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Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Umsonst stellte ich ihr vor, daß ich nie und nimmer eine Theaterprinzessin heirathen würde, selbst wenn sie mir eine Million mitbrächte, und daß mir die arme Kammerjungfer viel lieber sei; sie meinte, daß ich sie gewiß und um so lieber heirathen würde, wenn ich mich nur erst überzeugte, daß sie als Millionärin und gefeierte Sängerin eben so tugendhaft und treu bleibe, wie sie es als Kammerjungfer gewesen. Da ich aber auf meiner Ansicht beharrte, nichts von der Sängerin, von ihren Millionen und ihrem Schloß wissen wollte, wandte sie sich mit ihrem Vertrauen der Vicomtesse zu, die mit dem Marquis einverstanden war, und vergaß nach und nach den Groll, den sie seit Jahren gegen diesen hegte. Der Marquis glaubte nun sein Spiel gewonnen und traf demgemäß seine Anstalten. Ich aber war auch nicht unthätig und beobachtete den jungen Herrn um so eifriger auf Schritt und Tritt, je schweigsamer und zurückhaltender Louison gegen mich geworden. Um das ohne Störung thun zu können, verließ ich die Anstalt für immer, ohne übrigens zu wissen, wie ich mich künftig durchschlagen würde. Aber was lag mir daran. Mein Hauptziel war jetzt, der verblendeten Geliebten die Augen zu öffnen und ihren Verführer bei nächster Gelegenheit zu züchtigen, auf das Furchtbarste zu züchtigen. Ich schrak vor keinem Gedanken zurück und sagte mir, daß ich ihn im gegebenen Falle auch todtschlagen könnte. Und nachdem ich so durch einige Wochen dem Marquis wie ein Spion

Umsonst stellte ich ihr vor, daß ich nie und nimmer eine Theaterprinzessin heirathen würde, selbst wenn sie mir eine Million mitbrächte, und daß mir die arme Kammerjungfer viel lieber sei; sie meinte, daß ich sie gewiß und um so lieber heirathen würde, wenn ich mich nur erst überzeugte, daß sie als Millionärin und gefeierte Sängerin eben so tugendhaft und treu bleibe, wie sie es als Kammerjungfer gewesen. Da ich aber auf meiner Ansicht beharrte, nichts von der Sängerin, von ihren Millionen und ihrem Schloß wissen wollte, wandte sie sich mit ihrem Vertrauen der Vicomtesse zu, die mit dem Marquis einverstanden war, und vergaß nach und nach den Groll, den sie seit Jahren gegen diesen hegte. Der Marquis glaubte nun sein Spiel gewonnen und traf demgemäß seine Anstalten. Ich aber war auch nicht unthätig und beobachtete den jungen Herrn um so eifriger auf Schritt und Tritt, je schweigsamer und zurückhaltender Louison gegen mich geworden. Um das ohne Störung thun zu können, verließ ich die Anstalt für immer, ohne übrigens zu wissen, wie ich mich künftig durchschlagen würde. Aber was lag mir daran. Mein Hauptziel war jetzt, der verblendeten Geliebten die Augen zu öffnen und ihren Verführer bei nächster Gelegenheit zu züchtigen, auf das Furchtbarste zu züchtigen. Ich schrak vor keinem Gedanken zurück und sagte mir, daß ich ihn im gegebenen Falle auch todtschlagen könnte. Und nachdem ich so durch einige Wochen dem Marquis wie ein Spion

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[0036] Umsonst stellte ich ihr vor, daß ich nie und nimmer eine Theaterprinzessin heirathen würde, selbst wenn sie mir eine Million mitbrächte, und daß mir die arme Kammerjungfer viel lieber sei; sie meinte, daß ich sie gewiß und um so lieber heirathen würde, wenn ich mich nur erst überzeugte, daß sie als Millionärin und gefeierte Sängerin eben so tugendhaft und treu bleibe, wie sie es als Kammerjungfer gewesen. Da ich aber auf meiner Ansicht beharrte, nichts von der Sängerin, von ihren Millionen und ihrem Schloß wissen wollte, wandte sie sich mit ihrem Vertrauen der Vicomtesse zu, die mit dem Marquis einverstanden war, und vergaß nach und nach den Groll, den sie seit Jahren gegen diesen hegte. Der Marquis glaubte nun sein Spiel gewonnen und traf demgemäß seine Anstalten. Ich aber war auch nicht unthätig und beobachtete den jungen Herrn um so eifriger auf Schritt und Tritt, je schweigsamer und zurückhaltender Louison gegen mich geworden. Um das ohne Störung thun zu können, verließ ich die Anstalt für immer, ohne übrigens zu wissen, wie ich mich künftig durchschlagen würde. Aber was lag mir daran. Mein Hauptziel war jetzt, der verblendeten Geliebten die Augen zu öffnen und ihren Verführer bei nächster Gelegenheit zu züchtigen, auf das Furchtbarste zu züchtigen. Ich schrak vor keinem Gedanken zurück und sagte mir, daß ich ihn im gegebenen Falle auch todtschlagen könnte. Und nachdem ich so durch einige Wochen dem Marquis wie ein Spion

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:58:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/36>, abgerufen am 21.11.2024.