jeden zwischen ihre Ränder gebrachten Gegenstaud mit großer Genauigkeit zu unterscheiden. Diese höchst ausgebildete Zartheit des Gefühls in den Zähnen hat bis jetzt die Aufmerksamkeit der Physiologen nicht in dem gebührenden Grade rege gemacht. Wie wichtig für den Organismus diese Gefühlsfähigkeit sei, ist leicht ersichtlich, da die Zähne nur durch sie im Stande sind, die Nahrung zu zerschneiden und zu zermahlen. Wir sind dadurch befähigt, die Lage und die meisten physicalischen Eigenschaften des Speise- bissens zu erkennen, wonach es sich dann bestimmt, ob er den Schneide- oder Backenzähnen überwiesen werden soll. Ohne diese Gefühlsfähigkeit würden die Schneide- und Mahlflächen beider Zahnreihen nicht in eine passende Lage gebracht, und die Kaubewegungen des Unterkiefers nicht in der entsprechenden Weise regu- lirt werden. Wenn auch allerdings Lippen, Zunge und Wangen bei allen diesen Verrichtungen den Zäh- nen zu Hülfe kommen, so spielen diese doch selbst die Hauptrolle dabei und sind darin mehr als schnei- dende Jnstrumente, sie sind dem Munde, was die Finger der Hand sind. Dies stellt sich namentlich dann hervor, wenn wir beobachten, wie die Zähne gewissermaßen prüfend zu Werke gehen und den Speisebissen untersuchen, ob keine ihnen schädliche harte Bestandtheile, wie z. B. kleine Sandkörner, in demselben enthalten seien."
jeden zwiſchen ihre Raͤnder gebrachten Gegenſtaud mit großer Genauigkeit zu unterſcheiden. Dieſe hoͤchſt ausgebildete Zartheit des Gefuͤhls in den Zaͤhnen hat bis jetzt die Aufmerkſamkeit der Phyſiologen nicht in dem gebuͤhrenden Grade rege gemacht. Wie wichtig fuͤr den Organismus dieſe Gefuͤhlsfaͤhigkeit ſei, iſt leicht erſichtlich, da die Zaͤhne nur durch ſie im Stande ſind, die Nahrung zu zerſchneiden und zu zermahlen. Wir ſind dadurch befaͤhigt, die Lage und die meiſten phyſicaliſchen Eigenſchaften des Speiſe- biſſens zu erkennen, wonach es ſich dann beſtimmt, ob er den Schneide- oder Backenzaͤhnen überwieſen werden ſoll. Ohne dieſe Gefuͤhlsfaͤhigkeit wuͤrden die Schneide- und Mahlflaͤchen beider Zahnreihen nicht in eine paſſende Lage gebracht, und die Kaubewegungen des Unterkiefers nicht in der entſprechenden Weiſe regu- lirt werden. Wenn auch allerdings Lippen, Zunge und Wangen bei allen dieſen Verrichtungen den Zaͤh- nen zu Huͤlfe kommen, ſo ſpielen dieſe doch ſelbſt die Hauptrolle dabei und ſind darin mehr als ſchnei- dende Jnſtrumente, ſie ſind dem Munde, was die Finger der Hand ſind. Dies ſtellt ſich namentlich dann hervor, wenn wir beobachten, wie die Zaͤhne gewiſſermaßen pruͤfend zu Werke gehen und den Speiſebiſſen unterſuchen, ob keine ihnen ſchaͤdliche harte Beſtandtheile, wie z. B. kleine Sandkoͤrner, in demſelben enthalten ſeien.‟
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jeden zwiſchen ihre Raͤnder gebrachten Gegenſtaud
mit großer Genauigkeit zu unterſcheiden. Dieſe hoͤchſt
ausgebildete Zartheit des Gefuͤhls in den Zaͤhnen hat
bis jetzt die Aufmerkſamkeit der Phyſiologen nicht in
dem gebuͤhrenden Grade rege gemacht. Wie wichtig
fuͤr den Organismus dieſe Gefuͤhlsfaͤhigkeit ſei, iſt
leicht erſichtlich, da die Zaͤhne nur durch ſie im
Stande ſind, die Nahrung zu zerſchneiden und zu
zermahlen. Wir ſind dadurch befaͤhigt, die Lage und
die meiſten phyſicaliſchen Eigenſchaften des Speiſe-
biſſens zu erkennen, wonach es ſich dann beſtimmt, ob er
den Schneide- oder Backenzaͤhnen überwieſen werden
ſoll. Ohne dieſe Gefuͤhlsfaͤhigkeit wuͤrden die Schneide-
und Mahlflaͤchen beider Zahnreihen nicht in eine
paſſende Lage gebracht, und die Kaubewegungen des
Unterkiefers nicht in der entſprechenden Weiſe regu-
lirt werden. Wenn auch allerdings Lippen, Zunge
und Wangen bei allen dieſen Verrichtungen den Zaͤh-
nen zu Huͤlfe kommen, ſo ſpielen dieſe doch ſelbſt
die Hauptrolle dabei und ſind darin mehr als ſchnei-
dende Jnſtrumente, ſie ſind dem Munde, was die
Finger der Hand ſind. Dies ſtellt ſich namentlich
dann hervor, wenn wir beobachten, wie die Zaͤhne
gewiſſermaßen pruͤfend zu Werke gehen und den
Speiſebiſſen unterſuchen, ob keine ihnen ſchaͤdliche
harte Beſtandtheile, wie z. B. kleine Sandkoͤrner, in
demſelben enthalten ſeien.‟
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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/174>, abgerufen am 16.02.2025.
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