Und gedenkst denn auch du der Rosentage deiner Jugend, o Seele? der sanften Reben¬ hügel der Heimath, des blauen Stromes und der blühenden Thäler des Schwabenlandes? O Wonnezeit voll holder Träume! wie reich bist du behängt mit Bilderbüchern, Christ¬ bäumen, Mutterliebe, Osterwochen und Oster¬ eiern, mit Blumen und Vögeln, Armeen aus Blei und Papier und den ersten Hös'chen und Collet'chen, in welche sich deine kleine sterb¬ liche Hülle, stolz auf ihre Größe, kleiden ließ. Und wie dich der selige Vater auf den Knieen schaukelte, und dir der Großvater gerne das lange Meerrohr mit dem goldenen Knopf abtrat, um es dir als Reitpferd zu leihen!
Und rücke mit dem nächsten Glase um einige Jahre vorwärts! Erinnerst du dich des Morgens, als sie dich hineinführten zu einem wohlbekannten Mann, dessen Gesicht so blaß geworden war, dessen Hand du weinend kü߬
Und gedenkſt denn auch du der Roſentage deiner Jugend, o Seele? der ſanften Reben¬ huͤgel der Heimath, des blauen Stromes und der bluͤhenden Thaͤler des Schwabenlandes? O Wonnezeit voll holder Traͤume! wie reich biſt du behaͤngt mit Bilderbuͤchern, Chriſt¬ baͤumen, Mutterliebe, Oſterwochen und Oſter¬ eiern, mit Blumen und Voͤgeln, Armeen aus Blei und Papier und den erſten Hoͤs'chen und Collet'chen, in welche ſich deine kleine ſterb¬ liche Huͤlle, ſtolz auf ihre Groͤße, kleiden ließ. Und wie dich der ſelige Vater auf den Knieen ſchaukelte, und dir der Großvater gerne das lange Meerrohr mit dem goldenen Knopf abtrat, um es dir als Reitpferd zu leihen!
Und ruͤcke mit dem naͤchſten Glaſe um einige Jahre vorwaͤrts! Erinnerſt du dich des Morgens, als ſie dich hineinfuͤhrten zu einem wohlbekannten Mann, deſſen Geſicht ſo blaß geworden war, deſſen Hand du weinend kuͤ߬
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Und gedenkſt denn auch du der Roſentage
deiner Jugend, o Seele? der ſanften Reben¬
huͤgel der Heimath, des blauen Stromes und
der bluͤhenden Thaͤler des Schwabenlandes?
O Wonnezeit voll holder Traͤume! wie reich
biſt du behaͤngt mit Bilderbuͤchern, Chriſt¬
baͤumen, Mutterliebe, Oſterwochen und Oſter¬
eiern, mit Blumen und Voͤgeln, Armeen aus
Blei und Papier und den erſten Hoͤs'chen und
Collet'chen, in welche ſich deine kleine ſterb¬
liche Huͤlle, ſtolz auf ihre Groͤße, kleiden ließ.
Und wie dich der ſelige Vater auf den Knieen
ſchaukelte, und dir der Großvater gerne das lange
Meerrohr mit dem goldenen Knopf abtrat,
um es dir als Reitpferd zu leihen!
Und ruͤcke mit dem naͤchſten Glaſe um
einige Jahre vorwaͤrts! Erinnerſt du dich des
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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/40>, abgerufen am 16.07.2024.
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