Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.Von dem Jnhalt der Rede. unsren Vorfahren auf uns erblich gekommen.Hiervon redet Guevarrain seiner Fürsten-Uhr sehr verständig/ sagend: die Alten und ersten Leh-" rer der Wissenschaften ermanglen ihres Ruhms" nicht/ ob sie gleich heut zu Tage noch von den" unserigen zu lernen haben möchten; Massen wir" bey so wenig Mitteln der Geschicklichkeit nicht" würden geleistet haben/ was sie löblichst hinter-" lassen: Sie aber/ wann sie so mit vielerley Mit-" teln als wir/ hätten beglückseliget werden sollen/" würden ohne allen Zweiffel alle Künste und" Wissenschafft in die höchste Vollständigkeit ge- setzet haben/ daß denenselben ein mehrers beyzu- tragen unvonnöhten. Wie nun alle/ so bißhero Bücher geschrieben keines Gewalts oder Be- fehls von andern benöhtiget gewesen; sondern aus eignen Wolmeinen/ dem Nechsten zu nutzen/ und ihre von GOTT ertheilte Gaben mitzuthei- len vermeinet: also stehet annoch einem jeden frey zu schreiben was er andern vorträglich zuseyn vermeinet/ wie jener Kirchenlehrer in dergleichen Begebenheit geantwortet: Die Knechte Got- tes pflegen das Pfündlein/ welches ihnen anvertrauet worden/ nicht in die Erden zu vergraben. 33. Wann die Menschen ihren Sinnbegrief flüssig
Von dem Jnhalt der Rede. unſren Vorfahren auf uns erblich gekommen.Hiervon redet Guevarrain ſeiner Fuͤrſten-Uhr ſehr verſtaͤndig/ ſagend: die Alten und erſten Leh-“ rer der Wiſſenſchaften ermanglẽ ihres Ruhms„ nicht/ ob ſie gleich heut zu Tage noch von den„ unſerigen zu lernen haben moͤchten; Maſſẽ wir„ bey ſo wenig Mitteln der Geſchicklichkeit nicht„ wuͤrden geleiſtet haben/ was ſie loͤblichſt hinter-„ laſſen: Sie aber/ wann ſie ſo mit vielerley Mit-„ teln als wir/ haͤtten begluͤckſeliget werdẽ ſollen/„ wuͤrden ohne allen Zweiffel alle Kuͤnſte und„ Wiſſenſchafft in die hoͤchſte Vollſtaͤndigkeit ge- ſetzet haben/ daß denenſelben ein mehrers beyzu- tragen unvonnoͤhten. Wie nun alle/ ſo bißhero Buͤcher geſchrieben keines Gewalts oder Be- fehls von andern benoͤhtiget geweſen; ſondern aus eignen Wolmeinen/ dem Nechſten zu nutzen/ und ihre von GOTT ertheilte Gaben mitzuthei- len vermeinet: alſo ſtehet annoch einem jeden frey zu ſchreiben was er andern vortraͤglich zuſeyn vermeinet/ wie jener Kirchenlehrer in dergleichen Begebenheit geantwortet: Die Knechte Got- tes pflegen das Pfuͤndlein/ welches ihnen anvertrauet worden/ nicht in die Erden zu vergraben. 33. Wann die Menſchen ihren Sinnbegrief fluͤſſig
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="29"/><fw place="top" type="header">Von dem Jnhalt der Rede.</fw><lb/> unſren Vorfahren auf uns erblich gekommen.<lb/> Hiervon redet Guevarrain ſeiner Fuͤrſten-<hi rendition="#fr">U</hi>hr<lb/> ſehr verſtaͤndig/ ſagend: die Alten und erſten Leh-“<lb/> rer der Wiſſenſchaften ermanglẽ ihres Ruhms„<lb/> nicht/ ob ſie gleich heut zu Tage noch von den„<lb/> unſerigen zu lernen haben moͤchten; Maſſẽ wir„<lb/> bey ſo wenig Mitteln der Geſchicklichkeit nicht„<lb/> wuͤrden geleiſtet haben/ was ſie loͤblichſt hinter-„<lb/> laſſen: Sie aber/ wann ſie ſo mit vielerley Mit-„<lb/> teln als wir/ haͤtten begluͤckſeliget werdẽ ſollen/„<lb/> wuͤrden ohne allen Zweiffel alle Kuͤnſte und„<lb/> Wiſſenſchafft in die hoͤchſte Vollſtaͤndigkeit ge-<lb/> ſetzet haben/ daß denenſelben ein mehrers beyzu-<lb/> tragen unvonnoͤhten. Wie nun alle/ ſo bißhero<lb/> Buͤcher geſchrieben keines Gewalts oder Be-<lb/> fehls von andern benoͤhtiget geweſen; ſondern<lb/> aus eignen Wolmeinen/ dem Nechſten zu nutzen/<lb/> und ihre von GOTT ertheilte Gaben mitzuthei-<lb/> len vermeinet: alſo ſtehet annoch einem jeden frey<lb/> zu ſchreiben was er andern vortraͤglich zuſeyn<lb/> vermeinet/ wie jener Kirchenlehrer in dergleichen<lb/> Begebenheit geantwortet: <hi rendition="#fr">Die Knechte Got-<lb/> tes pflegen das Pfuͤndlein/ welches ihnen<lb/> anvertrauet worden/ nicht in die Erden zu<lb/> vergraben.</hi></p><lb/> <p>33. Wann die Menſchen ihren Sinnbegrief<lb/> unmittelbar eroͤffnen koͤnten/ wie die Engel und<lb/> Himmliſchen Geiſter/ ſo ſolten alle Reden uͤber-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">fluͤſſig</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0061]
Von dem Jnhalt der Rede.
unſren Vorfahren auf uns erblich gekommen.
Hiervon redet Guevarrain ſeiner Fuͤrſten-Uhr
ſehr verſtaͤndig/ ſagend: die Alten und erſten Leh-“
rer der Wiſſenſchaften ermanglẽ ihres Ruhms„
nicht/ ob ſie gleich heut zu Tage noch von den„
unſerigen zu lernen haben moͤchten; Maſſẽ wir„
bey ſo wenig Mitteln der Geſchicklichkeit nicht„
wuͤrden geleiſtet haben/ was ſie loͤblichſt hinter-„
laſſen: Sie aber/ wann ſie ſo mit vielerley Mit-„
teln als wir/ haͤtten begluͤckſeliget werdẽ ſollen/„
wuͤrden ohne allen Zweiffel alle Kuͤnſte und„
Wiſſenſchafft in die hoͤchſte Vollſtaͤndigkeit ge-
ſetzet haben/ daß denenſelben ein mehrers beyzu-
tragen unvonnoͤhten. Wie nun alle/ ſo bißhero
Buͤcher geſchrieben keines Gewalts oder Be-
fehls von andern benoͤhtiget geweſen; ſondern
aus eignen Wolmeinen/ dem Nechſten zu nutzen/
und ihre von GOTT ertheilte Gaben mitzuthei-
len vermeinet: alſo ſtehet annoch einem jeden frey
zu ſchreiben was er andern vortraͤglich zuſeyn
vermeinet/ wie jener Kirchenlehrer in dergleichen
Begebenheit geantwortet: Die Knechte Got-
tes pflegen das Pfuͤndlein/ welches ihnen
anvertrauet worden/ nicht in die Erden zu
vergraben.
33. Wann die Menſchen ihren Sinnbegrief
unmittelbar eroͤffnen koͤnten/ wie die Engel und
Himmliſchen Geiſter/ ſo ſolten alle Reden uͤber-
fluͤſſig
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |