Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.Die neunde Stund. der Einöden des Meers/ der Stätte/ Paläst/Schlösser/ etc. Hier ist auch dem Poeten ein Zu- satz erlaubt/ daß er nemlich Zeit- und Denkschrif- ten in kurtzen Reimen verfasst/ erzehlen und ver- melden kan/ daß selbe in Bäumen geschnitten/ o- der in Felsen gehauen/ oder in Marmolseulen mit Gold geschrieben etc. dar und dort zu lesen seyn. Hierbey lässet es aber der Poet nicht verbleiben/ sondern er erdichtet ihm einen solchen Ort/ der sei- ner Erfindung dienlich ist: Er bauet Tempel/ Paläste/ Garten/ Schiffe/ Brücken/ Siegsseulen/ Ehrengedächtnisse/ und dergleichen/ und zu sol- chem Ende sol er in der Baukunst wol erfahren seyn/ und nechst dem Gemähl seines ausgedichten Baus/ auch den Geometrischen oder weißkünsti- gen Grundriß beyzufügen wissen. Die Exempel sind in den Gesprächspielen/ Teutschen Palm- baum und sonderlich in Porticu AUGUSTI zu sehen. 9. Nicht weniger schöne Erfindungen giebet müts-
Die neunde Stund. der Einoͤden des Meers/ der Staͤtte/ Palaͤſt/Schloͤſſer/ etc. Hier iſt auch dem Poeten ein Zu- ſatz erlaubt/ daß er nemlich Zeit- und Denkſchrif- ten in kurtzen Reimen verfaſſt/ erzehlen und ver- melden kan/ daß ſelbe in Baͤumen geſchnitten/ o- der in Felſen gehauen/ oder in Marmolſeulen mit Gold geſchrieben etc. dar und dort zu leſen ſeyn. Hierbey laͤſſet es aber der Poet nicht verbleiben/ ſondern er erdichtet ihm einen ſolchen Ort/ der ſei- ner Erfindung dienlich iſt: Er bauet Tempel/ Palaͤſte/ Garten/ Schiffe/ Bruͤcken/ Siegsſeulẽ/ Ehrengedaͤchtniſſe/ und dergleichen/ und zu ſol- chem Ende ſol er in der Baukunſt wol erfahren ſeyn/ und nechſt dem Gemaͤhl ſeines ausgedichten Baus/ auch den Geometriſchen oder weißkuͤnſti- gen Grundriß beyzufuͤgen wiſſen. Die Exempel ſind in den Geſpraͤchſpielen/ Teutſchen Palm- baum und ſonderlich in Porticu AUGUSTI zu ſehen. 9. Nicht weniger ſchoͤne Erfindungen giebet muͤts-
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Die neunde Stund.
der Einoͤden des Meers/ der Staͤtte/ Palaͤſt/
Schloͤſſer/ etc. Hier iſt auch dem Poeten ein Zu-
ſatz erlaubt/ daß er nemlich Zeit- und Denkſchrif-
ten in kurtzen Reimen verfaſſt/ erzehlen und ver-
melden kan/ daß ſelbe in Baͤumen geſchnitten/ o-
der in Felſen gehauen/ oder in Marmolſeulen mit
Gold geſchrieben etc. dar und dort zu leſen ſeyn.
Hierbey laͤſſet es aber der Poet nicht verbleiben/
ſondern er erdichtet ihm einen ſolchen Ort/ der ſei-
ner Erfindung dienlich iſt: Er bauet Tempel/
Palaͤſte/ Garten/ Schiffe/ Bruͤcken/ Siegsſeulẽ/
Ehrengedaͤchtniſſe/ und dergleichen/ und zu ſol-
chem Ende ſol er in der Baukunſt wol erfahren
ſeyn/ und nechſt dem Gemaͤhl ſeines ausgedichten
Baus/ auch den Geometriſchen oder weißkuͤnſti-
gen Grundriß beyzufuͤgen wiſſen. Die Exempel
ſind in den Geſpraͤchſpielen/ Teutſchen Palm-
baum und ſonderlich in Porticu AUGUSTI zu
ſehen.
9. Nicht weniger ſchoͤne Erfindungen giebet
die Betrachtung der Perſonen an die Hand.
Es ſind aber derſelben zweyerley/ der Geſchichte
und der Gedichte. Die Perſonen der Geſchichte
werden beſchrieben nach ihren eigentlichen Be-
ſchaffenheiten/ und finden ſonderlich ſtat in den
Trauer- und Freudenſpielen/ in welchen die vor-
nemſten Perſonen nach ihren Sitten und Ge-
muͤts-
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