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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Mahlen.
vorstellen/ nachgestalten/ Liecht und Schatten
nach der Kunst zusammen gatten. Es lebet in
den Farben der Mann mit seinen Garben. Das
was die Zeit verzehrt/ erhält die Mahler-Kunst/
ist Künstler wird verehrt mit grosser Herrn-
gunst. Was nur das Aug beschauet/ das bildet
bald die Hand/ die Farben Häuser bauen
und weisen ihr Stand. Der Mahler und Poet
die können beede dichten/ dann kommt der Un-
verstand/ will von dem Werke richten/ das er gar
nicht versteht. Er stellet für Gesicht die guldne
Morgenröte das höchste Sonnenliecht/ der
Sternen Abentwacht/ die Mohrenfarbe Nacht.
Was man nicht sehen kan/ als Tugend oder La-
ster/ das bringt er zu Gesicht. Die Neigung deß
Gemüts beschreibt der Pinselstreiff. Die Aeffin
der Natur ist unsre Mahler Kunst sie streitet
noch mit ihr/ durch langerfahrne Chur/ daß sie
das Meisterwerk beneidet und beweinet/ daß kein
dergleichen Werk von ihrem Thun erscheinet.
Diese Schwester der Natur/ die schöne Mahler-
Kunst erfreuet das Angesicht mit übertrefflicher
Schönheit/ schärffet den Verstand mit Sinn-
reichen Erfindungen/ erfrischet und versichert
das Gedächtniß mit ihrer Deutlichkeit/ erquicket
das Gemüt mit ihrer Zierlichkeit/ entzündet den
Sinn zu heroischen Tugenden: Sie ist bey den
Fürstenbeliebt/ bey den Gelehrten wehrt/ bey der

Jugend

Mahlen.
vorſtellen/ nachgeſtalten/ Liecht und Schatten
nach der Kunſt zuſammen gatten. Es lebet in
den Farben der Mann mit ſeinen Garben. Das
was die Zeit verzehrt/ erhaͤlt die Mahler-Kunſt/
iſt Kuͤnſtler wird verehrt mit groſſer Herrn-
gunſt. Was nur das Aug beſchauet/ das bildet
bald die Hand/ die Farben Haͤuſer bauen
und weiſen ihr Stand. Der Mahler und Poët
die koͤnnen beede dichten/ dann kommt der Un-
verſtand/ will von dem Werke richten/ das er gar
nicht verſteht. Er ſtellet fuͤr Geſicht die guldne
Morgenroͤte das hoͤchſte Sonnenliecht/ der
Sternen Abentwacht/ die Mohrenfarbe Nacht.
Was man nicht ſehen kan/ als Tugend oder La-
ſter/ das bringt er zu Geſicht. Die Neigung deß
Gemuͤts beſchreibt der Pinſelſtreiff. Die Aeffin
der Natur iſt unſre Mahler Kunſt ſie ſtreitet
noch mit ihr/ durch langerfahrne Chur/ daß ſie
das Meiſterwerk beneidet und beweinet/ daß kein
dergleichen Werk von ihrem Thun erſcheinet.
Dieſe Schweſter der Natur/ die ſchoͤne Mahler-
Kunſt erfreuet das Angeſicht mit uͤbertrefflicher
Schoͤnheit/ ſchaͤrffet den Verſtand mit Sinn-
reichen Erfindungen/ erfriſchet und verſichert
das Gedaͤchtniß mit ihrer Deutlichkeit/ erquicket
das Gemuͤt mit ihrer Zierlichkeit/ entzuͤndet den
Sinn zu heroiſchen Tugenden: Sie iſt bey den
Fuͤrſtenbeliebt/ bey den Gelehrten wehrt/ bey der

Jugend
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[335[333]/0365] Mahlen. vorſtellen/ nachgeſtalten/ Liecht und Schatten nach der Kunſt zuſammen gatten. Es lebet in den Farben der Mann mit ſeinen Garben. Das was die Zeit verzehrt/ erhaͤlt die Mahler-Kunſt/ iſt Kuͤnſtler wird verehrt mit groſſer Herrn- gunſt. Was nur das Aug beſchauet/ das bildet bald die Hand/ die Farben Haͤuſer bauen und weiſen ihr Stand. Der Mahler und Poët die koͤnnen beede dichten/ dann kommt der Un- verſtand/ will von dem Werke richten/ das er gar nicht verſteht. Er ſtellet fuͤr Geſicht die guldne Morgenroͤte das hoͤchſte Sonnenliecht/ der Sternen Abentwacht/ die Mohrenfarbe Nacht. Was man nicht ſehen kan/ als Tugend oder La- ſter/ das bringt er zu Geſicht. Die Neigung deß Gemuͤts beſchreibt der Pinſelſtreiff. Die Aeffin der Natur iſt unſre Mahler Kunſt ſie ſtreitet noch mit ihr/ durch langerfahrne Chur/ daß ſie das Meiſterwerk beneidet und beweinet/ daß kein dergleichen Werk von ihrem Thun erſcheinet. Dieſe Schweſter der Natur/ die ſchoͤne Mahler- Kunſt erfreuet das Angeſicht mit uͤbertrefflicher Schoͤnheit/ ſchaͤrffet den Verſtand mit Sinn- reichen Erfindungen/ erfriſchet und verſichert das Gedaͤchtniß mit ihrer Deutlichkeit/ erquicket das Gemuͤt mit ihrer Zierlichkeit/ entzuͤndet den Sinn zu heroiſchen Tugenden: Sie iſt bey den Fuͤrſtenbeliebt/ bey den Gelehrten wehrt/ bey der Jugend

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 335[333]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/365>, abgerufen am 25.11.2024.