Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.Die siebende Stund. tigkeit/ in unsre Muttersprache wolverständig ü-berbringen. Jch sage wolverständig; dann wel- che dem Griechischen/ Lateinischen/ oder Frantzö- sichen gar zu gnau nachhangen/ machen sich bey den Vngelehrten verächtlich/ bey den Gelehrten lächerlich. Hiervon ist Meldung geschehen in der sechsten Stunde. 12. Die Nachahmung des Poeten bestehet 13. Ob nun wol der Poet bemühet ist neue Er- 14. Von dem Mißlaut und Wollaut der Verse
Die ſiebende Stund. tigkeit/ in unſre Mutterſprache wolverſtaͤndig uͤ-berbringen. Jch ſage wolverſtaͤndig; dann wel- che dem Griechiſchen/ Lateiniſchen/ oder Frantzoͤ- ſichen gar zu gnau nachhangen/ machen ſich bey den Vngelehrten veraͤchtlich/ bey den Gelehrten laͤcherlich. Hiervon iſt Meldung geſchehen in der ſechſten Stunde. 12. Die Nachahmung des Poeten beſtehet 13. Ob nun wol der Poet bemuͤhet iſt neue Er- 14. Von dem Mißlaut und Wollaut der Verſe
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die ſiebende Stund.</hi></fw><lb/> tigkeit/ in unſre Mutterſprache wolverſtaͤndig uͤ-<lb/> berbringen. Jch ſage wolverſtaͤndig; dann wel-<lb/> che dem Griechiſchen/ Lateiniſchen/ oder Frantzoͤ-<lb/> ſichen gar zu gnau nachhangen/ machen ſich bey<lb/> den Vngelehrten veraͤchtlich/ bey den Gelehrten<lb/> laͤcherlich. Hiervon iſt Meldung geſchehen in der<lb/> ſechſten Stunde.</p><lb/> <p>12. Die Nachahmung des Poeten beſtehet<lb/> nun in eigentlicher Beſchreibung der Sachen/<lb/> da ſeine Wort gleichſam die Farben ſind/ mit wel-<lb/> chen er alles deutlichſt vorbildet: Oder in Erdich-<lb/> tung gewiſſer Perſonen/ denen er die Wort in den<lb/> Mund leget/ und derſelben Gedanken und Tha-<lb/> ten vorſtellet. Die erſte Bildung iſt in unſren Ge-<lb/> danken/ die andre in unſrem Werck/ die dritte in<lb/> eines andern Werck/ das unſrem nach gemacht<lb/> wird/ und dieſes letzte vollfuͤhret der Poet.</p><lb/> <p>13. Ob nun wol der Poet bemuͤhet iſt neue Er-<lb/> findungen an das Liecht zu bringen/ ſo kan er doch<lb/> nichts finden/ deſſen Gleichheit nicht zuvor gewe-<lb/> ſen/ oder noch auf der Welt were. Solche<lb/> Nachahmung aber kan er auf mancherley Weiſe<lb/> verſtellen/ und zu ſeinẽ Vorhaben dienen machen.<lb/> Den wahren Gedichtẽ Vmſtaͤnde/ und Fuͤgniſſen<lb/> andichten/ wie hernach mit mehrerm gedacht wer-<lb/> denſol.</p><lb/> <p>14. Von dem Mißlaut und Wollaut der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Verſe</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0022]
Die ſiebende Stund.
tigkeit/ in unſre Mutterſprache wolverſtaͤndig uͤ-
berbringen. Jch ſage wolverſtaͤndig; dann wel-
che dem Griechiſchen/ Lateiniſchen/ oder Frantzoͤ-
ſichen gar zu gnau nachhangen/ machen ſich bey
den Vngelehrten veraͤchtlich/ bey den Gelehrten
laͤcherlich. Hiervon iſt Meldung geſchehen in der
ſechſten Stunde.
12. Die Nachahmung des Poeten beſtehet
nun in eigentlicher Beſchreibung der Sachen/
da ſeine Wort gleichſam die Farben ſind/ mit wel-
chen er alles deutlichſt vorbildet: Oder in Erdich-
tung gewiſſer Perſonen/ denen er die Wort in den
Mund leget/ und derſelben Gedanken und Tha-
ten vorſtellet. Die erſte Bildung iſt in unſren Ge-
danken/ die andre in unſrem Werck/ die dritte in
eines andern Werck/ das unſrem nach gemacht
wird/ und dieſes letzte vollfuͤhret der Poet.
13. Ob nun wol der Poet bemuͤhet iſt neue Er-
findungen an das Liecht zu bringen/ ſo kan er doch
nichts finden/ deſſen Gleichheit nicht zuvor gewe-
ſen/ oder noch auf der Welt were. Solche
Nachahmung aber kan er auf mancherley Weiſe
verſtellen/ und zu ſeinẽ Vorhaben dienen machen.
Den wahren Gedichtẽ Vmſtaͤnde/ und Fuͤgniſſen
andichten/ wie hernach mit mehrerm gedacht wer-
denſol.
14. Von dem Mißlaut und Wollaut der
Verſe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/22 |
Zitationshilfe: | Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/22>, abgerufen am 16.02.2025. |