Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.Mund. seine inwendige Pfeiler von Perlen und Allwas-ser/ seine Wände mit Scharlacken gleichsam be- henket: Hierinnen hat ihren Sitz die Dolmet- scherin der Gedanken/ welche auf der Helffenbei- nen Clavier der Zähne/ mancherley Lieblichkei- ten hören lässet. Der Mund muß dem Menschen nehren und lehren/ erhalten und erwärmen/ spei- sen und preisen. Der Mund ist der Grund der Hoffnung/ der Bund der Vereinigung deß gan- tzen Leibes/ der Werkmeister der Worte. Die Zäh- ne halten ihre Ordnung auf der Reyen/ sie mah- len und bereiten die Speise/ sie beschränken und begrentzen die Wort/ welche so bald in Gefahr kommen/ so bald sie diese Schranken überschrit- ten. Dieser Rosenfarbe Mund eröffnet sich mit freundlichen Gelächter/ er ziehet die Hertzen an sich/ als mit einer guldnen Ketten/ er ist der Bott- schaffter der Freude/ der Herold deß Trostes der Fürsprecher der Unschuld/ und kan sich auch in so viel listigen Betrug anstellen/ daß Momus durch solches Fenster nicht kan in das falsche Hertz sehen. Der Mund verhüllt deß Hertzens Grund/ Zunge/ Rede/ Sprach. Mu-
Mund. ſeine inwendige Pfeiler von Perlen und Allwaſ-ſer/ ſeine Waͤnde mit Scharlacken gleichſam be- henket: Hierinnen hat ihren Sitz die Dolmet- ſcherin der Gedanken/ welche auf der Helffenbei- nen Clavier der Zaͤhne/ mancherley Lieblichkei- ten hoͤren laͤſſet. Der Mund muß dem Menſchen nehren und lehren/ erhalten und erwaͤrmen/ ſpei- ſen und preiſen. Der Mund iſt der Grund der Hoffnung/ der Bund der Vereinigung deß gan- tzen Leibes/ der Werkmeiſter der Worte. Die Zaͤh- ne halten ihre Ordnung auf der Reyen/ ſie mah- len und bereiten die Speiſe/ ſie beſchraͤnken und begrentzen die Wort/ welche ſo bald in Gefahr kommen/ ſo bald ſie dieſe Schranken uͤberſchrit- ten. Dieſer Roſenfarbe Mund eroͤffnet ſich mit freundlichẽ Gelaͤchter/ er ziehet die Hertzẽ an ſich/ als mit einer guldnen Ketten/ er iſt der Bott- ſchaffter der Freude/ der Herold deß Troſtes der Fuͤrſprecher der Unſchuld/ und kan ſich auch in ſo viel liſtigen Betrug anſtellen/ daß Momus durch ſolches Fenſter nicht kan in das falſche Hertz ſehen. Der Mund verhuͤllt deß Hertzens Grund/ ☞Zunge/ Rede/ Sprach. Mu-
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Mund.
ſeine inwendige Pfeiler von Perlen und Allwaſ-
ſer/ ſeine Waͤnde mit Scharlacken gleichſam be-
henket: Hierinnen hat ihren Sitz die Dolmet-
ſcherin der Gedanken/ welche auf der Helffenbei-
nen Clavier der Zaͤhne/ mancherley Lieblichkei-
ten hoͤren laͤſſet. Der Mund muß dem Menſchen
nehren und lehren/ erhalten und erwaͤrmen/ ſpei-
ſen und preiſen. Der Mund iſt der Grund der
Hoffnung/ der Bund der Vereinigung deß gan-
tzen Leibes/ der Werkmeiſter der Worte. Die Zaͤh-
ne halten ihre Ordnung auf der Reyen/ ſie mah-
len und bereiten die Speiſe/ ſie beſchraͤnken und
begrentzen die Wort/ welche ſo bald in Gefahr
kommen/ ſo bald ſie dieſe Schranken uͤberſchrit-
ten. Dieſer Roſenfarbe Mund eroͤffnet ſich mit
freundlichẽ Gelaͤchter/ er ziehet die Hertzẽ an ſich/
als mit einer guldnen Ketten/ er iſt der Bott-
ſchaffter der Freude/ der Herold deß Troſtes der
Fuͤrſprecher der Unſchuld/ und kan ſich auch in
ſo viel liſtigen Betrug anſtellen/ daß Momus
durch ſolches Fenſter nicht kan in das falſche
Hertz ſehen.
Der Mund verhuͤllt deß Hertzens Grund/
verkehrt ſich alle Zeit und Stund. Er ſol deß
Hertzens Zeicher ſeyn/ trifft aber leider wenig ein.
Das Lippenſchloß/ deß Hertzens Vorhof mit Ru-
binen gezieret.
☞Zunge/ Rede/ Sprach.
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