zu entgegnen nahm er die Kerzen und winkte mir zu folgen. Es ging zuerst wieder durch den großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einem engern schmalen Gang zu¬ sammenlief. Dumpf tönten unsere Schritte in diesem Hohlweg, und unsere Athemzüge tönten, wenn sie an den Mauern sich brachen, wie fernes Geflüster. Endlich standen wir vor einer Thüre, die Schlüssel rasselten, sie gähn¬ te ächzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewölbe, mir gegenüber saß Freund Bachus auf einem mächtigen Weinfaß. Er¬ quickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargestellt, die alten Bremer Künst¬ ler, nicht zierlich als einen griechischen Jüng¬ ling; sie hatten ihn nicht alt und trunken sich gedacht, mit gräßlichem Bauch, verdrehten Augen und hängender Zunge, wie ihn die ge¬ mein gewordene Mythe hin und wieder got¬ teslästerlich abconterfeit. Schmächlicher An¬
zu entgegnen nahm er die Kerzen und winkte mir zu folgen. Es ging zuerſt wieder durch den großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einem engern ſchmalen Gang zu¬ ſammenlief. Dumpf toͤnten unſere Schritte in dieſem Hohlweg, und unſere Athemzuͤge toͤnten, wenn ſie an den Mauern ſich brachen, wie fernes Gefluͤſter. Endlich ſtanden wir vor einer Thuͤre, die Schluͤſſel raſſelten, ſie gaͤhn¬ te aͤchzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewoͤlbe, mir gegenuͤber ſaß Freund Bachus auf einem maͤchtigen Weinfaß. Er¬ quickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargeſtellt, die alten Bremer Kuͤnſt¬ ler, nicht zierlich als einen griechiſchen Juͤng¬ ling; ſie hatten ihn nicht alt und trunken ſich gedacht, mit graͤßlichem Bauch, verdrehten Augen und haͤngender Zunge, wie ihn die ge¬ mein gewordene Mythe hin und wieder got¬ teslaͤſterlich abconterfeit. Schmaͤchlicher An¬
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zu entgegnen nahm er die Kerzen und winkte
mir zu folgen. Es ging zuerſt wieder durch
den großen Keller, dann durch kleinere, bis
der Weg in einem engern ſchmalen Gang zu¬
ſammenlief. Dumpf toͤnten unſere Schritte
in dieſem Hohlweg, und unſere Athemzuͤge
toͤnten, wenn ſie an den Mauern ſich brachen,
wie fernes Gefluͤſter. Endlich ſtanden wir vor
einer Thuͤre, die Schluͤſſel raſſelten, ſie gaͤhn¬
te aͤchzend auf, der Schein der Lichter fiel
in das Gewoͤlbe, mir gegenuͤber ſaß Freund
Bachus auf einem maͤchtigen Weinfaß. Er¬
quickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart
und fein dargeſtellt, die alten Bremer Kuͤnſt¬
ler, nicht zierlich als einen griechiſchen Juͤng¬
ling; ſie hatten ihn nicht alt und trunken ſich
gedacht, mit graͤßlichem Bauch, verdrehten
Augen und haͤngender Zunge, wie ihn die ge¬
mein gewordene Mythe hin und wieder got¬
teslaͤſterlich abconterfeit. Schmaͤchlicher An¬
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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/26>, abgerufen am 16.07.2024.
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