Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

Bild:
<< vorherige Seite

Die zwölffte Stund.
darauf einen Gott kommen lässet) daß der Sache
abgeholffen wird. Dieses pflegen gute Poeten nicht
zuthun/ sondern wissen das Gedicht/ also zu ver-
binden/ daß sie solches auch wieder aufknüpfen
können.

4. Die erste Person des Freudenspiels ist der
Vorredner/ und wird aus der Bildkunst herge-
nommen/ vorstellend ein Laster/ oder eine Tugend/
auf welchen das gantze Spiel zielet: oder es wird
gebildet ein Fluß eine Statt/ ein Land/ eine Kunst/
als die Music oder Mahlerey/ in dem vierten Theil
der Gesprächspiele: Oder man führet auf den
den Schauplatz eine Person aus den Heydnischen
Geschichten. Wie nun in dem Trauerspielen/
eine Person desselben die Vorrede ableget; also
muß in dem wolverfasten Freudenspiele eine be-
sondere Person den ersten Vortrag thun/ und
nachmals nicht mehr gesehen werden.

5. Die andern Personen in den Freudenspie-
len/ werden hergenommen aus den Geschichten;
in dem man einführet einen alten Geitzhals einen
jungen Buhler/ eine freche Dirne/ einen listigen
Knecht/ einen betrüglichen Kupler/ unverschämten
Fremdling/ schwetzhaffte Frauen/ verliebte Jung-
frauen/ geschäfftige Mägde und dergleichen Leute/
die in gemeinen Burgerlichen Leben zu finden.
Selten betretten Könige den Schauplatz/ doch

werden

Die zwoͤlffte Stund.
darauf einen Gott kommen laͤſſet) daß der Sache
abgeholffen wiꝛd. Dieſes pflegen gute Poeten nicht
zuthun/ ſondern wiſſen das Gedicht/ alſo zu ver-
binden/ daß ſie ſolches auch wieder aufknuͤpfen
koͤnnen.

4. Die erſte Perſon des Freudenſpiels iſt der
Vorredner/ und wird aus der Bildkunſt herge-
nommen/ vorſtellend ein Laſter/ oder eine Tugend/
auf welchen das gantze Spiel zielet: oder es wird
gebildet ein Fluß eine Statt/ ein Land/ eine Kunſt/
als die Muſic oder Mahlerey/ in dem vierten Theil
der Geſpraͤchſpiele: Oder man fuͤhret auf den
den Schauplatz eine Perſon aus den Heydniſchẽ
Geſchichten. Wie nun in dem Trauerſpielen/
eine Perſon deſſelben die Vorrede ableget; alſo
muß in dem wolverfaſten Freudenſpiele eine be-
ſondere Perſon den erſten Vortrag thun/ und
nachmals nicht mehr geſehen werden.

5. Die andern Perſonen in den Freudenſpie-
len/ werden hergenommen aus den Geſchichten;
in dem man einfuͤhret einen alten Geitzhals einen
jungen Buhler/ eine freche Dirne/ einen liſtigen
Knecht/ einen betruͤglichẽ Kupler/ unverſchaͤmten
Fremdling/ ſchwetzhaffte Frauen/ verliebte Jung-
frauen/ geſchaͤfftige Maͤgde und dergleichen Leute/
die in gemeinen Burgerlichen Leben zu finden.
Selten betretten Koͤnige den Schauplatz/ doch

werden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0110" n="96"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die zwo&#x0364;lffte Stund.</hi></fw><lb/>
darauf einen Gott kommen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et) daß der Sache<lb/>
abgeholffen wi&#xA75B;d. Die&#x017F;es pflegen gute Poeten nicht<lb/>
zuthun/ &#x017F;ondern wi&#x017F;&#x017F;en das Gedicht/ al&#x017F;o zu ver-<lb/>
binden/ daß &#x017F;ie &#x017F;olches auch wieder aufknu&#x0364;pfen<lb/>
ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>4. Die er&#x017F;te Per&#x017F;on des Freuden&#x017F;piels i&#x017F;t der<lb/>
Vorredner/ und wird aus der Bildkun&#x017F;t herge-<lb/>
nommen/ vor&#x017F;tellend ein La&#x017F;ter/ oder eine Tugend/<lb/>
auf welchen das gantze Spiel zielet: oder es wird<lb/>
gebildet ein Fluß eine Statt/ ein Land/ eine Kun&#x017F;t/<lb/>
als die Mu&#x017F;ic oder Mahlerey/ in dem vierten Theil<lb/>
der Ge&#x017F;pra&#x0364;ch&#x017F;piele: Oder man fu&#x0364;hret auf den<lb/>
den Schauplatz eine Per&#x017F;on aus den Heydni&#x017F;che&#x0303;<lb/>
Ge&#x017F;chichten. Wie nun in dem Trauer&#x017F;pielen/<lb/>
eine Per&#x017F;on de&#x017F;&#x017F;elben die Vorrede ableget; al&#x017F;o<lb/>
muß in dem wolverfa&#x017F;ten Freuden&#x017F;piele eine be-<lb/>
&#x017F;ondere Per&#x017F;on den er&#x017F;ten Vortrag thun/ und<lb/>
nachmals nicht mehr ge&#x017F;ehen werden.</p><lb/>
        <p>5. Die andern Per&#x017F;onen in den Freuden&#x017F;pie-<lb/>
len/ werden hergenommen aus den Ge&#x017F;chichten;<lb/>
in dem man einfu&#x0364;hret einen alten Geitzhals einen<lb/>
jungen Buhler/ eine freche Dirne/ einen li&#x017F;tigen<lb/>
Knecht/ einen betru&#x0364;gliche&#x0303; Kupler/ unver&#x017F;cha&#x0364;mten<lb/>
Fremdling/ &#x017F;chwetzhaffte Frauen/ verliebte Jung-<lb/>
frauen/ ge&#x017F;cha&#x0364;fftige Ma&#x0364;gde und dergleichen Leute/<lb/>
die in gemeinen Burgerlichen Leben zu finden.<lb/>
Selten betretten Ko&#x0364;nige den Schauplatz/ doch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">werden</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0110] Die zwoͤlffte Stund. darauf einen Gott kommen laͤſſet) daß der Sache abgeholffen wiꝛd. Dieſes pflegen gute Poeten nicht zuthun/ ſondern wiſſen das Gedicht/ alſo zu ver- binden/ daß ſie ſolches auch wieder aufknuͤpfen koͤnnen. 4. Die erſte Perſon des Freudenſpiels iſt der Vorredner/ und wird aus der Bildkunſt herge- nommen/ vorſtellend ein Laſter/ oder eine Tugend/ auf welchen das gantze Spiel zielet: oder es wird gebildet ein Fluß eine Statt/ ein Land/ eine Kunſt/ als die Muſic oder Mahlerey/ in dem vierten Theil der Geſpraͤchſpiele: Oder man fuͤhret auf den den Schauplatz eine Perſon aus den Heydniſchẽ Geſchichten. Wie nun in dem Trauerſpielen/ eine Perſon deſſelben die Vorrede ableget; alſo muß in dem wolverfaſten Freudenſpiele eine be- ſondere Perſon den erſten Vortrag thun/ und nachmals nicht mehr geſehen werden. 5. Die andern Perſonen in den Freudenſpie- len/ werden hergenommen aus den Geſchichten; in dem man einfuͤhret einen alten Geitzhals einen jungen Buhler/ eine freche Dirne/ einen liſtigen Knecht/ einen betruͤglichẽ Kupler/ unverſchaͤmten Fremdling/ ſchwetzhaffte Frauen/ verliebte Jung- frauen/ geſchaͤfftige Maͤgde und dergleichen Leute/ die in gemeinen Burgerlichen Leben zu finden. Selten betretten Koͤnige den Schauplatz/ doch werden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/110
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/110>, abgerufen am 25.11.2024.