Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.Von der Reimung. höchste Ruhm und das reichste Eigenthumunsres geehrten Vaterlands/ dardurch der Pracht und Macht unsrer Welt bekanten Teutschen Vor-Eltern etc. Ob nun wol liebet und lebet sich nicht reimet wie künstlich und dienstlich/ dringend und zwingend etc. so ge- ben doch solche halb und gantzgleichende Wörter und Endungen der ungebundnen Rede einen zierlichen und samtstimmenden Wollaut. Jn der gebundenen Rede ist die Wiederholung der Wörter und dergleichen Wortgleichung nicht we- niger zierlich/ und artet der Reimung nach wie aus den nachgesetzten Geschichtreden/ und son- derlich aus den teuigen Kain zuersehen/ da folgende Wortgleichung (Paranomasia) zu fin- dem Mich/ sagt er/ muß das Schulden-Erb auch ohne Schuld belangen. Mit meines Bru- ders Blut etc. Untren regiert die Welt: Drey bleiben nicht in Frieden etc. Die Quelle meiner Qual/ etc. Der Erstling' Opfergab ursacht den ersten Mord. Dergleichen muß in allen wolge- setzten Gedichten mit eingerucket werden/ und ist gewieß daß die vielfältigen Reim-und gleichenden- de Wörter das Gedicht lieblich machen/ und hat sonderlich die dactylische Reim-Art keine Zier- lichkeit/ wann die besagten Reimwörter gleich- sam nicht gehäuffet ineinander gefüget werden. 73. Weil nun die Reimen gleichsam die Rie- E vj
Von der Reimung. hoͤchſte Ruhm und das reichſte Eigenthumunſres geehrten Vaterlands/ dardurch der Pracht und Macht unſrer Welt bekanten Teutſchen Vor-Eltern ꝛc. Ob nun wol liebet und lebet ſich nicht reimet wie kuͤnſtlich und dienſtlich/ dringend und zwingend ꝛc. ſo ge- ben doch ſolche halb und gantzgleichende Woͤrter und Endungen der ungebundnen Rede einen zierlichen und ſamtſtimmenden Wollaut. Jn der gebundenen Rede iſt die Wiederholung der Woͤrteꝛ und dergleichẽ Wortgleichung nicht we- niger zierlich/ und artet der Reimung nach wie aus den nachgeſetzten Geſchichtreden/ und ſon- derlich aus den teuigen Kain zuerſehen/ da folgende Wortgleichung (Paranomaſia) zu fin- dem Mich/ ſagt er/ muß das Schulden-Erb auch ohne Schuld belangen. Mit meines Bru- ders Blut ꝛc. Untren regiert die Welt: Drey bleiben nicht in Frieden ꝛc. Die Quelle meiner Qual/ ꝛc. Der Erſtling’ Opfergab urſacht den erſten Mord. Dergleichen muß in allen wolge- ſetzten Gedichten mit eingerucket werden/ und iſt gewieß daß die vielfaͤltigen Reim-und gleichendẽ- de Woͤrter das Gedicht lieblich machen/ und hat ſonderlich die dactyliſche Reim-Art keine Zier- lichkeit/ wann die beſagten Reimwoͤrter gleich- ſam nicht gehaͤuffet ineinander gefuͤget werden. 73. Weil nun die Reimen gleichſam die Rie- E vj
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Von der Reimung.
hoͤchſte Ruhm und das reichſte Eigenthum
unſres geehrten Vaterlands/ dardurch der
Pracht und Macht unſrer Welt bekanten
Teutſchen Vor-Eltern ꝛc. Ob nun wol liebet
und lebet ſich nicht reimet wie kuͤnſtlich und
dienſtlich/ dringend und zwingend ꝛc. ſo ge-
ben doch ſolche halb und gantzgleichende Woͤrter
und Endungen der ungebundnen Rede einen
zierlichen und ſamtſtimmenden Wollaut. Jn
der gebundenen Rede iſt die Wiederholung der
Woͤrteꝛ und dergleichẽ Wortgleichung nicht we-
niger zierlich/ und artet der Reimung nach wie
aus den nachgeſetzten Geſchichtreden/ und ſon-
derlich aus den teuigen Kain zuerſehen/ da
folgende Wortgleichung (Paranomaſia) zu fin-
dem Mich/ ſagt er/ muß das Schulden-Erb
auch ohne Schuld belangen. Mit meines Bru-
ders Blut ꝛc. Untren regiert die Welt: Drey
bleiben nicht in Frieden ꝛc. Die Quelle meiner
Qual/ ꝛc. Der Erſtling’ Opfergab urſacht den
erſten Mord. Dergleichen muß in allen wolge-
ſetzten Gedichten mit eingerucket werden/ und iſt
gewieß daß die vielfaͤltigen Reim-und gleichendẽ-
de Woͤrter das Gedicht lieblich machen/ und hat
ſonderlich die dactyliſche Reim-Art keine Zier-
lichkeit/ wann die beſagten Reimwoͤrter gleich-
ſam nicht gehaͤuffet ineinander gefuͤget werden.
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