Beim Gehen muß man das Kind ebenfalls an diesen Theilen halten, denn hier ist gleichsam sein Mittelpunkt, und von hier aus wird ihm das so nö- thige Gleichgewicht verliehen. Beim Führen an einem oder an beiden Armen, verliert das Kind sehr leicht das Gleichgewicht und fällt.
Doch bald bedarf das schon stärkere Kind nicht mehr des unterstützenden Armes und erfreut sich einer selbstständigen Bewegung. Von nun an muß man es täglich so viel wie möglich im Freien sich bewegen und spielen lassen.
Das Spielen ist mehr als Stärkungsmittel für den Körper, es ist zugleich die beste Schule für das Gemüth und für die Morgendämmerung des Ver- standes. Hier wird der Grund der reinsten Freund- schaften gelegt, deren Erinnerung für das ganze Leben werth und theuer bleibt, und wehe dem, dessen kaltes Herz die Gespielen seiner heitern Kinderjahre vergißt, und sein Gedächtniß nicht gerne zu den Mit- genossen seines Frühlings zurückführt.
Wie interessant ist es nicht bei den kleinen Spie- lenden, den künftigen Schauspielern auf der großen Bühne des Lebens, die keimenden Leidenschaften zu beobachten; das Bestreben es den Andern an Kraft und Gewandtheit bevorzuthun; den übermüthigen Mißbrauch der Macht und die edle Vertheidigung des Unterdrückten; die Empörung des Gemüthes
Beim Gehen muß man das Kind ebenfalls an dieſen Theilen halten, denn hier iſt gleichſam ſein Mittelpunkt, und von hier aus wird ihm das ſo noͤ- thige Gleichgewicht verliehen. Beim Fuͤhren an einem oder an beiden Armen, verliert das Kind ſehr leicht das Gleichgewicht und faͤllt.
Doch bald bedarf das ſchon ſtaͤrkere Kind nicht mehr des unterſtuͤtzenden Armes und erfreut ſich einer ſelbſtſtändigen Bewegung. Von nun an muß man es taͤglich ſo viel wie moͤglich im Freien ſich bewegen und ſpielen laſſen.
Das Spielen iſt mehr als Staͤrkungsmittel fuͤr den Koͤrper, es iſt zugleich die beſte Schule fuͤr das Gemuͤth und fuͤr die Morgendaͤmmerung des Ver- ſtandes. Hier wird der Grund der reinſten Freund- ſchaften gelegt, deren Erinnerung fuͤr das ganze Leben werth und theuer bleibt, und wehe dem, deſſen kaltes Herz die Geſpielen ſeiner heitern Kinderjahre vergißt, und ſein Gedaͤchtniß nicht gerne zu den Mit- genoſſen ſeines Fruͤhlings zuruͤckfuͤhrt.
Wie intereſſant iſt es nicht bei den kleinen Spie- lenden, den kuͤnftigen Schauſpielern auf der großen Buͤhne des Lebens, die keimenden Leidenſchaften zu beobachten; das Beſtreben es den Andern an Kraft und Gewandtheit bevorzuthun; den uͤbermuͤthigen Mißbrauch der Macht und die edle Vertheidigung des Unterdruͤckten; die Empoͤrung des Gemuͤthes
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Beim Gehen muß man das Kind ebenfalls an
dieſen Theilen halten, denn hier iſt gleichſam ſein
Mittelpunkt, und von hier aus wird ihm das ſo noͤ-
thige Gleichgewicht verliehen. Beim Fuͤhren an einem
oder an beiden Armen, verliert das Kind ſehr leicht
das Gleichgewicht und faͤllt.
Doch bald bedarf das ſchon ſtaͤrkere Kind nicht
mehr des unterſtuͤtzenden Armes und erfreut ſich einer
ſelbſtſtändigen Bewegung. Von nun an muß man es
taͤglich ſo viel wie moͤglich im Freien ſich bewegen
und ſpielen laſſen.
Das Spielen iſt mehr als Staͤrkungsmittel fuͤr
den Koͤrper, es iſt zugleich die beſte Schule fuͤr das
Gemuͤth und fuͤr die Morgendaͤmmerung des Ver-
ſtandes. Hier wird der Grund der reinſten Freund-
ſchaften gelegt, deren Erinnerung fuͤr das ganze
Leben werth und theuer bleibt, und wehe dem, deſſen
kaltes Herz die Geſpielen ſeiner heitern Kinderjahre
vergißt, und ſein Gedaͤchtniß nicht gerne zu den Mit-
genoſſen ſeines Fruͤhlings zuruͤckfuͤhrt.
Wie intereſſant iſt es nicht bei den kleinen Spie-
lenden, den kuͤnftigen Schauſpielern auf der großen
Buͤhne des Lebens, die keimenden Leidenſchaften zu
beobachten; das Beſtreben es den Andern an Kraft
und Gewandtheit bevorzuthun; den uͤbermuͤthigen
Mißbrauch der Macht und die edle Vertheidigung
des Unterdruͤckten; die Empoͤrung des Gemuͤthes
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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/48>, abgerufen am 03.07.2024.
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