Fortdauer eines geordneten Jnstituts darf man wohl mit Recht zweifeln.
Waren ja auch dort die gesellschaftlichen Zustände bis auf's Tiefste erschüttert und auch dort beschränkte man sich auf die möglichst engsten Grenzen des Verkehrs.
Man vermied das Zusammenleben, man machte sich lieber unzugänglich in den Wäldern, die einzelnen Stämme schlossen sich ab von den andern; selbst die Könige vermieden die ehe- maligen Weltstädte und zogen den stillen Aufenthalt auf ihren Landgütern (villae) allem geräuschvollen Glanze vor. Jst es doch bekannt, daß noch die letzten Könige der Merovinger all- jährlich einmal auf hohem mit Ochsen bespannten Wagen, von einem Rinderhirten kutschirt, zu den Versammlungen ihrer bewaffneten Mannen zogen1); was sollten also da die Postver- bindungen der römischen Cäsaren, woher sollte das Bedürfniß kommen, eine solche Anstalt zu errichten, wenn die Völker nicht wie vormals Glieder eines großen Ganzen waren, wenn sie sich vielmehr jedes für sich abgrenzten und abschlossen; wozu Anstalten für den Verkehr, wenn dieser selbst sich nicht über den Bereich persönlicher Thätigkeit hinaus erstreckt, wenn im Gegentheil Burgen und Mauern, Wälle und Gräben die Gren- zen des Verkehrs der Könige und Großen umschlossen.
Wenn es freilich galt, die von der römischen Herrschaft noch gebliebenen Leistungen der Unterthanen bezüglich der Stellung von Pferden und Wägen zu Lieferungen von Lebens-
1)Einhard, Kaiser Karls Leben in den "Geschichtschreibern der deutschen Vorzeit", IX. Jahrhundert. Berlin 1850. Bd. I. pag. 23.
Fortdauer eines geordneten Jnſtituts darf man wohl mit Recht zweifeln.
Waren ja auch dort die geſellſchaftlichen Zuſtände bis auf's Tiefſte erſchüttert und auch dort beſchränkte man ſich auf die möglichſt engſten Grenzen des Verkehrs.
Man vermied das Zuſammenleben, man machte ſich lieber unzugänglich in den Wäldern, die einzelnen Stämme ſchloſſen ſich ab von den andern; ſelbſt die Könige vermieden die ehe- maligen Weltſtädte und zogen den ſtillen Aufenthalt auf ihren Landgütern (villae) allem geräuſchvollen Glanze vor. Jſt es doch bekannt, daß noch die letzten Könige der Merovinger all- jährlich einmal auf hohem mit Ochſen beſpannten Wagen, von einem Rinderhirten kutſchirt, zu den Verſammlungen ihrer bewaffneten Mannen zogen1); was ſollten alſo da die Poſtver- bindungen der römiſchen Cäſaren, woher ſollte das Bedürfniß kommen, eine ſolche Anſtalt zu errichten, wenn die Völker nicht wie vormals Glieder eines großen Ganzen waren, wenn ſie ſich vielmehr jedes für ſich abgrenzten und abſchloſſen; wozu Anſtalten für den Verkehr, wenn dieſer ſelbſt ſich nicht über den Bereich perſönlicher Thätigkeit hinaus erſtreckt, wenn im Gegentheil Burgen und Mauern, Wälle und Gräben die Gren- zen des Verkehrs der Könige und Großen umſchloſſen.
Wenn es freilich galt, die von der römiſchen Herrſchaft noch gebliebenen Leiſtungen der Unterthanen bezüglich der Stellung von Pferden und Wägen zu Lieferungen von Lebens-
1)Einhard, Kaiſer Karls Leben in den „Geſchichtſchreibern der deutſchen Vorzeit“, IX. Jahrhundert. Berlin 1850. Bd. I. pag. 23.
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Fortdauer eines geordneten Jnſtituts darf man wohl mit Recht
zweifeln.
Waren ja auch dort die geſellſchaftlichen Zuſtände bis auf's
Tiefſte erſchüttert und auch dort beſchränkte man ſich auf die
möglichſt engſten Grenzen des Verkehrs.
Man vermied das Zuſammenleben, man machte ſich lieber
unzugänglich in den Wäldern, die einzelnen Stämme ſchloſſen
ſich ab von den andern; ſelbſt die Könige vermieden die ehe-
maligen Weltſtädte und zogen den ſtillen Aufenthalt auf ihren
Landgütern (villae) allem geräuſchvollen Glanze vor. Jſt es
doch bekannt, daß noch die letzten Könige der Merovinger all-
jährlich einmal auf hohem mit Ochſen beſpannten Wagen,
von einem Rinderhirten kutſchirt, zu den Verſammlungen ihrer
bewaffneten Mannen zogen 1); was ſollten alſo da die Poſtver-
bindungen der römiſchen Cäſaren, woher ſollte das Bedürfniß
kommen, eine ſolche Anſtalt zu errichten, wenn die Völker
nicht wie vormals Glieder eines großen Ganzen waren, wenn
ſie ſich vielmehr jedes für ſich abgrenzten und abſchloſſen; wozu
Anſtalten für den Verkehr, wenn dieſer ſelbſt ſich nicht über
den Bereich perſönlicher Thätigkeit hinaus erſtreckt, wenn im
Gegentheil Burgen und Mauern, Wälle und Gräben die Gren-
zen des Verkehrs der Könige und Großen umſchloſſen.
Wenn es freilich galt, die von der römiſchen Herrſchaft
noch gebliebenen Leiſtungen der Unterthanen bezüglich der
Stellung von Pferden und Wägen zu Lieferungen von Lebens-
1) Einhard, Kaiſer Karls Leben in den „Geſchichtſchreibern der
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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/141>, abgerufen am 16.07.2024.
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