Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Mit dem Menschen ist nicht auszukommen! sagten sie, als sie in meinem Gasthofe die Treppe hinabstiegen, und ich konnte es noch deutlich hören. Jetzt will er wieder schlafen von neun Uhr an und leben wie ein Murmelthier; wer hätte das gedacht vor vier Jahren!

Sie hatten nicht Unrecht, die Freunde, daß sie mich in Unmuth verließen. Gab es ja doch heute Abend eines der glänzendsten musikalischen, tanzenden und deklamirenden Butterbrode in der Stadt, und hatten sie sich nicht alle mögliche Mühe gegeben, mir, dem Landfremden, einen angenehmen Abend dort zu verschaffen? Aber es war wahrhaftig unmöglich, ich konnte nicht gehen. Warum sollte ich einen tanzenden Thee besuchen, wo sie nicht tanzte, warum einsingendes Butterbrod, wo ich (ich wußte es zum voraus) hätte singen müssen, ohne von ihr gehört zu werden; warum einen trauten Kreis von Freunden durch Trübsinn und finsteres Wesen stören, das ich nun heute nicht verbannen konnte? O Gott! ich wollte ja lieber, daß sie mir auf der Treppe einige Sekunden fluchten, als daß sie sich von neun Uhr bis ein Uhr langweilten, wenn sie nur mit meinem Körper sich unterhielten

Mit dem Menschen ist nicht auszukommen! sagten sie, als sie in meinem Gasthofe die Treppe hinabstiegen, und ich konnte es noch deutlich hören. Jetzt will er wieder schlafen von neun Uhr an und leben wie ein Murmelthier; wer hätte das gedacht vor vier Jahren!

Sie hatten nicht Unrecht, die Freunde, daß sie mich in Unmuth verließen. Gab es ja doch heute Abend eines der glänzendsten musikalischen, tanzenden und deklamirenden Butterbrode in der Stadt, und hatten sie sich nicht alle mögliche Mühe gegeben, mir, dem Landfremden, einen angenehmen Abend dort zu verschaffen? Aber es war wahrhaftig unmöglich, ich konnte nicht gehen. Warum sollte ich einen tanzenden Thee besuchen, wo sie nicht tanzte, warum einsingendes Butterbrod, wo ich (ich wußte es zum voraus) hätte singen müssen, ohne von ihr gehört zu werden; warum einen trauten Kreis von Freunden durch Trübsinn und finsteres Wesen stören, das ich nun heute nicht verbannen konnte? O Gott! ich wollte ja lieber, daß sie mir auf der Treppe einige Sekunden fluchten, als daß sie sich von neun Uhr bis ein Uhr langweilten, wenn sie nur mit meinem Körper sich unterhielten

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0007"/>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p>Mit dem Menschen ist nicht auszukommen! sagten sie, als sie in meinem Gasthofe die                Treppe hinabstiegen, und ich konnte es noch deutlich hören. Jetzt will er wieder                schlafen von neun Uhr an und leben wie ein Murmelthier; wer hätte das gedacht vor                vier Jahren!</p><lb/>
        <p>Sie hatten nicht Unrecht, die Freunde, daß sie mich in Unmuth verließen. Gab es ja                doch heute Abend eines der glänzendsten musikalischen, tanzenden und deklamirenden                Butterbrode in der Stadt, und hatten sie sich nicht alle mögliche Mühe gegeben, mir,                dem Landfremden, einen angenehmen Abend dort zu verschaffen? Aber es war wahrhaftig                unmöglich, ich konnte nicht gehen. Warum sollte ich einen tanzenden Thee besuchen, wo                sie nicht tanzte, warum einsingendes Butterbrod, wo ich (ich wußte es zum voraus)                hätte singen müssen, ohne von ihr gehört zu werden; warum einen trauten Kreis von                Freunden durch Trübsinn und finsteres Wesen stören, das ich nun heute nicht verbannen                konnte? O Gott! ich wollte ja lieber, daß sie mir auf der Treppe einige Sekunden                fluchten, als daß sie sich von neun Uhr bis ein Uhr langweilten, wenn sie nur mit                meinem Körper sich unterhielten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0007] Mit dem Menschen ist nicht auszukommen! sagten sie, als sie in meinem Gasthofe die Treppe hinabstiegen, und ich konnte es noch deutlich hören. Jetzt will er wieder schlafen von neun Uhr an und leben wie ein Murmelthier; wer hätte das gedacht vor vier Jahren! Sie hatten nicht Unrecht, die Freunde, daß sie mich in Unmuth verließen. Gab es ja doch heute Abend eines der glänzendsten musikalischen, tanzenden und deklamirenden Butterbrode in der Stadt, und hatten sie sich nicht alle mögliche Mühe gegeben, mir, dem Landfremden, einen angenehmen Abend dort zu verschaffen? Aber es war wahrhaftig unmöglich, ich konnte nicht gehen. Warum sollte ich einen tanzenden Thee besuchen, wo sie nicht tanzte, warum einsingendes Butterbrod, wo ich (ich wußte es zum voraus) hätte singen müssen, ohne von ihr gehört zu werden; warum einen trauten Kreis von Freunden durch Trübsinn und finsteres Wesen stören, das ich nun heute nicht verbannen konnte? O Gott! ich wollte ja lieber, daß sie mir auf der Treppe einige Sekunden fluchten, als daß sie sich von neun Uhr bis ein Uhr langweilten, wenn sie nur mit meinem Körper sich unterhielten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/7
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/7>, abgerufen am 26.12.2024.