erlaube man durchaus nicht, daß das Kind am Abend arbeite; man lasse es auch am Tage so wenig als möglich, und nie anhaltend lesen oder schreiben; man entferne jeden kleinen und schlechten Druck; man gewöhne es daran, das Papier möglichst weit vom Auge zu halten, und übe es fleißig beim Spa- zierengehen im Unterscheiden entfernter Objecte. Bei einem solchen Verfahren wird man das Uebel im Keime ersticken.
Wäre nur ein besseres Erziehungssystem einge- führt, wobei Kinder dem Gebote der Natur zum Trotz, nicht den größten Theil des Tages zwischen 4 kahlen Wänden sitzen müßten, so würde man von Kurz- und Schwachsichtigkeit viel weniger hören. Ohne diese übermäßige Anstrengung der Augen wür- den die Kinder eben so viel oder noch mehr lernen. Das müßte ein geistloser Lehrer sein, der nicht auch ohne Bücher seine Schüler zu bilden verstände und zwar besser als mit Hülfe des geschriebenen Wortes. Was bildet den Mann? Der Umgang mit Verstän- digeren und Gebildeteren als er selbst. Also brauchen wir auch nicht so weit zu suchen, was die Jugend bilden soll.
Darauf ist ebenfalls zu sehen, daß das Kind nicht zu früh nach dem Essen sich an die Arbeit setze. Zur Zeit der ersten Verdauung zieht der Magen alle Säfte und Kräfte an sich, und es ist daher,
erlaube man durchaus nicht, daß das Kind am Abend arbeite; man laſſe es auch am Tage ſo wenig als moͤglich, und nie anhaltend leſen oder ſchreiben; man entferne jeden kleinen und ſchlechten Druck; man gewoͤhne es daran, das Papier moͤglichſt weit vom Auge zu halten, und uͤbe es fleißig beim Spa- zierengehen im Unterſcheiden entfernter Objecte. Bei einem ſolchen Verfahren wird man das Uebel im Keime erſticken.
Waͤre nur ein beſſeres Erziehungsſyſtem einge- fuͤhrt, wobei Kinder dem Gebote der Natur zum Trotz, nicht den groͤßten Theil des Tages zwiſchen 4 kahlen Waͤnden ſitzen müßten, ſo wuͤrde man von Kurz- und Schwachſichtigkeit viel weniger hoͤren. Ohne dieſe uͤbermaͤßige Anſtrengung der Augen wuͤr- den die Kinder eben ſo viel oder noch mehr lernen. Das muͤßte ein geiſtloſer Lehrer ſein, der nicht auch ohne Buͤcher ſeine Schuͤler zu bilden verſtaͤnde und zwar beſſer als mit Huͤlfe des geſchriebenen Wortes. Was bildet den Mann? Der Umgang mit Verſtaͤn- digeren und Gebildeteren als er ſelbſt. Alſo brauchen wir auch nicht ſo weit zu ſuchen, was die Jugend bilden ſoll.
Darauf iſt ebenfalls zu ſehen, daß das Kind nicht zu fruͤh nach dem Eſſen ſich an die Arbeit ſetze. Zur Zeit der erſten Verdauung zieht der Magen alle Saͤfte und Kraͤfte an ſich, und es iſt daher,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0161"n="151"/>
erlaube man durchaus nicht, daß das Kind am Abend<lb/>
arbeite; man laſſe es auch am Tage ſo wenig als<lb/>
moͤglich, und nie anhaltend leſen oder ſchreiben;<lb/>
man entferne jeden kleinen und ſchlechten Druck;<lb/>
man gewoͤhne es daran, das Papier moͤglichſt weit<lb/>
vom Auge zu halten, und uͤbe es fleißig beim Spa-<lb/>
zierengehen im Unterſcheiden entfernter Objecte. Bei<lb/>
einem ſolchen Verfahren wird man das Uebel im<lb/>
Keime erſticken.</p><lb/><p>Waͤre nur ein beſſeres Erziehungsſyſtem einge-<lb/>
fuͤhrt, wobei Kinder dem Gebote der Natur zum<lb/>
Trotz, nicht den groͤßten Theil des Tages zwiſchen<lb/>
4 kahlen Waͤnden ſitzen müßten, ſo wuͤrde man von<lb/>
Kurz- und Schwachſichtigkeit viel weniger hoͤren.<lb/>
Ohne dieſe uͤbermaͤßige Anſtrengung der Augen wuͤr-<lb/>
den die Kinder eben ſo viel oder noch mehr lernen.<lb/>
Das muͤßte ein geiſtloſer Lehrer ſein, der nicht auch<lb/>
ohne Buͤcher ſeine Schuͤler zu bilden verſtaͤnde und<lb/>
zwar beſſer als mit Huͤlfe des geſchriebenen Wortes.<lb/>
Was bildet den Mann? Der Umgang mit Verſtaͤn-<lb/>
digeren und Gebildeteren als er ſelbſt. Alſo brauchen<lb/>
wir auch nicht ſo weit zu ſuchen, was die Jugend<lb/>
bilden ſoll.</p><lb/><p>Darauf iſt ebenfalls zu ſehen, daß das Kind<lb/>
nicht zu fruͤh nach dem Eſſen ſich an die Arbeit<lb/>ſetze. Zur Zeit der erſten Verdauung zieht der Magen<lb/>
alle Saͤfte und Kraͤfte an ſich, und es iſt daher,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0161]
erlaube man durchaus nicht, daß das Kind am Abend
arbeite; man laſſe es auch am Tage ſo wenig als
moͤglich, und nie anhaltend leſen oder ſchreiben;
man entferne jeden kleinen und ſchlechten Druck;
man gewoͤhne es daran, das Papier moͤglichſt weit
vom Auge zu halten, und uͤbe es fleißig beim Spa-
zierengehen im Unterſcheiden entfernter Objecte. Bei
einem ſolchen Verfahren wird man das Uebel im
Keime erſticken.
Waͤre nur ein beſſeres Erziehungsſyſtem einge-
fuͤhrt, wobei Kinder dem Gebote der Natur zum
Trotz, nicht den groͤßten Theil des Tages zwiſchen
4 kahlen Waͤnden ſitzen müßten, ſo wuͤrde man von
Kurz- und Schwachſichtigkeit viel weniger hoͤren.
Ohne dieſe uͤbermaͤßige Anſtrengung der Augen wuͤr-
den die Kinder eben ſo viel oder noch mehr lernen.
Das muͤßte ein geiſtloſer Lehrer ſein, der nicht auch
ohne Buͤcher ſeine Schuͤler zu bilden verſtaͤnde und
zwar beſſer als mit Huͤlfe des geſchriebenen Wortes.
Was bildet den Mann? Der Umgang mit Verſtaͤn-
digeren und Gebildeteren als er ſelbſt. Alſo brauchen
wir auch nicht ſo weit zu ſuchen, was die Jugend
bilden ſoll.
Darauf iſt ebenfalls zu ſehen, daß das Kind
nicht zu fruͤh nach dem Eſſen ſich an die Arbeit
ſetze. Zur Zeit der erſten Verdauung zieht der Magen
alle Saͤfte und Kraͤfte an ſich, und es iſt daher,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/161>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.