Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Verwunderung über die Einsamkeit antwortete Herr Laurens mit einem Achselzucken und einem verhaltenen Seufzer; meine Bewunderung der Pracht nahm er mit Gleichgültigkeit hin und ging durch die Gemächer ruhig wie ein Führer, während der Marquis jedes meiner lobenden Worte mit beifälligem Lächeln aufnahm, freudig dazu den Kopf schüttelte und stolz neben mir einherschritt. Wer hält Ihnen das Alles so in Ordnung?' fragte ich Herrn Laurens. Das ganze Dorf! antwortete er; die armen Leute haben nichts zu thun und sind froh, wenn ich sie beschäftige. Sie haben also keine Dienerschaft? Ebenfalls das ganze Dorf, sagte er und fügte hinzu: ich habe wohl bemerkt, daß Sie sich über die Stille im Schlosse verwunderten. Machen Sie mir das Vergnügen, seien Sie mein Gast und bleiben Sie über Nacht hier -- so will ich Ihnen das Schauspiel geben, wie sich Alles hier belebt, und wie es in einer halben Stunde hier von Bedienten wimmelt. Ich überlegte eine Zeit lang, Herr Laurens drang, in mich, und ich sagte zu. Darauf ging er auf die Plattform vor der Treppe und pfiff, dann zog er eine Glocke über der Treppe, daß es im ganzen Thale wiederhallte. Nicht eine Minute verging, und Männer und Weiber eilten aus dem Dorfe herbei. Herr Laurens wartete, bis sie nahe genug waren, dann rief Verwunderung über die Einsamkeit antwortete Herr Laurens mit einem Achselzucken und einem verhaltenen Seufzer; meine Bewunderung der Pracht nahm er mit Gleichgültigkeit hin und ging durch die Gemächer ruhig wie ein Führer, während der Marquis jedes meiner lobenden Worte mit beifälligem Lächeln aufnahm, freudig dazu den Kopf schüttelte und stolz neben mir einherschritt. Wer hält Ihnen das Alles so in Ordnung?' fragte ich Herrn Laurens. Das ganze Dorf! antwortete er; die armen Leute haben nichts zu thun und sind froh, wenn ich sie beschäftige. Sie haben also keine Dienerschaft? Ebenfalls das ganze Dorf, sagte er und fügte hinzu: ich habe wohl bemerkt, daß Sie sich über die Stille im Schlosse verwunderten. Machen Sie mir das Vergnügen, seien Sie mein Gast und bleiben Sie über Nacht hier — so will ich Ihnen das Schauspiel geben, wie sich Alles hier belebt, und wie es in einer halben Stunde hier von Bedienten wimmelt. Ich überlegte eine Zeit lang, Herr Laurens drang, in mich, und ich sagte zu. Darauf ging er auf die Plattform vor der Treppe und pfiff, dann zog er eine Glocke über der Treppe, daß es im ganzen Thale wiederhallte. Nicht eine Minute verging, und Männer und Weiber eilten aus dem Dorfe herbei. Herr Laurens wartete, bis sie nahe genug waren, dann rief <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0018"/> Verwunderung über die Einsamkeit antwortete Herr Laurens mit einem Achselzucken und einem verhaltenen Seufzer; meine Bewunderung der Pracht nahm er mit Gleichgültigkeit hin und ging durch die Gemächer ruhig wie ein Führer, während der Marquis jedes meiner lobenden Worte mit beifälligem Lächeln aufnahm, freudig dazu den Kopf schüttelte und stolz neben mir einherschritt.</p><lb/> <p>Wer hält Ihnen das Alles so in Ordnung?' fragte ich Herrn Laurens.</p><lb/> <p>Das ganze Dorf! antwortete er; die armen Leute haben nichts zu thun und sind froh, wenn ich sie beschäftige.</p><lb/> <p>Sie haben also keine Dienerschaft?</p><lb/> <p>Ebenfalls das ganze Dorf, sagte er und fügte hinzu: ich habe wohl bemerkt, daß Sie sich über die Stille im Schlosse verwunderten. Machen Sie mir das Vergnügen, seien Sie mein Gast und bleiben Sie über Nacht hier — so will ich Ihnen das Schauspiel geben, wie sich Alles hier belebt, und wie es in einer halben Stunde hier von Bedienten wimmelt.</p><lb/> <p>Ich überlegte eine Zeit lang, Herr Laurens drang, in mich, und ich sagte zu. Darauf ging er auf die Plattform vor der Treppe und pfiff, dann zog er eine Glocke über der Treppe, daß es im ganzen Thale wiederhallte. Nicht eine Minute verging, und Männer und Weiber eilten aus dem Dorfe herbei. Herr Laurens wartete, bis sie nahe genug waren, dann rief<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Verwunderung über die Einsamkeit antwortete Herr Laurens mit einem Achselzucken und einem verhaltenen Seufzer; meine Bewunderung der Pracht nahm er mit Gleichgültigkeit hin und ging durch die Gemächer ruhig wie ein Führer, während der Marquis jedes meiner lobenden Worte mit beifälligem Lächeln aufnahm, freudig dazu den Kopf schüttelte und stolz neben mir einherschritt.
Wer hält Ihnen das Alles so in Ordnung?' fragte ich Herrn Laurens.
Das ganze Dorf! antwortete er; die armen Leute haben nichts zu thun und sind froh, wenn ich sie beschäftige.
Sie haben also keine Dienerschaft?
Ebenfalls das ganze Dorf, sagte er und fügte hinzu: ich habe wohl bemerkt, daß Sie sich über die Stille im Schlosse verwunderten. Machen Sie mir das Vergnügen, seien Sie mein Gast und bleiben Sie über Nacht hier — so will ich Ihnen das Schauspiel geben, wie sich Alles hier belebt, und wie es in einer halben Stunde hier von Bedienten wimmelt.
Ich überlegte eine Zeit lang, Herr Laurens drang, in mich, und ich sagte zu. Darauf ging er auf die Plattform vor der Treppe und pfiff, dann zog er eine Glocke über der Treppe, daß es im ganzen Thale wiederhallte. Nicht eine Minute verging, und Männer und Weiber eilten aus dem Dorfe herbei. Herr Laurens wartete, bis sie nahe genug waren, dann rief
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Zitationshilfe: | Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/18>, abgerufen am 16.07.2024. |