

Nachdem die Frau haſtig eine dicke Brot¬
kante verzehrt hatte, warf ſie Tuch und Jacke
fort und begann zu graben, mit der Geſchwin¬
digkeit und Ausdauer einer Maſchine. In be¬
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[40/0052] mühſam durch den tiefen Sand und hatte aller¬ hand Blumen darauf liegen, die Tobias ge¬ ſammelt hatte. Der Junge war ausnehmend luſtig, er hüpfte in ſeinem braunen Plüſchmützchen zwiſchen den Farrenkräutern umher und ſuchte auf eine frei¬ lich etwas unbeholfene Art die glasflügligen Libellen zu fangen, die darüber hingaukelten. Sobald man angelangt war, nahm Lene den Acker in Augenſchein. Sie warf das Säckchen mit Kartoffelſtücken, welches ſie zur Saat mit¬ gebracht hatte, auf den Grasrand eines kleinen Birkengehölzes, kniete nieder und ließ den etwas dunkel gefärbten Sand durch ihre harten Finger laufen. Thiel beobachtete ſie geſpannt: „Nun, wie iſt er?“ „Reichlich ſo gut wie die Spreeecke!“ Dem Wärter fiel eine Laſt von der Seele. Er hatte gefürchtet, ſie würde unzufrieden ſein, und kratzte beruhigt ſeine Bartſtoppeln. Nachdem die Frau haſtig eine dicke Brot¬ kante verzehrt hatte, warf ſie Tuch und Jacke fort und begann zu graben, mit der Geſchwin¬ digkeit und Ausdauer einer Maſchine. In be¬ ſtimmten Zwiſchenräumen richtete ſie ſich auf

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/52>, abgerufen am 04.12.2024.