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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868.

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abgekommen und die Sphäre der Gewerbsthätigkeit bei allen
sehr klein.

Also gebrach es an den ersten Grundlagen oder Gegen-
ständen des Handels, an dem rohen Stoff nicht minder, als
an den Erzeugnissen des Gewerbsfleißes. -- Aber auch alle Be-
dingungen mangelten
, welche der Völkerverkehr uner-
läßlich fordert, Rechtssicherheit, Friede im Jnnern und von
Außen, selbst die gegenseitige Bekanntschaft.

Karl der Große war als leuchtendes Gestirn allein und
verlassen mitten in einer rohen und finstern Zeit gestanden;
nur die Werke seines Armes, nicht jene seines Geistes sind
im Strome der folgenden Geschichten kenntlich geblieben; ge-
rade von dem, was sein eigenthümliches, wahrhaft per-
sönliches
Werk, der Ausfluß seiner Jndividualität gewesen,
von seinem rein geistigen oder genialen Wirken ist nach kurzer
Frist nur wenig Spur mehr zu erblicken.

An die Stelle des monarchischen Systems, welches Karls
Einrichtungen in bürgerlichen und Kriegssachen bezweckten, sehen
wir bald nach ihm die volle Anarchie eben des Lehenwesens
treten, welchem er zeitlebens entgegengearbeitet.

Das mühsam angefachte Licht der Wissenschaft erlosch nach
seinem Tod in noch dichterer Finsterniß und im Allgemeinen
brach die Barbarei gewaltiger herein als je zuvor!

Kunst und Wissenschaft war ja schon längst aus Europa
geflüchtet und Unwissenheit und Nacht lag über die meisten
Länder Europas, nur einige waren durch ein schwaches Däm-
merlicht erhellt und nur da und dort leuchteten einzelne Sterne.

Zu den wenigen leuchtenden Gestirnen dieser düsteren Jahr-
hunderte gehörte vor Allem Kaiser Karl der Große selbst; er

abgekommen und die Sphäre der Gewerbsthätigkeit bei allen
ſehr klein.

Alſo gebrach es an den erſten Grundlagen oder Gegen-
ſtänden des Handels, an dem rohen Stoff nicht minder, als
an den Erzeugniſſen des Gewerbsfleißes. — Aber auch alle Be-
dingungen mangelten
, welche der Völkerverkehr uner-
läßlich fordert, Rechtsſicherheit, Friede im Jnnern und von
Außen, ſelbſt die gegenſeitige Bekanntſchaft.

Karl der Große war als leuchtendes Geſtirn allein und
verlaſſen mitten in einer rohen und finſtern Zeit geſtanden;
nur die Werke ſeines Armes, nicht jene ſeines Geiſtes ſind
im Strome der folgenden Geſchichten kenntlich geblieben; ge-
rade von dem, was ſein eigenthümliches, wahrhaft per-
ſönliches
Werk, der Ausfluß ſeiner Jndividualität geweſen,
von ſeinem rein geiſtigen oder genialen Wirken iſt nach kurzer
Friſt nur wenig Spur mehr zu erblicken.

An die Stelle des monarchiſchen Syſtems, welches Karls
Einrichtungen in bürgerlichen und Kriegsſachen bezweckten, ſehen
wir bald nach ihm die volle Anarchie eben des Lehenweſens
treten, welchem er zeitlebens entgegengearbeitet.

Das mühſam angefachte Licht der Wiſſenſchaft erloſch nach
ſeinem Tod in noch dichterer Finſterniß und im Allgemeinen
brach die Barbarei gewaltiger herein als je zuvor!

Kunſt und Wiſſenſchaft war ja ſchon längſt aus Europa
geflüchtet und Unwiſſenheit und Nacht lag über die meiſten
Länder Europas, nur einige waren durch ein ſchwaches Däm-
merlicht erhellt und nur da und dort leuchteten einzelne Sterne.

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[159/0172] abgekommen und die Sphäre der Gewerbsthätigkeit bei allen ſehr klein. Alſo gebrach es an den erſten Grundlagen oder Gegen- ſtänden des Handels, an dem rohen Stoff nicht minder, als an den Erzeugniſſen des Gewerbsfleißes. — Aber auch alle Be- dingungen mangelten, welche der Völkerverkehr uner- läßlich fordert, Rechtsſicherheit, Friede im Jnnern und von Außen, ſelbſt die gegenſeitige Bekanntſchaft. Karl der Große war als leuchtendes Geſtirn allein und verlaſſen mitten in einer rohen und finſtern Zeit geſtanden; nur die Werke ſeines Armes, nicht jene ſeines Geiſtes ſind im Strome der folgenden Geſchichten kenntlich geblieben; ge- rade von dem, was ſein eigenthümliches, wahrhaft per- ſönliches Werk, der Ausfluß ſeiner Jndividualität geweſen, von ſeinem rein geiſtigen oder genialen Wirken iſt nach kurzer Friſt nur wenig Spur mehr zu erblicken. An die Stelle des monarchiſchen Syſtems, welches Karls Einrichtungen in bürgerlichen und Kriegsſachen bezweckten, ſehen wir bald nach ihm die volle Anarchie eben des Lehenweſens treten, welchem er zeitlebens entgegengearbeitet. Das mühſam angefachte Licht der Wiſſenſchaft erloſch nach ſeinem Tod in noch dichterer Finſterniß und im Allgemeinen brach die Barbarei gewaltiger herein als je zuvor! Kunſt und Wiſſenſchaft war ja ſchon längſt aus Europa geflüchtet und Unwiſſenheit und Nacht lag über die meiſten Länder Europas, nur einige waren durch ein ſchwaches Däm- merlicht erhellt und nur da und dort leuchteten einzelne Sterne. Zu den wenigen leuchtenden Geſtirnen dieſer düſteren Jahr- hunderte gehörte vor Allem Kaiſer Karl der Große ſelbſt; er

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Zitationshilfe: Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/172>, abgerufen am 24.11.2024.