Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.V. vollkommenlich behalte/ sondern von derselbengleiche Gedanken absihe und denselben nachah- me/ von eignem Wolvermögen darzuthue/ und nach meinem Vorhaben richte; so vergleicht sich besagte Nachahmung mit dem/ der ein oder mehr Gemähle zu Gesicht gefasset/ und hernach zu Hause etwas dergleichen jedoch mit andren Stellung mahlet. Hierher gehöret was Cicero aus Demosthene/ Virgilius aus Homero, Ho- ratius aus Pindaro abgesehen und sehr glückse- lig nachgekünstelt/ daß auch jener recht gesagt; die Römischen Redner und Poeten haben aus der Griechen alten Mänteln neue Kleider gema- chet/ und sie mit| güldnen und silbernen Borten verbremet/ daß sie nicht mehr erkantlich gewesen. Oder/ wie einander hiervon ein solches Gleich- niß gegeben: der jüngern grosse Kertze ist von der ältern kleinen Lampen angezündet worden/ und leuchtet viel heller als jene. Zu solchem Ende le- sen wir vortrefflicher Leute Bücher/ daß wir von ihnen lernen und ihrer Wolredenheit nachah- men wollen. 47. Es füget sich auch/ daß diese Nachah- ahmen
V. vollkommenlich behalte/ ſondern von derſelbengleiche Gedanken abſihe und denſelben nachah- me/ von eignem Wolvermoͤgen darzuthue/ und nach meinem Vorhaben richte; ſo vergleicht ſich beſagte Nachahmung mit dem/ der ein oder mehr Gemaͤhle zu Geſicht gefaſſet/ und hernach zu Hauſe etwas dergleichen jedoch mit andren Stellung mahlet. Hierher gehoͤret was Cicero aus Demoſthene/ Virgilius aus Homero, Ho- ratius aus Pindaro abgeſehen und ſehr gluͤckſe- lig nachgekuͤnſtelt/ daß auch jener recht geſagt; die Roͤmiſchen Redner und Poeten haben aus der Griechen alten Maͤnteln neue Kleider gema- chet/ und ſie mit| guͤldnen und ſilbernen Borten verbremet/ daß ſie nicht mehr erkantlich geweſen. Oder/ wie einander hiervon ein ſolches Gleich- niß gegeben: der juͤngern groſſe Kertze iſt von der aͤltern kleinen Lampen angezuͤndet worden/ und leuchtet viel heller als jene. Zu ſolchem Ende le- ſen wir vortrefflicher Leute Buͤcher/ daß wir von ihnen lernen und ihrer Wolredenheit nachah- men wollen. 47. Es fuͤget ſich auch/ daß dieſe Nachah- ahmen
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V.
vollkommenlich behalte/ ſondern von derſelben
gleiche Gedanken abſihe und denſelben nachah-
me/ von eignem Wolvermoͤgen darzuthue/ und
nach meinem Vorhaben richte; ſo vergleicht ſich
beſagte Nachahmung mit dem/ der ein oder
mehr Gemaͤhle zu Geſicht gefaſſet/ und hernach
zu Hauſe etwas dergleichen jedoch mit andren
Stellung mahlet. Hierher gehoͤret was Cicero
aus Demoſthene/ Virgilius aus Homero, Ho-
ratius aus Pindaro abgeſehen und ſehr gluͤckſe-
lig nachgekuͤnſtelt/ daß auch jener recht geſagt;
die Roͤmiſchen Redner und Poeten haben aus
der Griechen alten Maͤnteln neue Kleider gema-
chet/ und ſie mit| guͤldnen und ſilbernen Borten
verbremet/ daß ſie nicht mehr erkantlich geweſen.
Oder/ wie einander hiervon ein ſolches Gleich-
niß gegeben: der juͤngern groſſe Kertze iſt von der
aͤltern kleinen Lampen angezuͤndet worden/ und
leuchtet viel heller als jene. Zu ſolchem Ende le-
ſen wir vortrefflicher Leute Buͤcher/ daß wir von
ihnen lernen und ihrer Wolredenheit nachah-
men wollen.
47. Es fuͤget ſich auch/ daß dieſe Nachah-
mung nicht nur dem urſtandigem Stuͤcke (Ori-
ginal) gleich/ ſondern von dem Meiſter der Kunſt
noch wol beſſer gemacht wird/ wie Scaliger von
obermelten Poeten urtheilt; Maſſen man den al-
lerzierlichſten/ und nicht dem ſchlechtſten nachzu-
ahmen
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