Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Es ging zuerst wieder durch einen großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einen engern schmalen Gang zusammenlief. Dumpf dröhnten unsere Schritte in diesem Hohlweg, und unsere Athemzüge tönten, wenn sie an den Mauern sich brachen, wie fernes Geflüster. Endlich standen wir vor einer Thüre, die Schlüssel rasselten, sie gähnte ächzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewölbe, mir gegenüber saß Freund Bacchus auf einem mächtigen Weinfaß. Erquickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargestellt, die alten Bremer Künstler, nicht zierlich als einen griechischen Jüngling; sie hatten ihn nicht alt und trunken sich gedacht, mit gräßlichem Bauch, verdrehten Augen und hängender Zunge, wie ihn die gemein gewordene Mythe hin und wieder gotteslästerlich abkonterfeit. Schmählicher Anthropomorphismus! blinde Thorheit des Menschen! weil einige seiner im Dienste ergrauten Priester also einhergehen, weil ihnen voll guten Muthes der Leib anschwoll, die Nase von dem brennenden Widerscheine der dunkelrothen Fluth sich färbte, das in stummer Wonne aufwärts gerichtete Auge stehen blieb, -- so legten sie dem Gott bei, was seine Diener schmückt! Anders die Männer von Bremen. Wie fröhlich und munter reitet der alte Knabe auf dem Faß! Das runde blühende Gesicht, die kleinen muntern Weinäuglein, die so klug und neckend herabsehen, der breite lächelnde Mund, der sich an mancher Kanne schon ver- Es ging zuerst wieder durch einen großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einen engern schmalen Gang zusammenlief. Dumpf dröhnten unsere Schritte in diesem Hohlweg, und unsere Athemzüge tönten, wenn sie an den Mauern sich brachen, wie fernes Geflüster. Endlich standen wir vor einer Thüre, die Schlüssel rasselten, sie gähnte ächzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewölbe, mir gegenüber saß Freund Bacchus auf einem mächtigen Weinfaß. Erquickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargestellt, die alten Bremer Künstler, nicht zierlich als einen griechischen Jüngling; sie hatten ihn nicht alt und trunken sich gedacht, mit gräßlichem Bauch, verdrehten Augen und hängender Zunge, wie ihn die gemein gewordene Mythe hin und wieder gotteslästerlich abkonterfeit. Schmählicher Anthropomorphismus! blinde Thorheit des Menschen! weil einige seiner im Dienste ergrauten Priester also einhergehen, weil ihnen voll guten Muthes der Leib anschwoll, die Nase von dem brennenden Widerscheine der dunkelrothen Fluth sich färbte, das in stummer Wonne aufwärts gerichtete Auge stehen blieb, — so legten sie dem Gott bei, was seine Diener schmückt! Anders die Männer von Bremen. Wie fröhlich und munter reitet der alte Knabe auf dem Faß! Das runde blühende Gesicht, die kleinen muntern Weinäuglein, die so klug und neckend herabsehen, der breite lächelnde Mund, der sich an mancher Kanne schon ver- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0015"/> Es ging zuerst wieder durch einen großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einen engern schmalen Gang zusammenlief. Dumpf dröhnten unsere Schritte in diesem Hohlweg, und unsere Athemzüge tönten, wenn sie an den Mauern sich brachen, wie fernes Geflüster. Endlich standen wir vor einer Thüre, die Schlüssel rasselten, sie gähnte ächzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewölbe, mir gegenüber saß Freund Bacchus auf einem mächtigen Weinfaß. Erquickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargestellt, die alten Bremer Künstler, nicht zierlich als einen griechischen Jüngling; sie hatten ihn nicht alt und trunken sich gedacht, mit gräßlichem Bauch, verdrehten Augen und hängender Zunge, wie ihn die gemein gewordene Mythe hin und wieder gotteslästerlich abkonterfeit. Schmählicher Anthropomorphismus! blinde Thorheit des Menschen! weil einige seiner im Dienste ergrauten Priester also einhergehen, weil ihnen voll guten Muthes der Leib anschwoll, die Nase von dem brennenden Widerscheine der dunkelrothen Fluth sich färbte, das in stummer Wonne aufwärts gerichtete Auge stehen blieb, — so legten sie dem Gott bei, was seine Diener schmückt!</p><lb/> <p>Anders die Männer von Bremen. Wie fröhlich und munter reitet der alte Knabe auf dem Faß! Das runde blühende Gesicht, die kleinen muntern Weinäuglein, die so klug und neckend herabsehen, der breite lächelnde Mund, der sich an mancher Kanne schon ver-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Es ging zuerst wieder durch einen großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einen engern schmalen Gang zusammenlief. Dumpf dröhnten unsere Schritte in diesem Hohlweg, und unsere Athemzüge tönten, wenn sie an den Mauern sich brachen, wie fernes Geflüster. Endlich standen wir vor einer Thüre, die Schlüssel rasselten, sie gähnte ächzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewölbe, mir gegenüber saß Freund Bacchus auf einem mächtigen Weinfaß. Erquickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargestellt, die alten Bremer Künstler, nicht zierlich als einen griechischen Jüngling; sie hatten ihn nicht alt und trunken sich gedacht, mit gräßlichem Bauch, verdrehten Augen und hängender Zunge, wie ihn die gemein gewordene Mythe hin und wieder gotteslästerlich abkonterfeit. Schmählicher Anthropomorphismus! blinde Thorheit des Menschen! weil einige seiner im Dienste ergrauten Priester also einhergehen, weil ihnen voll guten Muthes der Leib anschwoll, die Nase von dem brennenden Widerscheine der dunkelrothen Fluth sich färbte, das in stummer Wonne aufwärts gerichtete Auge stehen blieb, — so legten sie dem Gott bei, was seine Diener schmückt!
Anders die Männer von Bremen. Wie fröhlich und munter reitet der alte Knabe auf dem Faß! Das runde blühende Gesicht, die kleinen muntern Weinäuglein, die so klug und neckend herabsehen, der breite lächelnde Mund, der sich an mancher Kanne schon ver-
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