Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893.Wie gelungen diese Compositionen sind, werden zwei Erwägungen besonders klar machen. Wenn ein oder zwei alte verloren gegangene Figuren in heutiger Zeit ersetzt worden sind, dann stechen diese neuen Gestalten gewöhnlich auf das unvorteilhafteste gegen ihre alte Genossen ab: die Gesichter ohne Besonderheit und Reiz, die Falten wie Leinwand, die künstlich über ein Modell gelegt und mit Gips hart gemacht ist, damit sich die verkünstelten Falten nicht verschieben, die ganze Haltung lahm und ohne Kraft. Wenn aber heutzutage die Aufgabe wäre, gar ein ganzes Portal z. B. mit den thörichten und weisen Jungfrauen auszustatten, die Schwierigkeiten, die es bereiten würde, sechs oder zwölf große Gewandfiguren nebeneinander in befriedigender Haltung und künstlerischer Vollendung zu erhalten, wird jeder Baumeister beurtheilen können, der mit Beschaffung derartigen bildhauerischen Schmuckes vertraut ist. Einzelne Figuren im Atelier zu schaffen, gelingt ja, besonders etwa wenn sie zur Hauptsache nackt sein können; Gewänder mißrathen schon öfter, aber ganze Gruppen von Figuren zu einem harmonischen Ganzen zu gestalten, das versuche man nur einmal und man wird Achtung vor den mittelalterlichen Meistern jener Zeit bekommen. Auf welche Figuren der romanischen Kunst mag aber Gurlitt wohl sein Urtheil begründen? Er nennt sie nicht. Unmöglich kann er die Wechselburger und Freiberger meinen, die zwar recht hervorragend aber doch befangen sind gegenüber den herrlichen oben angeführten Schöpfungen. Und auch sie kommen in ihrem schöneren Theile aus dem geschmähten 13. Jahrhundert. bleibt; so werden mir auch meine Bilderstürmer ein Crucifix oder Marienbild lassen müssen." Luth. Tom. 3. Jen. Fol. 39. b. "Ist nu nicht Sünde, sondern gut, daß ich Christi Bild im Herzen habe, warum soll es Sünde sein, wann ichs im Auge habe?" Luth. Tom. 3. Jen. Fol. 113. "Derohalben sind die äußerlichen Bilder, Gleichnis und Zeichen gut, und nützlich ein Ding dadurch vorzumahlen, zu fassen, und zu behalten. Ja sie dienen auch dazu, daß dem Teufel mit seinen feurigen Pfeilen, der uns mit hohen Gedanken und subtilen Fragen vom Worte abführen will gewehret, und wir dadurch solche helle und leichte Bilder, die ein jeder einfältiger Mensch wol fassen kann im rechten Verstand des Worts erhalten werden." Luth. Hauß-Postill. Sommertheil. 2. Blatt gedruckt zu Jena. Anno 1572. Wie gelungen diese Compositionen sind, werden zwei Erwägungen besonders klar machen. Wenn ein oder zwei alte verloren gegangene Figuren in heutiger Zeit ersetzt worden sind, dann stechen diese neuen Gestalten gewöhnlich auf das unvorteilhafteste gegen ihre alte Genossen ab: die Gesichter ohne Besonderheit und Reiz, die Falten wie Leinwand, die künstlich über ein Modell gelegt und mit Gips hart gemacht ist, damit sich die verkünstelten Falten nicht verschieben, die ganze Haltung lahm und ohne Kraft. Wenn aber heutzutage die Aufgabe wäre, gar ein ganzes Portal z. B. mit den thörichten und weisen Jungfrauen auszustatten, die Schwierigkeiten, die es bereiten würde, sechs oder zwölf große Gewandfiguren nebeneinander in befriedigender Haltung und künstlerischer Vollendung zu erhalten, wird jeder Baumeister beurtheilen können, der mit Beschaffung derartigen bildhauerischen Schmuckes vertraut ist. Einzelne Figuren im Atelier zu schaffen, gelingt ja, besonders etwa wenn sie zur Hauptsache nackt sein können; Gewänder mißrathen schon öfter, aber ganze Gruppen von Figuren zu einem harmonischen Ganzen zu gestalten, das versuche man nur einmal und man wird Achtung vor den mittelalterlichen Meistern jener Zeit bekommen. Auf welche Figuren der romanischen Kunst mag aber Gurlitt wohl sein Urtheil begründen? Er nennt sie nicht. Unmöglich kann er die Wechselburger und Freiberger meinen, die zwar recht hervorragend aber doch befangen sind gegenüber den herrlichen oben angeführten Schöpfungen. Und auch sie kommen in ihrem schöneren Theile aus dem geschmähten 13. Jahrhundert. bleibt; so werden mir auch meine Bilderstürmer ein Crucifix oder Marienbild lassen müssen.“ Luth. Tom. 3. Jen. Fol. 39. b. „Ist nu nicht Sünde, sondern gut, daß ich Christi Bild im Herzen habe, warum soll es Sünde sein, wann ichs im Auge habe?“ Luth. Tom. 3. Jen. Fol. 113. „Derohalben sind die äußerlichen Bilder, Gleichnis und Zeichen gut, und nützlich ein Ding dadurch vorzumahlen, zu fassen, und zu behalten. Ja sie dienen auch dazu, daß dem Teufel mit seinen feurigen Pfeilen, der uns mit hohen Gedanken und subtilen Fragen vom Worte abführen will gewehret, und wir dadurch solche helle und leichte Bilder, die ein jeder einfältiger Mensch wol fassen kann im rechten Verstand des Worts erhalten werden.“ Luth. Hauß-Postill. Sommertheil. 2. Blatt gedruckt zu Jena. Anno 1572. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0038" n="32"/> <p>Wie gelungen diese Compositionen sind, werden zwei Erwägungen besonders klar machen. 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Einzelne Figuren im Atelier zu schaffen, gelingt ja, besonders etwa wenn sie zur Hauptsache nackt sein können; Gewänder mißrathen schon öfter, aber ganze Gruppen von Figuren zu einem harmonischen Ganzen zu gestalten, das versuche man nur einmal und man wird Achtung vor den mittelalterlichen Meistern jener Zeit bekommen. Auf welche Figuren der romanischen Kunst mag aber Gurlitt wohl sein Urtheil begründen? Er nennt sie nicht. Unmöglich kann er die Wechselburger und Freiberger meinen, die zwar recht hervorragend aber doch befangen sind gegenüber den herrlichen oben angeführten Schöpfungen. Und auch sie kommen in ihrem schöneren Theile aus dem geschmähten 13. Jahrhundert.</p> <note xml:id="note2" prev="note1" place="foot" n="1)"><cit><quote>bleibt; so werden mir auch meine Bilderstürmer ein Crucifix oder Marienbild lassen müssen.“</quote><lb/><bibl>Luth. Tom. 3. Jen. 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Wie gelungen diese Compositionen sind, werden zwei Erwägungen besonders klar machen. Wenn ein oder zwei alte verloren gegangene Figuren in heutiger Zeit ersetzt worden sind, dann stechen diese neuen Gestalten gewöhnlich auf das unvorteilhafteste gegen ihre alte Genossen ab: die Gesichter ohne Besonderheit und Reiz, die Falten wie Leinwand, die künstlich über ein Modell gelegt und mit Gips hart gemacht ist, damit sich die verkünstelten Falten nicht verschieben, die ganze Haltung lahm und ohne Kraft. Wenn aber heutzutage die Aufgabe wäre, gar ein ganzes Portal z. B. mit den thörichten und weisen Jungfrauen auszustatten, die Schwierigkeiten, die es bereiten würde, sechs oder zwölf große Gewandfiguren nebeneinander in befriedigender Haltung und künstlerischer Vollendung zu erhalten, wird jeder Baumeister beurtheilen können, der mit Beschaffung derartigen bildhauerischen Schmuckes vertraut ist. Einzelne Figuren im Atelier zu schaffen, gelingt ja, besonders etwa wenn sie zur Hauptsache nackt sein können; Gewänder mißrathen schon öfter, aber ganze Gruppen von Figuren zu einem harmonischen Ganzen zu gestalten, das versuche man nur einmal und man wird Achtung vor den mittelalterlichen Meistern jener Zeit bekommen. Auf welche Figuren der romanischen Kunst mag aber Gurlitt wohl sein Urtheil begründen? Er nennt sie nicht. Unmöglich kann er die Wechselburger und Freiberger meinen, die zwar recht hervorragend aber doch befangen sind gegenüber den herrlichen oben angeführten Schöpfungen. Und auch sie kommen in ihrem schöneren Theile aus dem geschmähten 13. Jahrhundert.
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1) bleibt; so werden mir auch meine Bilderstürmer ein Crucifix oder Marienbild lassen müssen.“
Luth. Tom. 3. Jen. Fol. 39. b.
„Ist nu nicht Sünde, sondern gut, daß ich Christi Bild im Herzen habe, warum soll es Sünde sein, wann ichs im Auge habe?“
Luth. Tom. 3. Jen. Fol. 113. „Derohalben sind die äußerlichen Bilder, Gleichnis und Zeichen gut, und nützlich ein Ding dadurch vorzumahlen, zu fassen, und zu behalten. Ja sie dienen auch dazu, daß dem Teufel mit seinen feurigen Pfeilen, der uns mit hohen Gedanken und subtilen Fragen vom Worte abführen will gewehret, und wir dadurch solche helle und leichte Bilder, die ein jeder einfältiger Mensch wol fassen kann im rechten Verstand des Worts erhalten werden.“
Luth. Hauß-Postill. Sommertheil. 2. Blatt gedruckt zu Jena. Anno 1572.
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