Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.all seiner Unterlassungssünden überkam ihn eine Eine Zeit lang hatte er so gelegen, als er Ein Brausen und Sausen füllte sein Ohr, Es war stockdunkel, er wollte einen Blick all ſeiner Unterlaſſungsſünden überkam ihn eine Eine Zeit lang hatte er ſo gelegen, als er Ein Brauſen und Sauſen füllte ſein Ohr, Es war ſtockdunkel, er wollte einen Blick <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0043" n="31"/> all ſeiner Unterlaſſungsſünden überkam ihn eine<lb/> ſchwere Müdigkeit, und ſo entſchlief er mit ge¬<lb/> krümmtem Rücken, die Stirn auf die Hand,<lb/> dieſe auf den Tiſch gelegt.</p><lb/> <p>Eine Zeit lang hatte er ſo gelegen, als er<lb/> mit erſtickter Stimme mehrmals den Namen<lb/> „Minna“ rief.</p><lb/> <p>Ein Brauſen und Sauſen füllte ſein Ohr,<lb/> wie von unermeßlichen Waſſermaſſen, es wurde<lb/> dunkel um ihn, er riß die Augen auf und er¬<lb/> wachte. Seine Glieder flogen, der Angſtſchweiß<lb/> drang ihm aus allen Poren, ſein Puls ging<lb/> unregelmäßig, ſein Geſicht war naß von Thränen.</p><lb/> <p>Es war ſtockdunkel, er wollte einen Blick<lb/> nach der Thür werfen, ohne zu wiſſen, wohin<lb/> er ſich wenden ſollte. Taumelnd erhob er ſich,<lb/> noch immer währte ſeine Herzensangſt. Der<lb/> Wald draußen rauſchte wie Meeresbrandung,<lb/> der Wind warf Hagel und Regen gegen die<lb/> Fenſter des Häuschens. Thiel taſtete ratlos<lb/> mit den Händen umher. Einen Augenblick kam<lb/> er ſich vor wie ein Ertrinkender — da plötzlich<lb/> flammte es bläulich blendend auf, wie wenn<lb/> Tropfen überirdiſchen Lichtes in die dunkle Erd¬<lb/> atmoſphäre herabſänken, um ſogleich von ihr<lb/> erſtickt zu werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0043]
all ſeiner Unterlaſſungsſünden überkam ihn eine
ſchwere Müdigkeit, und ſo entſchlief er mit ge¬
krümmtem Rücken, die Stirn auf die Hand,
dieſe auf den Tiſch gelegt.
Eine Zeit lang hatte er ſo gelegen, als er
mit erſtickter Stimme mehrmals den Namen
„Minna“ rief.
Ein Brauſen und Sauſen füllte ſein Ohr,
wie von unermeßlichen Waſſermaſſen, es wurde
dunkel um ihn, er riß die Augen auf und er¬
wachte. Seine Glieder flogen, der Angſtſchweiß
drang ihm aus allen Poren, ſein Puls ging
unregelmäßig, ſein Geſicht war naß von Thränen.
Es war ſtockdunkel, er wollte einen Blick
nach der Thür werfen, ohne zu wiſſen, wohin
er ſich wenden ſollte. Taumelnd erhob er ſich,
noch immer währte ſeine Herzensangſt. Der
Wald draußen rauſchte wie Meeresbrandung,
der Wind warf Hagel und Regen gegen die
Fenſter des Häuschens. Thiel taſtete ratlos
mit den Händen umher. Einen Augenblick kam
er ſich vor wie ein Ertrinkender — da plötzlich
flammte es bläulich blendend auf, wie wenn
Tropfen überirdiſchen Lichtes in die dunkle Erd¬
atmoſphäre herabſänken, um ſogleich von ihr
erſtickt zu werden.
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Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/43>, abgerufen am 16.07.2024. |