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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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"Was thut Ihr aber so spät noch im Raths¬
keller, Herr Doctor," fragte Bachus etwas
sanfter als der Apostel, "um diese Zeit pflegt
sonst das Erdenvolk zu schlafen."

"Euer Excellenz," erwiederte ich, "das
hat seinen guten Grund. Ich bin ein portirter
Freund des edlen Getränkes, das man hier
unten verzapft, habe auch durch die Vergün¬
stigung eines wohledlen Senats die Permission
erhalten, denen Herren Aposteln und der Jung¬
frau Rose meinen Besuch abzustatten, was ich
auch geziemendst gethan."

"Also Ihr trinkt gerne Rheinwein?" fuhr
Bachus fort; "nun das ist eine gute Eigen¬
schaft und sehr zu loben in dieser Zeit, wo die
Menschen so kalt geworden sind gegen diese
goldene Quelle."

"Ja, der Teufel hole sie All'!" rief Judas,
"keiner will mehr einige Maas Rheinwein trin¬
ken, außer hie und da solch' ein fahrender

„Was thut Ihr aber ſo ſpaͤt noch im Raths¬
keller, Herr Doctor,“ fragte Bachus etwas
ſanfter als der Apoſtel, „um dieſe Zeit pflegt
ſonſt das Erdenvolk zu ſchlafen.“

„Euer Excellenz,“ erwiederte ich, „das
hat ſeinen guten Grund. Ich bin ein portirter
Freund des edlen Getraͤnkes, das man hier
unten verzapft, habe auch durch die Verguͤn¬
ſtigung eines wohledlen Senats die Permiſſion
erhalten, denen Herren Apoſteln und der Jung¬
frau Roſe meinen Beſuch abzuſtatten, was ich
auch geziemendſt gethan.“

„Alſo Ihr trinkt gerne Rheinwein?“ fuhr
Bachus fort; „nun das iſt eine gute Eigen¬
ſchaft und ſehr zu loben in dieſer Zeit, wo die
Menſchen ſo kalt geworden ſind gegen dieſe
goldene Quelle.“

„Ja, der Teufel hole ſie All'!“ rief Judas,
„keiner will mehr einige Maas Rheinwein trin¬
ken, außer hie und da ſolch' ein fahrender

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[70/0076] „Was thut Ihr aber ſo ſpaͤt noch im Raths¬ keller, Herr Doctor,“ fragte Bachus etwas ſanfter als der Apoſtel, „um dieſe Zeit pflegt ſonſt das Erdenvolk zu ſchlafen.“ „Euer Excellenz,“ erwiederte ich, „das hat ſeinen guten Grund. Ich bin ein portirter Freund des edlen Getraͤnkes, das man hier unten verzapft, habe auch durch die Verguͤn¬ ſtigung eines wohledlen Senats die Permiſſion erhalten, denen Herren Apoſteln und der Jung¬ frau Roſe meinen Beſuch abzuſtatten, was ich auch geziemendſt gethan.“ „Alſo Ihr trinkt gerne Rheinwein?“ fuhr Bachus fort; „nun das iſt eine gute Eigen¬ ſchaft und ſehr zu loben in dieſer Zeit, wo die Menſchen ſo kalt geworden ſind gegen dieſe goldene Quelle.“ „Ja, der Teufel hole ſie All'!“ rief Judas, „keiner will mehr einige Maas Rheinwein trin¬ ken, außer hie und da ſolch' ein fahrender

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/76>, abgerufen am 24.11.2024.