so ist sie doch nur der fruchtbare Boden, auf dem eine sorgfältige moralische Erziehung fortbauen soll.
Einer der ersten Grundsätze muß sein, die Furcht im Kinde nicht aufkommen zu lassen, Furcht vor der Dunkelheit, Furcht vor Gespenstern, Furcht vor dem Gewitter. Man denke sich ein Kind, das beim Schlafengehen schnell unter die Bettdecke kriecht, weil es in der Dunkelheit irgend ein schreckliches Fantom zu sehen fürchtet. Die Zeit der Nacht, für einen jeden andern die schönste Ruhezeit, ist für den armen Kleinen das Signal der peinlichsten Unruhe. Wäh- rend andere einen erquickenden Schlaf genießen, treibt ihm der geringste Laut den Angstschweiß aus, und nur dann schläft es ein, wenn übergroße Müdig- keit der Furcht die Wage hält. Der nachtheilige Ein- fluß dieses Zustandes bedarf keines Beweises.
Die Furcht ist ein beständiger Krampf; sie schnürt alle kleinen Gefäße zusammen, die ganze Haut wird kalt, blaß, und die Ausdünstung völlig gehemmt. Alles Blut sammelt sich in den inneren Theilen, der Pulsschlag stockt, die Circulation wird gestört.
Die Furcht ist also ein sehr deprimirender Affect, der die allgemeine Sensibilität, und folglich die Ab- hängigkeit von allen äußern Einflüssen bedeutend erhöht. Wie schützen wir das Kind gegen diese entnervende Leidenschaft? Am Besten dadurch, daß
ſo iſt ſie doch nur der fruchtbare Boden, auf dem eine ſorgfaͤltige moraliſche Erziehung fortbauen ſoll.
Einer der erſten Grundſaͤtze muß ſein, die Furcht im Kinde nicht aufkommen zu laſſen, Furcht vor der Dunkelheit, Furcht vor Geſpenſtern, Furcht vor dem Gewitter. Man denke ſich ein Kind, das beim Schlafengehen ſchnell unter die Bettdecke kriecht, weil es in der Dunkelheit irgend ein ſchreckliches Fantom zu ſehen fuͤrchtet. Die Zeit der Nacht, fuͤr einen jeden andern die ſchoͤnſte Ruhezeit, iſt fuͤr den armen Kleinen das Signal der peinlichſten Unruhe. Waͤh- rend andere einen erquickenden Schlaf genießen, treibt ihm der geringſte Laut den Angſtſchweiß aus, und nur dann ſchlaͤft es ein, wenn uͤbergroße Muͤdig- keit der Furcht die Wage haͤlt. Der nachtheilige Ein- fluß dieſes Zuſtandes bedarf keines Beweiſes.
Die Furcht iſt ein beſtaͤndiger Krampf; ſie ſchnuͤrt alle kleinen Gefaͤße zuſammen, die ganze Haut wird kalt, blaß, und die Ausduͤnſtung voͤllig gehemmt. Alles Blut ſammelt ſich in den inneren Theilen, der Pulsſchlag ſtockt, die Circulation wird geſtoͤrt.
Die Furcht iſt alſo ein ſehr deprimirender Affect, der die allgemeine Senſibilitaͤt, und folglich die Ab- haͤngigkeit von allen aͤußern Einfluͤſſen bedeutend erhoͤht. Wie ſchuͤtzen wir das Kind gegen dieſe entnervende Leidenſchaft? Am Beſten dadurch, daß
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ſo iſt ſie doch nur der fruchtbare Boden, auf dem
eine ſorgfaͤltige moraliſche Erziehung fortbauen ſoll.
Einer der erſten Grundſaͤtze muß ſein, die Furcht
im Kinde nicht aufkommen zu laſſen, Furcht vor
der Dunkelheit, Furcht vor Geſpenſtern, Furcht vor
dem Gewitter. Man denke ſich ein Kind, das beim
Schlafengehen ſchnell unter die Bettdecke kriecht, weil
es in der Dunkelheit irgend ein ſchreckliches Fantom
zu ſehen fuͤrchtet. Die Zeit der Nacht, fuͤr einen
jeden andern die ſchoͤnſte Ruhezeit, iſt fuͤr den armen
Kleinen das Signal der peinlichſten Unruhe. Waͤh-
rend andere einen erquickenden Schlaf genießen, treibt
ihm der geringſte Laut den Angſtſchweiß aus, und
nur dann ſchlaͤft es ein, wenn uͤbergroße Muͤdig-
keit der Furcht die Wage haͤlt. Der nachtheilige Ein-
fluß dieſes Zuſtandes bedarf keines Beweiſes.
Die Furcht iſt ein beſtaͤndiger Krampf; ſie ſchnuͤrt
alle kleinen Gefaͤße zuſammen, die ganze Haut wird
kalt, blaß, und die Ausduͤnſtung voͤllig gehemmt.
Alles Blut ſammelt ſich in den inneren Theilen,
der Pulsſchlag ſtockt, die Circulation wird geſtoͤrt.
Die Furcht iſt alſo ein ſehr deprimirender Affect,
der die allgemeine Senſibilitaͤt, und folglich die Ab-
haͤngigkeit von allen aͤußern Einfluͤſſen bedeutend
erhoͤht. Wie ſchuͤtzen wir das Kind gegen dieſe
entnervende Leidenſchaft? Am Beſten dadurch, daß
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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/114>, abgerufen am 22.07.2024.
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