Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.die Höhe, erst die Schäfte der Kiefern, weiter Ein Keuchen und Brausen schwoll stoßweise die Höhe, erſt die Schäfte der Kiefern, weiter Ein Keuchen und Brauſen ſchwoll ſtoßweiſe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0039" n="27"/> die Höhe, erſt die Schäfte der Kiefern, weiter<lb/> den größten Teil ihrer Kronen in kaltem Ver¬<lb/> weſungslichte zurücklaſſend, zuletzt nur noch den<lb/> äußerſten Rand der Wipfel mit einem rötlichen<lb/> Schimmer ſtreifend. Lautlos und feierlich voll¬<lb/> zog ſich das erhabene Schauſpiel. Der Wärter<lb/> ſtand noch immer regungslos an der Barriere,<lb/> endlich trat er einen Schritt vor, ein dunkler<lb/> Punkt am Horizonte, da wo die Gleiſe ſich<lb/> trafen, vergrößerte ſich. Von Sekunde zu Sekunde<lb/> wachſend, ſchien er doch auf einer Stelle zu<lb/> ſtehen. Plötzlich bekam er Bewegung und<lb/> näherte ſich. Durch die Geleiſe ging ein Vibrieren<lb/> und Summen, ein rhythmiſches Geklirr, ein<lb/> dumpfes Getöſe, das lauter und lauter werdend,<lb/> zuletzt den Hufſchlägen eines heranbrauſenden<lb/> Reitergeſchwaders nicht unähnlich war.</p><lb/> <p>Ein Keuchen und Brauſen ſchwoll ſtoßweiſe<lb/> fernher durch die Luft; dann plötzlich zerriß die<lb/> Stille, ein raſendes Toſen und Toben erfüllte<lb/> den Raum, die Gleiſe bogen ſich, die Erde<lb/> zitterte — ein ſtarker Luftdruck — eine Wolke<lb/> von Staub, Dampf und Qualm, und das<lb/> ſchwarze, ſchnaubende Ungetüm war vorüber.<lb/> So wie ſie anwuchſen, ſtarben nach und nach<lb/> die Geräuſche. Der Dunſt verzog ſich, zum<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0039]
die Höhe, erſt die Schäfte der Kiefern, weiter
den größten Teil ihrer Kronen in kaltem Ver¬
weſungslichte zurücklaſſend, zuletzt nur noch den
äußerſten Rand der Wipfel mit einem rötlichen
Schimmer ſtreifend. Lautlos und feierlich voll¬
zog ſich das erhabene Schauſpiel. Der Wärter
ſtand noch immer regungslos an der Barriere,
endlich trat er einen Schritt vor, ein dunkler
Punkt am Horizonte, da wo die Gleiſe ſich
trafen, vergrößerte ſich. Von Sekunde zu Sekunde
wachſend, ſchien er doch auf einer Stelle zu
ſtehen. Plötzlich bekam er Bewegung und
näherte ſich. Durch die Geleiſe ging ein Vibrieren
und Summen, ein rhythmiſches Geklirr, ein
dumpfes Getöſe, das lauter und lauter werdend,
zuletzt den Hufſchlägen eines heranbrauſenden
Reitergeſchwaders nicht unähnlich war.
Ein Keuchen und Brauſen ſchwoll ſtoßweiſe
fernher durch die Luft; dann plötzlich zerriß die
Stille, ein raſendes Toſen und Toben erfüllte
den Raum, die Gleiſe bogen ſich, die Erde
zitterte — ein ſtarker Luftdruck — eine Wolke
von Staub, Dampf und Qualm, und das
ſchwarze, ſchnaubende Ungetüm war vorüber.
So wie ſie anwuchſen, ſtarben nach und nach
die Geräuſche. Der Dunſt verzog ſich, zum
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Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/39>, abgerufen am 30.07.2024. |