Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

Bild:
<< vorherige Seite

Phönix.
Grab zu der Geburtsstatt/ der Sark zu einer
Wiegen/ der Schatten zu einem Liechte/ der Asche
zu einer Flamme/ das End zu einem erfreulichen
Anfag und er ein Bildniß der Aufferstehung uns-
rer Leiber wird.

352. Poet/ Poeterey.

Der Poet ist sinnreich in seinen Gedanken/
wortreich in seiner Verfassung/ Verstandreich in
seinen Erfindungen Kunstreich in seinen Aus-
bildungen/ Geistreich in innerlichen Anregungen/
Gunstreich bey den verständigen/ und doch mein-
sten Theils arm an den Gütern deß Glückes.
Er schwinget sich in den Himmel/ und bleibet
doch auf der Erden. Er erreget die Gemüter und
rühret die Hertzen/ entzucket die Geister/ redet mit
den Entferneten/ belustiget mit Nutzen/ und nu-
tzet mit Belustigung. Besieget die Traurigkeit.
Er schreibt was Geist und Feuer hat/ beflügelt
mit fast Göttlicher Vernunfft/ durchwandrend
Himmel und Erden/ seine Feder mit Wunder-
zierlicher Seltzamkeit anzufüllen. Seine Rede
erhebet sich über die alltags Sprache/ seine Nach-
sinnung ist von deß Pövels Eitelkeit besondert
und klebet nicht an der niedren Erden/ sondern
schwebet in den hochfreyen Lüfften. Keine Kunst
ist/ er hat sie durchsuchet/ keine Wissenschafft ist
er hat sie erforschet/ und mit hoch gestirnten Geist/
glücklich und schicklich zu Nutzen gebracht. Die

Natur
A a iiij

Phoͤnix.
Grab zu der Geburtsſtatt/ der Sark zu einer
Wiegen/ der Schatten zu einem Liechte/ der Aſche
zu einer Flamme/ das End zu einem erfreulichen
Anfãg uñ er ein Bildniß der Aufferſtehung unſ-
rer Leiber wird.

352. Poët/ Poêterey.

Der Poët iſt ſinnreich in ſeinen Gedanken/
wortreich in ſeiner Verfaſſung/ Verſtandreich in
ſeinen Erfindungen Kunſtreich in ſeinen Aus-
bildungen/ Geiſtreich in innerlichen Anregungẽ/
Gunſtꝛeich bey den verſtaͤndigen/ und doch mein-
ſten Theils arm an den Guͤtern deß Gluͤckes.
Er ſchwinget ſich in den Himmel/ und bleibet
doch auf der Erden. Er erreget die Gemuͤter und
ruͤhret die Hertzen/ entzucket die Geiſter/ redet mit
den Entferneten/ beluſtiget mit Nutzen/ und nu-
tzet mit Beluſtigung. Beſieget die Traurigkeit.
Er ſchreibt was Geiſt und Feuer hat/ befluͤgelt
mit faſt Goͤttlicher Vernunfft/ durchwandrend
Himmel und Erden/ ſeine Feder mit Wunder-
zierlicher Seltzamkeit anzufuͤllen. Seine Rede
erhebet ſich uͤber die alltags Sprache/ ſeine Nach-
ſinnung iſt von deß Poͤvels Eitelkeit beſondert
und klebet nicht an der niedren Erden/ ſondern
ſchwebet in den hochfreyen Luͤfften. Keine Kunſt
iſt/ er hat ſie durchſuchet/ keine Wiſſenſchafft iſt
er hat ſie erforſchet/ und mit hoch geſtirntẽ Geiſt/
gluͤcklich und ſchicklich zu Nutzen gebracht. Die

Natur
A a iiij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0407" n="377[375]"/><fw place="top" type="header">Pho&#x0364;nix.</fw><lb/>
Grab zu der Geburts&#x017F;tatt/ der Sark zu einer<lb/>
Wiegen/ der Schatten zu einem Liechte/ der A&#x017F;che<lb/>
zu einer Flamme/ das End zu einem erfreulichen<lb/>
Anfãg uñ er ein Bildniß der Auffer&#x017F;tehung un&#x017F;-<lb/>
rer Leiber wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">352. Po<hi rendition="#aq">ë</hi>t/ Po<hi rendition="#aq">ê</hi>terey.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>Der Po<hi rendition="#aq">ë</hi>t i&#x017F;t &#x017F;innreich in &#x017F;einen Gedanken/<lb/>
wortreich in &#x017F;einer Verfa&#x017F;&#x017F;ung/ Ver&#x017F;tandreich in<lb/>
&#x017F;einen Erfindungen Kun&#x017F;treich in &#x017F;einen Aus-<lb/>
bildungen/ Gei&#x017F;treich in innerlichen Anregung&#x1EBD;/<lb/>
Gun&#x017F;t&#xA75B;eich bey den ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen/ und doch mein-<lb/>
&#x017F;ten Theils arm an den Gu&#x0364;tern deß Glu&#x0364;ckes.<lb/>
Er &#x017F;chwinget &#x017F;ich in den Himmel/ und bleibet<lb/>
doch auf der Erden. Er erreget die Gemu&#x0364;ter und<lb/>
ru&#x0364;hret die Hertzen/ entzucket die Gei&#x017F;ter/ redet mit<lb/>
den Entferneten/ belu&#x017F;tiget mit Nutzen/ und nu-<lb/>
tzet mit Belu&#x017F;tigung. Be&#x017F;ieget die Traurigkeit.<lb/>
Er &#x017F;chreibt was Gei&#x017F;t und Feuer hat/ beflu&#x0364;gelt<lb/>
mit fa&#x017F;t Go&#x0364;ttlicher Vernunfft/ durchwandrend<lb/>
Himmel und Erden/ &#x017F;eine Feder mit Wunder-<lb/>
zierlicher Seltzamkeit anzufu&#x0364;llen. Seine Rede<lb/>
erhebet &#x017F;ich u&#x0364;ber die alltags Sprache/ &#x017F;eine Nach-<lb/>
&#x017F;innung i&#x017F;t von deß Po&#x0364;vels Eitelkeit be&#x017F;ondert<lb/>
und klebet nicht an der niedren Erden/ &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;chwebet in den hochfreyen Lu&#x0364;fften. Keine Kun&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t/ er hat &#x017F;ie durch&#x017F;uchet/ keine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft i&#x017F;t<lb/>
er hat &#x017F;ie erfor&#x017F;chet/ und mit hoch ge&#x017F;tirnt&#x1EBD; Gei&#x017F;t/<lb/>
glu&#x0364;cklich und &#x017F;chicklich zu Nutzen gebracht. Die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a iiij</fw><fw place="bottom" type="catch">Natur</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377[375]/0407] Phoͤnix. Grab zu der Geburtsſtatt/ der Sark zu einer Wiegen/ der Schatten zu einem Liechte/ der Aſche zu einer Flamme/ das End zu einem erfreulichen Anfãg uñ er ein Bildniß der Aufferſtehung unſ- rer Leiber wird. 352. Poët/ Poêterey. Der Poët iſt ſinnreich in ſeinen Gedanken/ wortreich in ſeiner Verfaſſung/ Verſtandreich in ſeinen Erfindungen Kunſtreich in ſeinen Aus- bildungen/ Geiſtreich in innerlichen Anregungẽ/ Gunſtꝛeich bey den verſtaͤndigen/ und doch mein- ſten Theils arm an den Guͤtern deß Gluͤckes. Er ſchwinget ſich in den Himmel/ und bleibet doch auf der Erden. Er erreget die Gemuͤter und ruͤhret die Hertzen/ entzucket die Geiſter/ redet mit den Entferneten/ beluſtiget mit Nutzen/ und nu- tzet mit Beluſtigung. Beſieget die Traurigkeit. Er ſchreibt was Geiſt und Feuer hat/ befluͤgelt mit faſt Goͤttlicher Vernunfft/ durchwandrend Himmel und Erden/ ſeine Feder mit Wunder- zierlicher Seltzamkeit anzufuͤllen. Seine Rede erhebet ſich uͤber die alltags Sprache/ ſeine Nach- ſinnung iſt von deß Poͤvels Eitelkeit beſondert und klebet nicht an der niedren Erden/ ſondern ſchwebet in den hochfreyen Luͤfften. Keine Kunſt iſt/ er hat ſie durchſuchet/ keine Wiſſenſchafft iſt er hat ſie erforſchet/ und mit hoch geſtirntẽ Geiſt/ gluͤcklich und ſchicklich zu Nutzen gebracht. Die Natur A a iiij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/407
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 377[375]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/407>, abgerufen am 20.11.2024.